Boden gut machen – Nachhaltige Wege in der Verwertung von Aushub

Boden verwerten statt entsorgen ist die Devise der Zukunft. Weil bei Bauprojekten insbesondere beim Aushub große Mengen an Abfall anfallen, Deponiekapazitäten knapper werden, Entsorgungskosten rapide ansteigen und gesetzliche Auflagen strenger werden, wird die Aufbereitung umso wichtiger. Bau- und Abbruchabfälle machten 2020 laut Umweltbundesamt mit rund 229,4 Millionen Tonnen den Großteil (55,4 Prozent) des Brutto-Abfallaufkommens aus. Den größten Anteil daran hat der Bodenaushub, der überwiegend wiederverwertet wird. Allerdings wird davon noch zu wenig einer höherwertigen Nutzung zugeführt. Dabei gibt es bereits vielversprechende Wege, den Ressourcenverbrauch in Bauprojekten weiter zu reduzieren.

Dr. Katrin Fischer, Bauingenieurin aus Stuttgart, und ihr Team haben dafür ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell entwickelt. Über die digitale Plattform „Erdpool“, ein Corporate Start-up der DB Bahnbau Gruppe, wird seit 2021 Erdaushub angeboten. Bei der Realisierung von Großprojekten wie Tunneln fallen gigantische Mengen Aushub pro Jahr allein in Deutschland an. Die Entsorgung davon macht bis zu 15 Prozent der Baukosten aus, so die DB Bahnbau Gruppe. Das verursacht bei Großprojekten dann schnell Millionen Euro Kosten. Weil viel Potenzial auf der Strecke blieb, übernimmt „Erdpool“ die Vermarktung der mineralischen Rohstoffe, sodass die Entsorgungskosten für verwertbare Anteile des Aushubs eingespart und natürliche Ressourcen geschont werden, indem Kies, Sand oder Naturstein direkt zu den Abnehmern geliefert werden. Zu den Leistungen der Plattform gehört ein Vermarktungs-Check zur Einschätzung des Materialpotenzials, eine Projektbegleitung und die Abwicklung. Entscheidend für Abnehmer ist es, zu wissen, wie das Material beschaffen ist. Über „Erdpool“ können Proben bestellt sowie Bodengutachten eingesehen werden.

Auch die digitale Plattform Schüttflix entwickelt sich weiter und baut neben der Versorgung mit Schüttgütern den Geschäftsbereich der Entsorgung auf. „Wir denken Ver- und Entsorgung zusammen. Mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Entsorgernetzwerkes bringen wir die Akteure der Abfallwertschöpfungskette enger zusammen und schließen Lücken in den Stoffkreisläufen. So erhöhen wir die Recyclingquote und schöpfen das stoffliche Potenzial vieler Abfälle aus. Auch vermeiden wir durch Voll-Voll-Transporte Leerfahrten und damit CO2-Emissionen“, erklärt Frank Kramer, Geschäftsleitung Waste Management bei Schüttflix. Abfallerzeuger können ihre Entsorgungsprozesse selbstständig und digital über die Schüttflix-App steuern. Außerdem ermöglicht Schüttflix Kunden und Partnern, alle abfallwirtschaftlichen und entsorgungstechnischen Informationen im Bestell- und Transportprozess zu verfolgen und jederzeit nachzuvollziehen. „Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für die Abfallwirtschaft. Mit unserem Produkt bieten wir eine simple Lösung an, bestehende analoge Prozesse zu digitalisieren. Davon profitieren unsere Kunden: weniger Papierkram, mehr Transparenz, reduzierte Kosten“, so Frank Kramer. Alle Dokumente wie Entsorgungsnachweise oder Begleitscheine für jeden Transport sind digital einseh- und abrufbar, Verladestellen können via GPS-Daten metergenau angegeben werden und die Bezahlung wird innerhalb eines Tages abgewickelt. Im Laufe des Jahres sollen weitere Funktionen, unter anderem die Anbindung an das elektronische Abfallnachweisverfahren (eANV), ergänzt werden.

An anderer Stelle werden ebenfalls ressourcenschonende Konzepte realisiert, etwa im Rathausviertel von Kirchheim bei München. Dort fielen bei der Baugrubenerstellung für ein neues Wohnquartier tonnenweise Kiesaushub an, der für die Betonherstellung wiederverwendet wurde. Damit wird vom Bereich Bauer Umwelt der Bauer Resources GmbH ein wertvoller Schatz gehoben, der auch ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist. Der Aushub erfolgte bis zu einer Tiefe von drei Metern. Dabei wurden insgesamt 38 000 Kubikmeter Material ausgehoben und entsorgt. Die hierbei angefallenen 33 000 Kubikmeter Kies wurden direkt verladen, in ein nahegelegenes Kieswerk transportiert und dort aufbereitet, sodass sie zu Beton verarbeitet werden konnten. Allein in Deutschland werden jährlich ungefähr 27,5 Millionen Tonnen Beton hergestellt. Würde nur ein kleiner Teil davon aus recyceltem Kies produziert, dann wäre die Betonherstellung ein ganzes Stück nachhaltiger. Natürliche Rohstoffe würden geschont und Aushubmassen müssten nicht deponiert werden. „Der ausgehobene Kies wird also dringend benötigt und wertet auch die Arbeit des Teams vor Ort gewaltig auf“, so Vertriebsleiter Thomas Reinthaler.

Mit dem Betrieb von Bodenverbesserungsanlagen geht auch die IHR Wegbereiter Gruppe nachhaltige Wege im Straßen- und Tiefbau. „Die schonende und sinnvolle Verwendung dessen, was die Natur uns gibt, ist für uns und vor allem für die nachfolgenden Generationen existenziell“, so Eberhard Köhler, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe, zu der Firmen wie Schneider, Konrad Bau und Schneider Bau gehören. Die 2021 eröffnete Bodenverbesserungsanlage Taubertal (BVT) wird von einer Tochtergesellschaft in Gerlachsheim betrieben. Geschäftsführer Stefan Laufer hat die Anlage mitentwickelt und ein klares Ziel vor Augen: „Ob Abbau oder Einbau, ohne Bodenbewegung geht nichts im Straßen- und Tiefbau. Darum sehen wir es als unsere Aufgabe, möglichst viel Boden zu recyceln und als „R-Boden“ in den natürlichen Kreislauf zurückzuführen“, sagt er. Das „R“ steht nicht nur für Recycling, sondern zugleich für regional. Denn wer sich lange Wege beim Transport sparen kann, senkt die Kosten und vor allem den CO2-Verbrauch, ein Muss in Zeiten des Klimawandels.

Bereits seit 2018 leistet die in Kupferzell ansässige Baustoff- und Bodenbehandlung Hohenlohe (BBH) mit zwei Bodenverbesserungsanlagen einen klimapositiven Beitrag. In Öhringen betreibt das an der BBH beteiligte Unternehmen Schneider einen der beiden Standorte, die andere Anlage befindet sich in Kupferzell-Rüblingen. Die Schonung der natürlichen Ressource Boden sei integraler Bestandteil einer Nachhaltigkeitsstrategie im Straßen- und Tiefbau, erläutert Eberhard Köhler. Etwa 80 Prozent der bei Baumaßnahmen anfallenden Bodenabfälle lassen sich wiederverwenden. Noch vor dem Ausbau wird der Boden vor Ort anhand von 23 Parametern untersucht, um die Bestandteile einordnen zu können. Dann erfolgt der Aushub und das Material wird sortiert. Stoffe, die sich nicht mehr verwerten lassen, landen direkt auf der Deponie. Das übrige Material wird in die BVT geliefert. Die Klassifizierung des Bodens erfolgt in einem zertifizierten Bodenprüflabor. In der BVT werden die Bestandteile in die Bodenfraktionen grob, mittel, fein aufgeteilt – etwa durch Trennen, Sieben, Brechen oder mechanische Stabilisierung. Störstoffe wie Holz, Beton, Stahl oder Kunststoffe werden entfernt. Die technischen Eigenschaften der Materialien, etwa der Wassergehalt, lassen sich in der BVT verbessern. Dadurch kann eine hohe Tragfähigkeit erreicht werden, die den Wiedereinbau unter Gebäuden und Straßen ermöglicht. Bis zur Wiederverwendung werden die behandelten Materialien im Außengelände der BVT oder in der Halle gelagert. 95 Prozent des aufbereiteten Bodens werden wieder eingebaut. Angeboten werden unter anderem ackerfähiger Boden (Humus), nicht steinfreier Boden für den Unterbau, verbesserter/gekalkter Boden sowie R-Schotter, R-Splitt und Sand.

Unternehmen können das komplette Bodenmanagement von den Spezialisten für Bodenverbesserung abwickeln lassen, inklusive des Transports der benötigten Aus- und Einbaumengen. „Außerdem veredeln wir Boden, etwa durch Aufbereitung oder Zugabe von Kalk und/oder Zement“, sagt Eberhard Köhler. Wer Boden zwischenlagern will, liefert diesen in den Anlagen ab. Dort wird er gesiebt, sortenrein aufbereitet und für die Wiederverwertung bereitgehalten – in Zwischenlagern, die nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) arbeiten. So wird Platz geschaffen für Baumaßnahmen vor Ort. „Unser Angebot verbindet klima- und umweltfreundliches Bauen mit allen Leistungen, die im Zuge von Bodenbewegungen anfallen“, fasst Eberhard Köhler zusammen. Mit den selbst betriebenen Anlagen wolle man den Kunden auch den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft erleichtern: „Wir haben durchaus Sendungsbewusstsein, denn dem Klimawandel lässt sich nur gemeinsam erfolgreich begegnen.“ Der Geschäftsführer weiß, dass manche Auftraggeber den Einsatz von R-Boden noch kritisch sehen: „Wir beachten sämtliche Vorgaben und Vorschriften und schaffen zugleich praktischen Klimaschutz, das müssen wir kommunizieren.“

Januar/Februar 2023