Abbruchunternehmer durch und durch: Thomas Hagedorn über seine Leidenschaft

Vom Maschinisten zum Unternehmer ist ein Lebenslauf, der in der Baubranche keine Seltenheit ist. Doch nicht alle erreichen das, was Thomas Hagedorn in 24 Jahren gelungen ist: eine Unternehmensgruppe mit derzeit 710 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu entwickeln, die den Abbruch und die Altlastensanierung, die Entsorgung und das Stoffstrommanagement, den Tiefbau und die Revitalisierung bedient und dabei eine führende Position bezieht. Am 11. Mai feierte der erfolgreiche Unternehmer seinen 50. Geburtstag. Den Anlass nutzen wir für eine Rückschau auf das Erreichte und tauschen uns aus über zukünftige Pläne.

Thomas Hagedorn: „Ich habe alle Facetten vom Bau kennengelernt. Das hat mir beim Start in die Selbstständigkeit geholfen. Man weiß, wovon man spricht, und setzt sich durch mit dem, was man kann.“ Fotos: Hagedorn

Baublatt: Mit einem Bagger und einem Tieflader machten Sie sich im Alter von 26 Jahren 1997 selbstständig. Hinter Ihnen lagen Stationen als Schlosser, Lkw-Fahrer, Maschinist, Vorarbeiter und Bauleiter. Was hat Ihnen damals geholfen, dass Sie Fuß fassen konnten?

Thomas Hagedorn: Im Alter von sechs Jahren habe ich erstmals einen Bagger gefahren. Das konnte ich in kürzester Zeit ziemlich gut. Ich bin im Betrieb meines Vaters groß geworden, habe in der Werkstatt mitgeschraubt. Zur Belohnung durfte ich am Samstag in der Sandgrube die Lkw beladen. Arbeit wurde mit Arbeit belohnt. Da wurden die Grundlagen für die Baustelle geschaffen und da habe ich die Praxis kennengelernt. Früher konnte ich es als Schüler nicht fassen, dass man beim Baggern Geld verdient (lacht).

Großes hat Thomas Hagedorn von Anfang an bewegt.
Nach beruflichen Stationen als Schlosser, Lkw-Fahrer, Maschinist, Vorarbeiter und Bauleiter entschließt sich Thomas Hagedorn (Zweiter von links), sich 1997 selbstständig zu machen und überzeugt seine ehemaligen Kollegen von seiner Idee.

Baublatt: Sie hatten früher also dann auch immer genügend Taschengeld?

Thomas Hagedorn: Ich wurde nicht übermäßig bezahlt, habe aber durchaus was verdient. Außerdem mit keinem Geld aufzuwiegen: Ich habe alle Facetten vom Bau kennengelernt. Das hat mir beim Start in die Selbstständigkeit geholfen. Man weiß, wovon man spricht, und setzt sich durch mit dem, was man kann. Das war damals so und gilt auch heute. Egal, ob Mann oder Frau, welche Hautfarbe oder Nation: Wer etwas unbedingt erreichen will und für etwas talentiert ist, der schafft das auch.

Baublatt: Innerhalb von nicht mal drei Jahrzehnten hat Ihre Unternehmensgruppe es geschafft: Sie zählt zu den fünf erfolgreichsten Abbruchunternehmen der Welt (laut Ranking des internationalen Magazins d&ri, Demolition and Recycling International). Welche zentralen Entscheidungen haben Sie in die Champions League katapultiert?

Thomas Hagedorn: Viele haben an mich geglaubt. Zeppelin hat mir zum Beispiel auch ganz früh eine Chance gegeben. So war es möglich, dass ich einen Bagger mieten konnte. Was sicher auch ganz entscheidend war: Ich habe immer für meinen Job gebrannt und habe bis heute ein Team um mich, das die Leidenschaft teilt. Ein wesentlicher Punkt war darüber hinaus die Fairness gegenüber unseren Kunden – nach dem Motto: Ehrlich währt am längsten. Wir haben niemanden übervorteilt. Und wir legen seit der Stunde null größten Wert auf Sauberkeit auf den Baustellen. Nach dem Abbruch haben wir damals zum Beispiel unaufgefordert Mutterboden verteilt und eingeharkt. Das machten wir sozusagen on top. Dadurch entstand ein sauberer Gesamteindruck. Kleiner Aufwand, große Wirkung. Durch Mundpropaganda entstand ein tolles Team und es entwickelte sich immer mehr Fachkompetenz. Wir haben einen neuen Weg beim Recycling eingeschlagen, indem wir uns auf das saubere Sortieren fokussiert haben. So wurden wir in tolle Projekte involviert. Daraus entwickelte sich dann nach und nach wirtschaftliche Stärke. In den ersten Jahren haben wir 300 000 DM Umsatz im Abbruch erzielt. Im letzten Jahr waren es 191,5 Millionen Euro Umsatz. In Summe erzielt die ganze Gruppe inklusive Tiefbau eine Gesamtleistung von rund 300 Millionen Euro – Tendenz steigend.

Baublatt: Wie wesentlich war es dafür, dass Sie heute als Full-Service-Dienstleister eine Vielzahl an Geschäftsbereichen aus einer Hand anbieten können?

Thomas Hagedorn: Es war entscheidend für die Wertschöpfungskette, die verschiedenen Sparten wie Abbruch, Recycling und Tiefbau aufzubauen und miteinander zu verzahnen. Sonst wären wir an einige Großprojekte auch gar nicht erst gekommen. Ich erinnere mich noch gut an eine Kaserne in Frankfurt, das war eines unserer ersten Full-Service-Projekte. Wir haben den Abbruch gemacht. Dann kam die Sanierung der darunterliegenden Deponie. Parallel dazu wurde der Bauschutt recycelt und in der Deponie verfüllt. Am Ende haben wir eine Fläche ohne Kaserne übergeben, auf der die Deponie saniert und die Infrastruktur samt Straßen eingebaut war. Alles aus einer Hand. Erdarbeiten samt Außenanlagen auf den späteren Baufeldern in Form von industriellem Tiefbau kamen für die Logistiker on top. Bei dem Kunden kam es sehr gut an, dass wir alle Schritte zu einem marktgerechten Preis selbst machen konnten.

Mit einem Cat Kettenbagger startete Thomas Hagedorn im Abbruchgeschäft durch.

Baublatt: Wie wichtig wird die Abbruchbranche für den Klimawandel und die Energiewende und inwiefern glauben Sie davon zu profitieren und dafür bereits richtig aufgestellt zu sein?

Thomas Hagedorn: Wir haben aktuell einen Flächenverbrauch von rund 52 Hektar pro Tag in Deutschland. Unsere freien Flächen werden knapp. Unsere einzige Chance ist, alte Brownfields wieder nutzbar zu machen. Nur so können wir das Ziel der Bundesregierung erreichen, bis 2030 den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Bis 2050 sollen gar keine neuen Flächen dazukommen. Das ist ein mehr als ambitioniertes Ziel. Und wir als Branche können dazu einen immensen Beitrag leisten. Nur müssen dafür auch die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Aktuell stellt die Politik uns und sich selbst da ganz klar ein Bein. Stichwort Mantelverordnung und der Umgang mit Recyclingmaterialien. Das ist nicht zu Ende gedacht. Wenn die Pläne so umgesetzt werden, wie aktuell angekündigt, sind in kürzester Zeit die Deponien dicht, die Umwandlung von Brown- zu Greenfields ist dann schlichtweg ökonomisch sowie ökologisch kontraproduktiv und torpediert die Idee der Brownfield-Aufbereitung. Wenn wir eine echte Kreislaufwirtschaft wollen, muss die Politik grundsätzlich den Einsatz von mineralischen Recyclingmaterialien fördern und nicht verhindern.

Baublatt: Ihr bislang spannendstes Abbruchprojekt war …?

Thomas Hagedorn: Spektakulär sind natürlich Projekte wie Brücken- oder Kraftwerkssprengungen, aber auch Hochhausabbrüche in Innenstädten. Es gibt nichts, was wir noch nicht angefasst haben. Den ersten Großauftrag vergisst man natürlich nie. Das war 1998 bei Dr. Oetker, als ich das Konzept für einen Abbruch in Höhe von 450 000 DM eingereicht und den Auftrag bekommen habe. Problem war, ich hatte weder Geräte noch ausreichend Personal für den damaligen Großauftrag. In drei Wochen habe ich zusammen mit Zeppelin die Maschinen und aus meinem Kumpelkreis die Fahrer zusammengestellt. Dass wir das geschafft haben, war unglaublich. Keiner hat gemerkt, dass ich deswegen nächtelang nicht schlafen konnte. Das war der Einstieg in den ersten Großabbruch.

Baublatt: Auf Ihrer Internetseite steht über Sie: Gründer, Boss, Versteher, Stratege, Vater. Inwieweit bringen Sie sich heute noch in die Unternehmensgruppe mit ein?

Thomas Hagedorn: Wenn sie jeden Job in ihrem Unternehmen schon selbst einmal gemacht haben, besteht latent die Gefahr, sich überall einmischen zu wollen. Ab einer gewissen Größenordnung ist es erstens nicht mehr machbar und zweitens auch unfair den verantwortlichen Personen gegenüber. Somit lernt man gewisse Situationen laufen zu lassen, auch wenn man in dem einen oder anderen Fall eventuell anders handeln würde. Auch daran reifen alle Beteiligten. Wir haben mittlerweile 14 hervorragende Geschäftsführer, die sich um ihre Einheiten voll verantwortlich kümmern und wo es auch nicht viel zum Nachjustieren gibt. Mein Job besteht überwiegend in der strategischen Ausrichtung und Weiterentwicklung des Unternehmens, die auch in kleinen, starken Teams stattfindet, und die sich jeden Tag mit der Frage beschäftigt, wie kriegen wir Hagedorn noch besser. Bei dem einen oder anderen Großprojekt im operativen Bereich wird gerne auf meine Erfahrungen und mein Netzwerk zurückgegriffen. So halte ich dann doch immer noch den Draht zur Basis und es macht Spaß.

Baublatt: Strecken Sie inzwischen auch Ihre Fühler ins Ausland aus?

Thomas Hagedorn: Nein, nicht mit einer eigenen Dependance, sondern nur mit einzelnen Bauvorhaben, wie etwa in den Benelux-Staaten.

Baublatt: Ein Zitat von Ihnen: „Hagedorn ist für mich Lebensinhalt, Hobby und Leidenschaft. Mein persönliches Erfolgsrezept? Eine Mischung aus Spaß an der Arbeit, Perfektionismus und Wertschätzung.“ Sie könnten theoretisch auch einfach Ihren Erfolg genießen. Was motiviert Sie, weiterzumachen?

Thomas Hagedorn: Mein Job ist mein Hobby, dem ich sehr gerne nachgehe. Sie können sich vorstellen, dass dieses Pensum nicht in einer normalen Arbeitswoche zu schaffen ist, aber meine Familie steht voll und ganz hinter mir und wir finden auch genügend Auszeiten für uns. Es bleibt auch noch Zeit für Fußball, insbesondere für den FC Schalke 04. Ich brenne noch immer für das Unternehmen und freue mich, mit dem super Team noch einige Ideen zu entwickeln, umzusetzen und somit das ganze Unternehmen noch weiter nach vorne zu bringen. Das ist meine Motivation.

Baublatt: Kommen Mitarbeiter noch direkt zu Ihnen mit ihren Anliegen oder ist man als Chef von einem Unternehmen Ihrer Größe schon zu weit weg vom Tagesgeschäft?

Thomas Hagedorn: Auch da ändern sich die Zeiten. Es ist natürlich wichtig, dass es keine Berührungsängste gibt, aber inzwischen wenden sich die Mitarbeiter zum großen Teil an ihre Vorgesetzten oder die zuständigen Geschäftsführer. Wenn es doch einmal einen Punkt gibt, der nicht gelöst werden kann, stehe ich natürlich immer gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Baublatt: Wie überzeugen Sie andere von Ihren Ideen und wie lassen Sie sich selbst überzeugen?

Thomas Hagedorn: Für gute Ideen bin ich schnell zu begeistern. Insbesondere, wenn es unsere Geschäftsbereiche und Gruppe weiterbringt. Voraussetzung ist: Ich muss die Idee verstehen und sie muss logisch sein. Dann bin ich Feuer und Flamme und kann andere anstecken. Wenn mich jemand argumentativ überzeugt, beharre ich nicht auf meiner Meinung Kraft meines Amtes, sondern folge dann einer neuen besseren Idee. Aber es gibt Themen, über die ich nicht verhandle. Zum Beispiel, wenn jemand aus Profitgründen Alternativen zu unserem immer höchst modernen und gepflegten Fuhr -und Maschinenpark vorschlagen würde (lacht).

„Natürlich kommt es uns immer auf den neuesten Stand der Technik bei Baumaschinen an. Aber Maschinen kauft man eben auch bei Menschen. Die Zusammenarbeit mit Cat und Zeppelin hat mich vom ersten Tag an überzeugt. Daraus ist mittlerweile eine enge Partnerschaft zu Zeppelin und der Niederlassung Paderborn entstanden“, sagte Thomas Hagedorn einmal über Kay-Achim Ziemann (rechts), Zeppelin Vertriebsdirektor, und Markus Knippschild (links), leitender Verkaufsrepräsentant.

Baublatt: Dass Sie sich mehr Ihrem Hobby, dem Fußball und dem FC Schalke 04 widmen, und sich aus der Arbeitswelt komplett zurückziehen, ist aber jetzt nicht vorstellbar, oder?

Thomas Hagedorn: Könnte ich, aber das ist keine Option für mich. Ich habe noch viel vor, das Unternehmen weiterzuentwickeln und genügend Ideen, welche Prozesse wir verbessern oder welche Technologien wir erneuern können. Die Firmengruppe zusammen mit den Mitarbeitern voranzutreiben und sie sowie die Kunden zu begeistern und das Ganze auszubauen, macht mir so viel Spaß, dass Aufhören für mich derzeit überhaupt nicht infrage kommt. Das liegt auch daran, dass unsere Arbeit – im Hinblick auf Nachhaltigkeit – auch sinnstiftend ist. Sei es die Entwicklung vom Brown- zum Greenfield oder sei es die Optimierung von Schüttguttransporten über unsere App Schüttflix, um etwa CO₂-Emissionen zu senken. Da habe ich richtig Bock drauf, das alles weiter fortzuführen. Nichtsdestotrotz ist alles geordnet und geregelt, sodass die Firmengruppe auch ohne mich laufen könnte.

Baublatt: Es heißt: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau – das trifft bei Ihnen definitiv zu. Welchen Anteil hat Ihre Frau Barbara am Erfolg, wo ergänzen Sie sich als Unternehmerpaar, wer hat welche Kompetenzen und wer hat wann das letzte Wort?

Gemeinsam entwickeln sie die Unternehmensgruppe: Barbara und Thomas Hagedorn.

Thomas Hagedorn: Es klingt ja fast schon ein bisschen kitschig. Aber ich stehe voll und ganz dazu, dass meine Frau mein größter Lottogewinn ist. Als wir uns kennengelernt haben, war klar: Es ist eine besondere Verbindung. Sie hatte bereits einen erfolgreichen Reifenvertrieb aufgebaut, den hat sie aus voller Überzeugung aufgegeben, ist in das Abbruchgeschäft gewechselt – damals hatten wir rund 15 Mitarbeiter – und hat mit mir zusammen die Firmengruppe entwickelt. Aus heutiger Sicht kann man sagen: Das war schlau. Damals wusste keiner, wie sich das alles ergeben würde. Seitdem arbeiten und leben wir Seite an Seite zusammen – wir begegnen uns auf Augenhöhe. Wir können uns beide nicht erinnern, dass wir ernsthaft gestritten haben. Natürlich gibt es Diskussionen. Meine Frau ist, wie man so schön sagt, mein Sparringspartner. Sie ist eine Unternehmerin durch und durch. Wenn mir morgen etwas passieren würde, würde sie sofort die Firmengruppe weiterführen können. Ein entscheidender Vorteil ist, dass ich Eigentümer bin und somit schnell Entscheidungen herbeigeführt werden. Ich muss mir dabei von niemand einen Freibrief holen. Aber es gibt keine wesentliche Entscheidung, die ich nicht mit meiner Frau besprochen habe. Denn sie ist mir als Beraterin immens wichtig, weil sie richtig Ahnung von dem hat, was wir tun. Da geht es nicht darum, welche Literleistung eine zwölf Tonnen schwere Abbruchschere hat. Sie weiß einfach, wie man mit Mitarbeitern umgeht, sie kennt den Vertrieb und sie sieht sofort, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Unsere neue Kampagne „Frau am Bau“ war ihre Idee, um Frauen für Jobs in der Bau- und Abbruchbranche zu gewinnen. Das ist eine starke Aktion. Meine Frau ist nicht wegzudenken und ganz nebenbei ist sie hauptverantwortlich für die Erziehung unserer beiden Töchter.

Baublatt: Wie läuft es bei Ihnen derzeit mit Homeschooling?

Thomas Hagedorn: Unsere Kinder lernen, wie viele andere, zu Hause und haben sich inzwischen mit der Situation abgefunden. Meine Frau schaut, dass sie auch noch öfter im Homeoffice ist, um bei eventuellen Fragen der Kinder zur Verfügung zu stehen. Sie haben sich inzwischen alle auf die neue Situation eingestellt.

Baublatt: Sie selbst bringen anderen Baggerfahren seit 2019 über einen Simulator bei und haben da Maßstäbe für die ganze Branche gesetzt, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Wie wird der Simulator inzwischen in der Ausbildung von Fachkräften angenommen?

Thomas Hagedorn: Wir haben als Baumaschine den Kettenbagger und Kettendozer simuliert und auf den Tiefbau und Abbruch ausgerichtet. In einer Vollkabine werden die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle so realistisch wie möglich nachgebildet und können so geübt werden. Damit sehen wir sofort, ob jemand ein Gefühl für eine Baumaschine hat. Das kommt an – etwa auf Jobmessen oder auf der bauma. Der Simulator bedient aber auch unsere eigene professionelle Ausbildung. Haben unsere Mitarbeiter die Grundausbildung absolviert, geht es dann weiter auf echten Baumaschinen, die in Weiß lackiert sind. Damit wird Bauherren und Projektleitern signalisiert: Sie sind Ausbildungsmaschinen, in denen die Auszubildenden ihre Praxiserfahrung auf den Baustellen machen. Es war die richtige Entscheidung, eine eigene Akademie zur Fachkräftesicherung zu starten.

Immer gut für Innovationen – gemeinsam nahmen sie den Simulator in Betrieb: das Unternehmerpaar Barbara und Thomas Hagedorn (Zweite von links, rechts) sowie Fred Cordes und Michael Heidemann, Vorsitzender der Geschäftsführung und Aufsichtsratsvorsitzender bei Zeppelin Baumaschinen (links, Zweiter von rechts). Foto: Zeppelin

Baublatt: Haben Sie inzwischen genügend Baggerfahrer gefunden – hat Ihr Aufruf in der Bild-Zeitung vor zwei Jahren sofort hundert Baggerfahrer einzustellen, sofern Sie welche finden würden, eingeschlagen?

Thomas Hagedorn: Wir versuchen, neue Wege im Recruiting zu gehen. Die Aktion mit der Bild-Zeitung stieß auf Riesen-Resonanz und sollte ein Wachmacher für die ganze Branche sein, die stark unter dem Fachkräftemangel leidet. Inzwischen sollten wir hundert Maschinisten gefunden haben. Darüber meldeten sich auch Leute, die eine Umschulung machen wollten. Die Botschaft, die wir rüberbringen wollten: Wer mit einem Bagger arbeitet, hat inzwischen einen vollklimatisierten Arbeitsplatz, der voller Hightech steckt und mit dem es viel Spaß macht, zu arbeiten. Auch unsere neue Kampagne „Frau am Bau“ hat schon eingeschlagen. Wir haben inzwischen eine Maschinistin und eine Lkw-Fahrerin eingestellt. Eine junge Frau beginnt in Kürze ihre Ausbildung im Tiefbau. Man meint, die Branche ist untypisch für Frauenberufe. Das ist Quatsch. Es gibt viele Vorurteile, wie Sexismus auf der Baustelle. Das wird bei uns gar nicht erst zugelassen. Sollte hier jemand dagegen verstoßen, passt er nicht zu uns.

Baublatt: Trotz allem Erfolg vergessen Sie in der Gesellschaft Benachteiligte nicht, indem Sie mehrere Initiativen unterstützen, zum Beispiel „MIThelfen“, in der Hagedorn Mitarbeiter gemeinsam an sozialen Projekten arbeiten. Warum legen Sie bei allem Unternehmertum so viel Wert auf soziales Engagement?

Thomas Hagedorn: Als Unternehmen sind wir uns der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und sind sehr dankbar dafür, dass wir so ein Unternehmen aufbauen dürfen. „Wir helfen gern“ heißt es bei unseren Projekten. Wir sind regional unterwegs und schauen, wo wir unterstützen können. Meine Frau hatte die Idee zu „Mithelfen“. Hier wird monatlich eine Gruppe aus unseren Mitarbeitern ausgelost und diese Gruppe sucht sich ein Projekt in der Region aus, dass sie unterstützen möchten. Bei jedem Projekt unterstützen wir monetär und meine Frau steht immer für alle Fragen und Umsetzungen zur Verfügung. So haben wir in den letzten Jahren bereits 95 Projekte umsetzen können. Es ist schön, zu sehen, was wir in den letzten Jahren schon bewirken konnten und freuen uns auf weitere tolle Projekte.

Baublatt: Ihre Devise: Einmal mehr aufstehen als man hinfällt. Welche Lehren ziehen Sie aus Rückschlägen und was war bislang Ihre größte Niederlage?

Thomas Hagedorn: Das war 2008 bedingt durch die Pleite von Lehman Brothers und die Finanzkrise. Aufträge wurden daraufhin einfach storniert. Das hat uns schwer getroffen, weil wir mitten im Aufbau steckten. Geholfen hat eine Landesbürgschaft. Dadurch konnten wir alles auf null stellen und einen Restart durchführen, um uns wieder neu auszurichten. Das war eine einschneidende Phase. Wir mussten ein Sanierungskonzept erstellen, was wir zuvor noch nie gemacht haben. Aber dank unseres guten Teams sind wir da wieder rausgekommen und konnten wieder aufstehen. Das verleiht Stärke. So ein wegweisendes Ereignis formt einen, unter anderem auch,
zu demjenigen, der man heute ist.

Baublatt: Wäre so eine Erfolgsgeschichte, wie Sie sie mit Ihrem Unternehmen durchlaufen haben, heute noch möglich?

Thomas Hagedorn: Auf jeden Fall wäre es schwieriger, denn heute ist es durch die erschwerten Rahmenbedingungen (unter anderem Restriktionen der Banken) nicht mehr unbedingt so, dass den Kapitalgebern der Unternehmertyp und die Idee ausreichen, um etwas zu starten. Weiter stellt sich die Frage, wie viele junge Menschen heute bereit sind und Lust haben, sich in diese Art der Selbstständigkeit zu begeben, die dann zu hundert Prozent dein Leben bestimmt. In den letzten 25 Jahren haben sich da die Prioritäten (Stichwort „Work-Life-Balance“) etwas verschoben und die Bereitschaft, das Risiko einzugehen, ist damit auch etwas reduzierter.

Baublatt: Aktuell mit der Corona-Krise haben wir aber durchaus eine Situation, die vieles von den Menschen abverlangt und sie fordert.

Thomas Hagedorn: Corona hat bei allen Menschen ungeachtet des Status und der Position etwas bewirkt und die monetäre Lage, aber auch insbesondere psychische Langzeitschäden sind schwer abzuschätzen. Unsere Branche ist zum Glück nicht so hart betroffen und so haben hier die Mitarbeiter ein gesichertes Umfeld und einen fast normalen Alltag und Ablauf. Das freut uns. Als Unternehmer planen wir weiter positiv in die Zukunft und die Entwicklung des Unternehmens zu schauen. Wir sind optimistisch.

Baublatt: Immer wieder hatten Sie den richtigen Riecher. Was war Ihr größter Coup: der Einstieg ins Online-Geschäft und die Gründung von Schüttflix oder als Sie 2017 das Kraftwerk in Dortmund und zwei Jahre später das in Lünen erworben haben, um die Gelände zu revitalisieren?

Thomas Hagedorn: Die Flächenrevitalisierung, um damit zu beginnen, wird eine wichtige Komponente unseres Tuns und Handelns sein. Wir haben bis dato über 1,5 Millionen Quadratmeter Brownfields unterschiedlicher Art und Weise (zum Beispiel nicht mehr genutzte Schwerindustrie, Kohlekraftwerke et cetera) gekauft und diese wieder zu neuem Bauland entwickelt. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Flächenressourcen. Für jeden Altstandort, den wir revitalisieren, muss keine grüne Wiese bebaut werden. Das macht hochgradig Sinn und darauf haben wir uns mit der kompletten Prozesskette in der Gruppe spezialisiert. Somit war der größte Coup, diese Prozesskette so entwickelt zu haben und damit diesen wichtigen Beitrag in den Jahren des Strukturwandels leisten zu können. Schüttflix wiederum wird sicher ein digitaler Coup in der Baubranche, bei dem ich mithelfen durfte, diesen zu entwickeln. Die Idee stammt von Christian Hülsewig, der heutige CEO und Mitgründer von Schüttflix. Ich durfte neben der Rolle des Investors auch die Kundensicht in die Idee mit einbringen und die erste Marketingidee kreieren, was mit der Mitgesellschafterin und dem heutigen Markengesicht, Sophia Thomalla, zu der ich einen guten Draht habe, auch gut gelungen ist. Dass der Prozess dann innerhalb unserer Gruppe bis zur Perfektion erprobt werden konnte, war sicherlich im Ergebnis vor allem dem schnellen Zeitstrahl dienlich.

Baublatt: Wie funktioniert Schüttflix?

Thomas Hagedorn: Die App ist eine Art Preisvergleichsportal mit einer angehängten Speditionsplattform. Einer der Vorteile: Es gibt keine Lieferscheine oder Rechnungen auf Papier, sondern alles wird digital abgewickelt. Jeder Transport kann live getrackt werden und somit entsteht absolute Transparenz. Benötigt wird nur ein Smartphone.

Baublatt: Schon heute kann man sagen, dass es sich gelohnt hat.

Thomas Hagedorn: Schüttflix ist 2019 gestartet. Seitdem hat Schüttflix eine rasante Steigerung hingelegt und einen Umsatz im Jahr 2020 von zehn Millionen Euro erwirtschaftet, der im Jahr 2021 auf über 50 Millionen Euro anwachsen wird. Im letzten Jahr haben wir mit der Strabag einen Großkunden und Partner dazugewonnen, der das Wachstum des Unternehmens signifikant voranbringt. Aktuell haben wir 3 200 Partner, bestehend aus 1 300 Lieferwerken (Kies, Sand, Schotter und Recyclinganlagen) und 1 900 Spediteuren, die über 15 000 Lkw auf die Plattform bringen. Täglich werden es mehr. Es lohnt sich vor allem für die Kunden, da sie sich durch den Preisvergleich und durch die absolute Transparenz immer sicher fühlen. Es profitieren aber auch die Lieferanten, da sie mehr Volumen bekommen und, Achtung, das ist besonders, jeden Tag ihre Rechnung vom Vortag bezahlt bekommen, und das voll digital und automatisch. Die tägliche Bezahlung ist uns ein wichtiges Anliegen. Außerdem hilft die Anwendung der Umwelt, da durch die Transparenz und neues Wissen der Spediteure (wer braucht was, wann und wo) mit gleicher Anzahl Schüttguttrucks mehr Material bewegt wird. Das Stichwort ist hier die Reduzierung des CO₂-Ausstoßes. Dass die schon vollen Straßen durch Schüttflix entlastet werden, kommt hinzu.

Baublatt: Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft noch alles vorgenommen?

Thomas Hagedorn: Schüttflix wird in Deutschland etabliert und wegen Reduzierens von unnötigen Leerfahrten, einer neuen Transparenz und einer nie dagewesenen Logistikplattform werden sich auch andere Länder und Unternehmen interessieren. Deshalb glaube ich in diesem Bereich auch fest an eine Internationalisierung.

Baublatt: In welchen Bereichen beziehungsweise in welchem Umfeld wollen Sie mit Hagedorn noch wachsen?

Thomas Hagedorn: Wir werden uns voll und ganz mit unseren Kernkompetenzen in den Strukturwandel einbringen. Da kommt viel Arbeit auf uns und die Branche zu. Die Umgestaltung vom Brown- zum Greenfield kommt. Das ist unumstößlich und ganz klarer politischer Wille, der auch aus ökologischen Gründen nicht diskutabel ist. Die Plattform für den Handel von Konversionsflächen „Brownfield24“ wird sicher durch diese Tatsache weiterwachsen und darüber hinaus haben wir jetzt den Deutschen Brownfield Verband gegründet, der hochkarätig besetzt und stark unterstützend tätig ist, diese Flächenpotenziale alternativ umzuwandeln. Auch das passt in die Zeit und steht für Wachstum. In unseren Kerngeschäften Abbruch-Recycling-Stoffstrommanagement-Tiefbau und Revitalisierung sieht man anhand des aktuellen Baus der neuen Zentrale in Köln, der Zentrale in Hannover sowie auch an dem im Bau befindlichen Wertstoffzentrum (HWG) in Hannover, dass dort die Zeichen ebenfalls auf weiteres Wachstum stehen. Hier wird sowohl ein organisches als auch ein anorganisches Wachstum stattfinden, das heißt, dass durchaus noch das ein oder andere Unternehmen zu der Hagedorn Unternehmensgruppe hinzukommt.

Am 11. Mai 2021 feierte der erfolgreiche Unternehmer seinen 50. Geburtstag.

Baublatt: Was bedeutet Erfolg für Sie – im Rückblick auf das, was Sie geschaffen haben?

Thomas Hagedorn: Wenn man fröhlich und happy zur Arbeit fahren kann, ist das schon einmal die halbe Miete. Ich habe in und durch meinen Job so viele tolle Menschen kennengelernt, woraus zum Teil Freundschaften entstanden sind. Das ist in meinen Augen eine Art von erfolgreichem Leben. Ich empfinde es auch als Erfolg, dass wir es geschafft haben, so viele tolle Menschen – aktuell sind es über 700 Mitarbeiter – mit unterschiedlichsten Fähigkeiten zusammenzuführen, die unsere unternehmerische Leidenschaft teilen und nach unserer Philosophie „Ehrlich-Fair-Verbindlich“ mit Spaß den Laden jeden Tag weiter voranbringen. Dass dieses dann von ganz vielen wiederkehrenden Kunden und Partnern wertgeschätzt sowie mit neuen Aufträgen gedankt wird, macht den unternehmerischen Erfolg perfekt. Dafür, dass ich diesen Weg gehen darf, bin ich sehr dankbar.

Mai/Juni 2021