Macher-Mentalität

Ein Kommentar von Sonja Reimann

„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“ Dieser eindringliche Appell von John F. Kennedy aus seiner ersten Rede als US-Präsident 1961 an seine Landsleute ging in die Geschichtsbücher ein. So ein Weckruf könnte auch Deutschland wachrütteln, das sich in einer Schockstarre befindet, hervorgerufen durch eine Wirtschaftskrise, einen gigantischen Modernisierungsbedarf der Infrastruktur, Probleme bei der Energiewende, eine schleppende Digitalisierung und den Fachkräftemangel. Damit sich die Schlinge nicht noch weiter zuzieht, müssen wir aktiv an der Gestaltung unseres Landes mitwirken. Wir brauchen Macher, die anpacken. Dabei kann die Baubranche als Vorbild dienen. Denn sie hat Macher-Eigenschaften, um unser Land neu auszurichten.

Bauunternehmen und ihre Mitarbeiter setzen Pläne in die konkrete Tat um, indem sie Visionen von Architekten realisieren, Bauwerke errichten und so Ergebnisse erzielen. Unter vollem Einsatz machen sie das möglich, was erforderlich ist, um ihr Ziel zu erreichen. Was Macher auszeichnet: Sie können sich auf das Wesentliche konzentrieren. Im Sinne von Lean Construction bedeutet dies keine Verschwendung auf der Baustelle, sondern einen effizienten und nachhaltigen Einsatz von Ressourcen durch die passende Technik. Dabei wissen die am Bau Beteiligten die Vorteile von Technik und den technologischen Fortschritt für sich und die Bewältigung von Aufgaben zu nutzen. Das bringt neue Innovationen voran, worauf wir angewiesen sind.

Nicht nur reden, sondern einfach machen und Entscheidungen treffen –das ist die Devise und prägend für die Mentalität der Branche. Foto: Adobe Stock/pressmaster

Eine Eigenschaft kommt dem Baustellenpersonal besonders zugute, was in der jetzigen Situation mehr denn je gefordert ist: Es stellt sich auftretenden Herausforderungen. Pragmatisch ist der Ansatz, wie die Mitarbeiter in Baufirmen vorgehen. Nicht nur reden, sondern handeln und Entscheidungen treffen – das ist die Devise und prägend für die Mentalität der Branche. Typisch für die Arbeitsweise von Machern ist es, flexibel zu sein und sich schnell an verändernde Umstände anzupassen, wodurch sie Resilienz beweisen. Doch das klappt nur durch ein koordiniertes Vorgehen und eine enge Zusammenarbeit im Baustellen-Team oder in der Kolonne und wird umso wichtiger für den Erfolg, wenn verschiedene Gewerke Hand in Hand an einem Bauprojekt arbeiten. Jede und jeder muss sich auf den anderen verlassen können, dass er oder sie die richtigen Schritte unternimmt. Fehler können gravierende Folgen haben. 

Von solchen Fähigkeiten profitiert nicht nur die Baubranche, sondern es täte auch unserer Gesellschaft gut, wenn wir uns wieder mehr darauf besinnen, aufeinander zu achten. Das erfordert allerdings die Bereitschaft, uns von alten Mustern zu lösen. Wir brauchen weniger lange Entscheidungsprozesse, sondern mehr Handlungsspielraum und Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Nur wird das nicht immer bequem sein. Wir müssen raus aus der Komfortzone. Aber auch auf Baustellen herrschen nicht permanent Idealbedingungen, sondern die Arbeit kann trotz vieler Hilfsmittel körperlich anstrengend sein oder das Team kann unter extremem Zeitdruck stehen. Dagegen helfen eine starke Arbeitsmoral und ein gewisser Leidensdruck, um so das Bewusstsein für Veränderung zu schaffen. Um mehr Macher-Qualitäten zu entwickeln, müssen wir ein anderes Mindset in puncto praktische Problemlösungskompetenzen entwickeln. Für eine neue Kultur von Machern braucht es auch die Möglichkeit, mal was auszuprobieren. Dass dabei was daneben geht, müssen wir einkalkulieren. Ein Kernproblem ist unser Hang zu Perfektionismus, alles zu hundert Prozent sicher zu machen. Das führt dazu, dass man erst mal lieber gar nichts macht, bevor es am Ende falsch ist. Ein Paradebeispiel dafür ist unsere marode Infrastruktur: Dass Straßen, Schienen und Brücken in einem inakzeptablen Zustand sind, ist bekannt. Statt schnelle Änderungen herbeizuführen, werden erst Studien und Gutachten erstellt und die Planung perfektioniert. Doch Fortschritt kann nur dann entstehen, wenn man auch bereit ist, Risiken einzugehen. Das sollten wir einfach mal machen.

Februar 2025