Was haben die Event- und Baubranche gemeinsam? Geht es nach Ricarda Stäbler, der Geschäftsführerin der Gottlob Stäbler GmbH & Co. KG aus Weil der Stadt, ist es der Umgang mit unterschiedlichen Menschen und immer mit neuen Gepflogenheiten konfrontiert zu sein, was ein flexibles Handeln erfordert. Beim hundertjährigen Firmenjubiläum des Familienunternehmens, das sie mit ihrer Mutter Dorothe und Maria Wiedemann organisierte, um mit Geschäftspartnern, Kunden sowie Mitarbeitern und Freunden zu feiern, konnte sie das alles unter einen Hut bringen. „Leider hatten wir Pech mit dem Wetter“, berichtet sie. „Kurz vor Beginn gab es ein großes Unwetter und da musste schnell improvisiert werden. Aber das können wir gut und sind das von unseren Baustellen gewöhnt.“ Wie ihr das gelungen ist, lässt sich aus der Resonanz schließen. „Jeder Gast hat hinterher gesagt: Es war ein ganz besonderes Fest, das wir zu unserem hundertjährigen Jubiläum auf die Beine gestellt haben.“
Dass sie mal das Ruder in die Hand nehmen und den Familienbetrieb leiten würde, war lange Zeit kein Thema in der Familie, sagt sie. Ricarda Stäbler hatte andere Pläne, als sie ihr Abi im Ausland ablegte. Sie wollte in der Eventbranche Fuß fassen. Doch mit dem Tod ihres Großvaters Helmut Stäbler, langjähriger Seniorchef und Sohn des Firmengründers Gottlob Stäbler, kam alles anders. Es stellte sich die Frage: Was wird dann mal aus unserem Familienbetrieb, wenn dann auch noch ihre Eltern ausscheiden und in Rente gehen wollen? „Wir haben uns dann mit meiner Schwester und Cousine zusammengesetzt und überlegt, wie es in Zukunft weitergehen kann. Für beide war sofort klar, dass es für sie nicht infrage kam, die Geschäftsführung der Baufirma zu übernehmen. Bei mir war es anders: Ich habe mich dann für ein duales Bauingenieurstudium in Mosbach entschieden. Mein Mathelehrer am Gymnasium hätte mir das wohl nicht zugetraut, aber wenn man sich was vornimmt, dann schafft man es auch“, ist die Jungunternehmerin überzeugt. Das duale Studium hat sie bei dem mittelständischen Bauunternehmen Kellerbau in Süßen absolviert. Im Anschluss ging sie zu Züblin, wo sie sechs Jahre als Bauleiterin tätig war. In dieser Zeit managte sie etwa den Neubau der Haupttribüne im Gazi-Stadion der Stuttgarter Kickers. 2017 stieg sie dann bei Gottlob Stäbler ein, das seit der Gründung 1924 im Besitz der Familie ist. Sie verkörpert damit die vierte Generation, die an der Spitze des Betriebes steht. An ihrer Seite ist ihr Vater, Kurt Stäbler, der sie unterstützt. So konnte sie noch einen Masterabschluss berufsbegleitend draufsatteln.
Zu den Standbeinen, welche die Gottlob Stäbler GmbH & Co. KG in hundert Jahren aufgebaut hat und mit denen sie sich vertraut machen musste, gehören der Hochbau, der Erdbau und der Abbruch. Realisiert werden verschiedene Bauvorhaben in der Region rund um den Firmensitz: vom exklusiven Einfamilienhaus bis hin zum mehrgeschossigen Wohnhaus. Es entstehen Gebäude für Industrie und Gewerbe – von der Planung bis zur Fertigstellung kommt alles aus einer Hand.
Angefangen hat alles mit fünf Mitarbeitern. Heute sind es 60 Beschäftigte. Hinzu kommen noch mal doppelt sie viele bei Subunternehmen. „Das soll langfristig auch so bleiben. Als Familienunternehmen geht es uns um stetiges Wachstum“, stellt sie klar. Was ihr dabei hilft, das Unternehmen weiterzuentwickeln, war die vorausschauende Entscheidung ihres Großvaters, für den Firmensitz in Weil der Stadt ein so großes Grundstück zu erwerben, das alle Möglichkeiten bietet, von dort aus auch heute noch die Geschäfte des Bauunternehmens zu betreiben. „Ein weiterer Meilenstein war sicherlich die Gründung unseres Transportbetonwerks – das erste überhaupt in der Region. Es gab einen großen Impuls für unser Wachstum“, meint die junge Unternehmerin.
Inzwischen hat Ricarda Stäbler selbst die Geschäftsfelder erweitert: 2022 hat sie auf einer Fläche von 9 000 Quadratmetern das ZKW Zentrum für Kreislaufwirtschaft Weil der Stadt gegründet, ein Joint Venture mit der Firma Feess. Es geht ihr darum, sämtliche Bauprozesse von Anfang bis Ende einer Immobilie abzudecken und Aufbereitungsverfahren für Baumaterialien für eine Wiederverwertung weiterzuentwickeln. Sie setzt damit den nachhaltigen Weg fort, den bereits die dritte Familiengeneration eingeschlagen hat, als sie in eine Brecheranlage für das Betonrecycling investierte. Im Spezialtiefbau hat sich Gottlob Stäbler ebenfalls zum Jahreswechsel verstärkt und das dort ortsansässige Karl Schöffler-Spezialtiefbauunternehmen übernommen, weil kein Nachfolger vorhanden war.
Auch der Digitalisierung der Rechnungsstellung und Zeiterfassung widmet sich das Unternehmen intensiv. „Wir haben schnell angefangen, unsere Prozesse im Büro, auf dem Bauhof und auf der Baustelle zu digitalisieren und eine App programmieren lassen, die anzeigt, wo sich unsere Baumaschinen und Baumaterialien auf den Baustellen befinden. Die Schwierigkeit dabei: Die Umstellung musste komplett neben dem Tagesgeschäft laufen. Damit das gelingt, ist es wichtig, die Mitarbeiter mitzunehmen und einzubinden“, weiß die Geschäftsführerin.
Dies sieht sie gleichzeitig auch als eine der größten Herausforderungen: Im Zuge des Fachkräftemangels Mitarbeiter zu finden, sie zu halten und an sich zu binden, was jedoch in einer Region nicht einfach ist, die als Einzugsgebiet der Automobilindustrie rund um Stuttgart gilt. Doch auch da war das Familienunternehmen Gottlob Stäbler schon in den 60er-Jahren vielen anderen Betrieben seiner Zeit voraus. Helmut Stäbler, Sohn des Firmengründers, baute ein Wohnheim, um italienische Gastarbeiter unterzubringen. „Er war ein Visionär und hat damit entscheidende Schritte eingeleitet, die unserem Betrieb heute weiterhelfen“, meint Ricarda Stäbler. Sie hat auch die Seite eines Konzerns kennengelernt und weiß, worauf die Mitarbeiter Wert legen. „Wir sind ein bodenständiges Familienunternehmen, bieten sichere Jobs in der Region und versuchen, die Arbeit auf den Baustellen attraktiv zu gestalten. Allerdings muss man heute als Arbeitgeber dem Team auch was bieten, weil die Ansprüche steigen. Das, was uns als kleiner Mittelständler möglich ist, machen wir. Dazu gehören Extras, wie über Jobrad Fahrräder zu leasen, Getränke auf den Baustellen im Sommer und Obst im Büro“, zählt sie auf. Doch wie steht sie zum Thema Frau am Bau? „Bislang hatten wir noch keine Bewerbung einer Frau. Ich denke, man muss ein spezieller Typ sein. Es ist nicht einfach, sich als Bauleiterin auf Baustellen durchzusetzen und in der Branche Fuß zu fassen. Da darf man nicht zimperlich sein“, weiß sie aus Erfahrung. Das Umfeld Bau kennt sie von Kind auf. „Da wächst man rein in die Aufgaben“, erklärt sie.
Das Unternehmen durchlebte in hundert Jahren ein Auf und Ab: Baubooms und schwere Phasen, bedingt durch die Weltwirtschaftskrise, den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre, wechselten sich ab. Auch wenn sich die Zeiten und die Rahmenbedingungen ändern und derzeit keine leichten sind, um ein Unternehmen zu führen, lässt sich Ricarda Stäbler jedoch nicht unterkriegen. „Innerhalb von sechs Jahren mussten wir die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg mit seinen Folgen wie Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen und nun die Wirtschaftskrise meistern. Meine Eltern haben mir gesagt, dass auch sie schwierige Phasen überstehen mussten. Aber so schwer wie du hatten wir es nicht“, erklärt die Geschäftsführerin. Doch sie gibt sich kämpferisch und setzt auf Weiterentwicklung, Innovationen, ein qualifiziertes Team und einen modernen Maschinenpark. Dabei kann sie voll auf die Unterstützung ihrer Familie zählen. „Noch gehen wir gemeinsam den Weg und verteilen die Verantwortung auf mehrere Schultern. Uns gibt es seit hundert Jahren und wir wollen auch in Zukunft ein Bauunternehmen sein, das in der Region verwurzelt ist.“ Dazu passte dann auch das gewählte Motto der Jubiläumsfeier: Die Zeiten ändern sich – die Leidenschaft bleibt.
August 2024