Seit den 50er-Jahren war das der Ort für Bankgeschäfte: die viergeschossige Filiale der Volksbank Stuttgart in Fellbach. Seit fünf Monaten sind ihre Bankschalter geschlossen – nun wird sie von der Firma Feess aus Kirchheim an der Teck rückgebaut, um ein neues Bankgebäude nach modernen Anforderungen zu schaffen. Was das Abbruchunternehmen von der Entsorgung bis hin zum Baugrubenaushub beim Baumaschineneinsatz leitet: Ressourcen zu schonen und möglichst so viele Wertstoffe wie möglich wiederzuverwenden.
Hauptakteur beim Rückbau ist ein neuer Cat Kettenbagger 340 UHD, der einen 330 UHD ersetzt. Mit seiner Longfront erzielt er damit 13 Prozent mehr Arbeitshöhe, indem die neue Baumaschine 22 Meter bis Bolzenhöhe erreicht. „Der neue Bagger steht deutlich stabiler da, selbst wenn ich mein Werkzeug mit einem Gewicht von drei Tonnen anhebe, bewege und bediene“, urteilt Fahrer Siggi Beck über seinen neuen Arbeitsplatz. Kein Wunder: Ausgefahren erreicht die Baumaschine vier Meter Breite – das sind 50 Zentimeter mehr gegenüber früher. „Jeder Zentimeter mehr macht sich gleich bemerkbar“, ergänzt der Maschinist. Auch die elektrohydraulische Vorsteuerung fällt nun neu ins Gewicht. „Daran muss ich mich jedoch erst gewöhnen“, räumt er ein. Mit Abbruchschere, Sortiergreifer, Meißel, Pulverisierer und Sieblöffel zerlegt Siggi Beck das Gebäude und trennt Beton, Mauerwerk, Stahl und Holz. Dabei geht es weniger um Geschwindigkeit, sondern mehr um Genauigkeit. Denn das Credo heißt: sortieren, sortieren, sortieren. Und das hat der Feess-Mitarbeiter in seinen 38 Berufsjahren bei seinem Arbeitgeber verinnerlicht. Sein Chef Walter Feeß brennt für die Kreislaufwirtschaft und die nachhaltige Aufbereitung der Baustoffe, wie sie auch bei dem Bankgebäude praktiziert wird. „Der Abbruch in der Innenstadt und das Bauen im Bestand wie die Volksbank in Fellbach schafft Platz für Neues und dezimiert den Landschaftsverbrauch im Außenbereich. Gebäude sind Materiallager – Beton, Kalksandstein und Mauerwerksziegel sind alles Wertstoffe, die wieder hochwertig wiederverwendet werden müssen, wie zum Beispiel auch im Hochbau. Das spart Ressourcen“, ist Feeß überzeugt. Er denkt bereits an die nachfolgenden Generationen und an seine Kinder Alexander, Benjamin und Nadine, die allesamt schon im Unternehmen in Führungspositionen mitwirken – und das treibt den Unternehmer an, sich so vehement für die Kreislaufwirtschaft einzusetzen. Schon heute zeichnen sich die Folgen des Klimawandels wie Starkregen und Hitzewellen ab. „Wir leben auf Kosten der nachfolgenden Generation. Mit dem Urteil zum Klimaschutzgesetz im Mai hat das Bundesverfassungsgericht den Generationenvertrag angemahnt. Das war überfällig. Vorausschauendes Recycling wird umso wichtiger nicht nur für Deutschland und Europa, sondern weltweit. Natürlich müssen Unternehmen Geld verdienen und es wird schon viel im Recycling unternommen, aber da geht noch mehr“, meint Feeß. Seine Mission bringt er inzwischen nicht nur als gefragter Redner und in Vorträgen näher, sondern sein Unternehmen betreibt neben dem Recyclingpark in Kirchheim an der Teck auch das eigene Kompetenzzentrum für Kreislaufwirtschaft, um anderen interessierten Unternehmern und deren Mitarbeitern, Architekten und Planern, kommunalen Vertretern sowie Studenten zu vermitteln, wie moderne Kreislaufwirtschaft im Sinne von mehr Klimaschutz und Ressourcenschonung umgesetzt werden kann. Dort bieten er und seine Mitarbeiter auch Beratungen für andere Firmen an, die sich mit dem Gedanken tragen, eine Baustoffwaschanlage zu installieren oder ihre bestehende modernisieren zu wollen.
Das Recycling beginnt bereits auf den Baustellen, wie das Beispiel Abbruch
der Volksbank in Fellbach zeigt.
Feess macht praktisch vor, wie es geht: Mineralischen Abfällen haucht er quasi ein weiteres Leben ein. Mittlerweile beliefert er zwölf Betonwerke mit Zuschlagstoff zur Herstellung von R-Beton, sprich ressourcenschonendem Beton. „Da liegt noch ein gewaltiges Potenzial brach“, ist der Unternehmer überzeugt. Darum hat er nicht nur mit einer Waschanlage begonnen, Steine zu waschen, um sie von Lehm zu befreien, sondern 2020 wurde zur ortsnahen Aufbereitung von Bauschutt in Stuttgart im Neckarhafen ein Areal erworben. Im Umkreis von zwei Kilometern befinden sich gleich drei Abnehmer in Form von Betonwerken. Genau das ist das Konzept, das Walter Feess predigt: Baumaterial und steinigen sowie sandhaltigen Bodenaushub ortsnah aufzubereiten und einzusetzen. „Wir brauchen mehr Aufbereitungsflächen. Gerade die Metropolen sind ideal, weil genügend Abbruch vor Ort ist, der lokal aufbereitet und verbaut werden kann. Das entlastet die Straßen. Jeden Tag fahren nach Stuttgart ins Zentrum hunderte von Lkw rein und wieder raus, um Baustellen und Betonwerke zu beliefern – was hier an CO2- Ausstoß verursacht wird, ließe sich deutlich reduzieren. Es ist höchste Zeit, dass wir anfangen, Ressourcen zu sparen“, stellt der Unternehmer klar. Bis zu 200 Millionen Tonnen mineralischer Abfälle fallen allein in Deutschland an, davon 60 bis 65 Millionen Tonnen Bauschutt, die größtenteils deponiert werden. Nach entsprechender Aufbereitung könnten davon rund 80 Prozent wiederverwendet werden. Ideen, was damit passieren soll, gibt es durchaus, doch kommt es ihm zufolge viel zu selten dazu, dass R-Beton für Projekte im Hochbau ausgeschrieben wird oder RC-Material als Frostschutz im Straßenbau eingesetzt wird. „Leider ist vielen Architekten gar nicht klar, dass die Kreislaufwirtschaft auch ein Beitrag zum günstigen Bauen sein kann. Recyclingmaterial hat völlig zu Unrecht ein negatives Image. Damit hier ein Umdenken stattfindet, muss bereits in der Ausbildung von Architekten und Bauingenieuren die Kreislaufwirtschaft viel stärker in den Fokus rücken, damit Vertrauen geschaffen wird“, plädiert der Unternehmer. Was darüber hinaus seiner Meinung nach angepasst werden muss, ist die Norm für die Verwendung von Betonbrechsand analog der Schweiz – denn der Rohstoff Sand ist hierzulande nicht endlich. Wird Brechsand aufbereitet, dann kann er als Gesteinskörnung für die Betonherstellung verwendet werden. „Die Politik muss mitziehen und Vorgaben machen – unsere Gesetze sind nicht mehr zeitgemäß“, das versucht Walter Feeß seinen Besuchern zu vermitteln, darunter sind Bundes- sowie Landespolitiker verschiedenster Parteibücher, die sich von ihm die heutigen Aufbereitungstechniken zeigen lassen und wie moderne Kreislaufwirtschaft in der Praxis umgesetzt werden kann. Für sein unternehmerisches Bemühen und sein Engagement wurde er auch schon belohnt: 2016 gab es für Walter Feeß den Deutschen Umweltpreis – die höchste Auszeichnung, die bundesweit für Umweltschutz verliehen wird. 2020 erhielt er den Jurypreis Kreislaufwirtschaft des Umweltpreises für Unternehmen in Baden- Württemberg. Damit würdigte die Landesregierung vorbildliche Unternehmen, die ihren Betrieb besonders ökologisch und klimaschonend ausgerichtet haben.
Bei Walter Feeß beginnt das bereits auf den Baustellen, wie das Beispiel Abbruch der Volksbank zeigt. In Fellbach knabbert der neue Longfrontbagger Stockwerk für Stockwerk mitten in der Innenstadt nach unten. Um die auftretende Staubbelastung am Kontakt der Abbruchschere mit der Bausubstanz zu minimieren, halten Wasserdüsen mit einem Wasserstrahl und Sprühnebel am Stielende und Übergang zum Schnellwechsler dagegen. Auch ganz oben muss noch entsprechender Wasserdruck und die nötige Wassermenge dafür ankommen. „Das ist bei einem Abbruch in der Region Stuttgart ganz wichtig“, erklärt Siggi Beck. Denn die Staubbelastung und damit verbundene Emissionen sollen sich in Grenzen halten. Das gilt auch im Hinblick auf den Kraftstoffverbrauch der Baumaschine. Dadurch, dass der Cat 340 UHD auf der neuesten EU-Abgasnorm Stufe V basiert, hat sich auch hier einiges gegenüber der Vorgänger-Maschine verbessert. Fahrer Siggi Beck kann zwischen drei Motorleistungsmodi – Power, Smart und Eco – wählen und passt das Gerät an die Arbeitsanforderungen an, indem der Bagger dann so bei Bedarf die maximale Leistung bereitstellt und bei weniger anspruchsvollen Aufgaben die Leistung reduziert, um Sprit zu sparen.
Ist der Abbruchbagger im ersten Stock angekommen, wird der Longfrontausleger gegen den Erdbauausleger ausgetauscht, um sich damit bis zu den Fundamenten in bis zu drei Metern Tiefe vorzuarbeiten. Der Wechsel der Ausrüstung soll in 15 Minuten erfolgen. „Mal sehen, wie schnell das geht“, meint der Maschinist, der das noch ausprobieren muss. Dann kann er auch auf Assistenzsysteme zurückgreifen, wie die Funktion Payload. Sie sorgt dafür, dass nicht zu viel und nicht zu wenig Material auf Lkw verladen wird. Auch das ist wiederum ganz im Sinne von Nachhaltigkeit, Transportkapazitäten vollends zu nutzen und somit so effizient wie möglich unterwegs zu sein.
September/Oktober 2021