Der Bürokratie Beine machen

2021 kann nur besser werden – das dachten wir noch vor ein paar Wochen, als wir das alte Jahr schnellstmöglich hinter uns lassen wollten. Doch die Hoffnungen darauf stellten sich mit der Verschärfung und Verlängerung des zweiten Lockdowns nicht ein. Denn immer enger zog die Regierung die Daumenschrauben an und hangelte sich von einer Schockstarre zur nächsten – mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft. Alles wird dem Ziel untergeordnet, mit Kontaktbeschränkungen den Inzidenzwert von 50 und darunter zu erreichen. Darum kommt es in der Pandemie mehr denn je auf das Impfen und die entsprechende Herdenimmunität an.

Doch die Impfpolitik der EU-Kommission und die Verteilung der Impfdosen in Deutschland lässt nun viele verzweifeln, die bislang noch optimistisch waren, diese Krise zu meistern. Deutsche Gründlichkeit war eine oft gepriesene Tugend, doch Unternehmern wie Kurt Zech mahlen die Mühlen des Beamtenapparats zu langsam. Der Bremer Baulöwe mit der Zech Group an der Spitze startete mit anderen Firmen aus der Hansestadt die in Deutschland bislang einzigartige Initiative „Bremen impft“. Die Privatwirtschaft will die Gesundheitsbehörde unterstützen, den Impfstoff in wenigen Monaten zu verteilen und damit schnell wieder Normalität für das öffentliche sowie wirtschaftliche Leben ohne Einschränkungen herstellen. Warum nicht das Know-how der Unternehmen mehr nutzen, um die Pandemie gemeinsam zu bekämpfen? Dann kämen wir bestimmt schneller ans Ziel und könnten die Wirtschaft zum Laufen bringen. Stattdessen wird man den Eindruck nicht los, dass sich Deutschland am Ende selbst ausbremst. Die Versäumnisse sind fatal, weil zu zögerlich Impfstoff bestellt wurde. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es auch anders geht: Dort legt Israel ungeheures Tempo beim Impfen vor. Aber auch bei Großprojekten ist man uns um Längen voraus. In nur vier Jahren Bauzeit entstand in Peking der größte Flughafen der Welt. Zum Vergleich: Der BER wurde neun Jahre später als geplant erst 2020 eröffnet.

Der holprige Impfstart in Deutschland ist symptomatisch für das, was hierzulande alles schiefläuft und zeigt einmal mehr, warum Großprojekte scheitern, die Kosten überzogen werden und sich Bauarbeiten verzögern. Der Fehler liege im System, behaupten Wissenschaftler wie die Wirtschaftsprofessoren Klaus Schmidt und Eckhard Janeba, die als Mitglieder im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in einer Studie ermittelten, warum Großprojekte misslingen. Komplizierte Genehmigungsverfahren und endlos lange Gerichtsverfahren sind inzwischen an der Tagesordnung vieler Bauvorhaben, deren Planungen sich in die Länge ziehen. Bauunternehmen erhoffen sich schon lange eine Planungsbeschleunigung. Politiker sind nicht ganz unschuldig, dass Bauprojekte aus dem Ruder laufen. Sie müssen ihren Wählern die Projekte „verkaufen“, so die Wissenschaftler. Sind die Kosten zu hoch taxiert, hagelt es von vornherein Proteste. Deswegen werden Projektkosten zu Beginn zu niedrig angesetzt, siehe BER. Ein weiteres Manko sind schwach besetzte Baubehörden – ihnen fehlt das Fachpersonal, das sich um die immer komplexer werdenden Ausschreibungsverfahren und Vergaben kümmert.

Angesichts dessen hat der Bau der Gigafabrik von Tesla in Grünheide eine Signalwirkung – das Tempo könnte auch für andere Vorhaben hierzulande Vorbild werden. Denn erst 2020 begannen die Vorbereitungen, aber schon im Juli 2021 sollen die ersten E-Autos produziert werden, sofern Zauneidechsen den Fortschritt der Baustelle nicht noch torpedieren. „Tesla zeigt, was möglich ist, wenn politischer Wille sowie effiziente und schnelle Bearbeitungsabläufe bei Verwaltung und Gerichten auf Umsetzungswillen in Wirtschaft und Industrie treffen“, äußerte der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), gegenüber dem Handelsblatt.

Aber auch Biontech aus Mainz macht Mut, dass in Deutschland Großartiges geleistet wird. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ vergleicht die Entwicklung des Impfstoffs gar mit der Mondlandung. Da hätten wir durchaus etwas, worauf wir stolz sein können. Dass unser Vorsprung dann wiederum bei der Umsetzung verspielt wird, ist echt enttäuschend.

Januar/Februar 2021