Wann startet die Baubranche durch?

Beamen wir uns mal gedanklich in ein Wartezimmer: Da sitzt die Baubranche, etwas schwach auf den Rippen aufgrund einer chronischen Bürokratie-Influenza und weil Investitionsanreize in Wohnungsbau und Infrastruktur fehlen. Das soll sich nun ändern, wenn Bauturbo, Sondervermögen sowie Investitionsbooster als neue Therapie ins Spiel kommen und nicht nur Linderung verschaffen, sondern auch Genesung bringen. Auf dieses Rezept setzt die neue Bundesregierung. Wird das zu neuem Aufschwung führen?

Mit dem vom Bundestag beschlossenen Investitionsbooster soll es steuerliche Entlastungen geben. Im Kern geht es dabei um die Ausweitung der degressiven Absetzung für Abnutzung (AfA). Für bewegliche Wirtschaftsgüter, die zwischen dem 1. Juli 2025 und dem 31. Dezember 2027 angeschafft oder hergestellt werden, gilt ein Abschreibungssatz von bis zu 30 Prozent. Das bedeutet: Unternehmen können im Jahr der Anschaffung 30 Prozent der Kosten steuerlich geltend machen. In den Folgejahren wird jeweils der gleiche Prozentsatz vom verbleibenden Restbuchwert abgeschrieben. Das könnte Investitionen in der Baubranche zugutekommen. Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil ist überzeugt, dass das für eine Belebung der gesamten Wirtschaft sorgen wird: „Damit geben wir der Wirtschaft die dringend notwendige Planungssicherheit und schaffen starke Investitionsanreize.“ Auch das Baugewerbe sieht diese Steuererleichterungen für Unternehmen positiv. „Diese Investitionsanreize sind dringend nötig – und sie kommen auch mit Blick auf den bevorstehenden Kabinettsbeschluss erfreulich zügig“, erklärt stellvertretend Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen.

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Doch für die ohnehin klammen Kommunen bedeuten die Steuererleichterungen, wenn im Zuge des Investitionsboosters auch die Körperschaftssteuer gesenkt wird, eine weitere Belastung durch Steuerausfälle, auch wenn der Bund für einen Ausgleich sorgen will. Eine Sorge hat hier auch die Baubranche, dass Städte und Gemeinden dadurch zunehmend unter Druck geraten, wie sie ihren Haushalt sichern. Wie angespannt die Lage ist, zeigt das jährlich erscheinende „Kommunalpanel“, das vom Deutschen Institut für Urbanistik und der Kreditanstalt für Wiederaufbau durchgeführt wird. Es zeichnet ein alarmierendes Bild der Finanzlage von 2 800 Kommunen: Mit 215,7 Milliarden Euro ist der Investitionsrückstand auf einem historischen Höchststand – ein Wert, der seit der Wiedervereinigung beispiellos ist. Besonders betroffen sind Schulgebäude mit 67,8 Milliarden Euro sowie die Straßen- und Verkehrsinfrastruktur mit 53,4 Milliarden Euro. Über die Hälfte der befragten kommunalen Finanzverantwortlichen rechnet zudem damit, dass sich dieser Rückstand in den nächsten fünf Jahren weiter vergrößern wird.

Eine Hiobsbotschaft kam dann im Juli seitens Bundesstraßenbau, als bekannt wurde, dass für 2025 keine neuen Ausschreibungen mehr auf den Markt kommen. Doch mitten in der parlamentarischen Sommerpause dann die Erlösung durch den Haushaltsausschuss: Kurzfristig werden Investitionen in Höhe von 450 Millionen Euro freigegeben und die Autobahn GmbH kann so wichtige Projekte fortführen. Mit weiteren 709 Millionen Euro können zudem neue Projekte zur Modernisierung der Bundesfernstraßen noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.

Dabei wurden mit dem historischen Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro hohe Erwartungen geweckt, um damit bis 2036 die marode Infrastruktur in Deutschland zu modernisieren und gleichzeitig Impulse für Wachstum und Klimaneutralität zu setzen. Daraus sollten in diesem Jahr rund 37 Milliarden Euro bereitgestellt werden, bis 2029 steigt die Summe auf 60 Milliarden Euro. Besonders profitieren soll die Verkehrsinfrastruktur – allein zwölf Milliarden Euro sollen aus diesem Topf 2025 fließen. Insgesamt sind im Etat des Verkehrsministeriums Investitionen von 33,5 Milliarden Euro vorgesehen, hinzu kommen rund acht Milliarden Euro für die Länder.

Inzwischen mehren sich die Stimmen, die Bedenken haben, wie die Mittel eingesetzt werden. Verteilt werden sollen diese gemäß Königsteiner Schlüssel. Das bedeutet: Zur Berechnung wird der Bevölkerungsanteil zu einem Drittel und die Wirtschaftskraft, gemessen anhand des Steueraufkommens, zu zwei Dritteln herangezogen. Doch mittlerweile wurden bereits Zugeständnisse gemacht. So wurde die sogenannte Zusätzlichkeit aus dem Gesetz für die Bundesländer gestrichen. Daraus folgt, dass einige Länder beginnen, ihre Etats für Infrastruktur zu kürzen und die Lücke mit dem Geld aus dem Sondervermögen aufzufüllen. Damit wird das Geld, das als Zusatzinvestition vorgesehen war, Haushaltslöcher stopfen statt Schlaglöcher. „Wir fordern den Gesetzgeber und vor allem die Länder auf, im parlamentarischen Verfahren nachzusteuern und die Verwendung der Mittel verbindlich auf zusätzliche Bauinvestitionen festzulegen. Das Sondervermögen ist für die Entfaltung von konjunktureller Dynamik angedacht und muss auch dementsprechend eingesetzt werden. Nur so wird das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft spürbar gestärkt. Ohne klare Kriterien verpassen wir die historische Chance, unsere Infrastruktur nachhaltig zu modernisieren“, macht Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, deutlich.

Die finanziellen Mittel müssen zweckgerichtet und kontrolliert eingesetzt werden, sonst verpufft die Wirkung der Zukunftsinvestitionen. Wenn hundert Milliarden Euro aus dem Sondervermögen an die Kommunen fließen, ohne dass deren investive Verwendung sichergestellt ist, sei das problematisch, darauf weist auch Professor Clemens Fuest, Präsident vom ifo Institut, hin. Er kritisiert auch mangelnde Strukturreformen, die nötig sind, damit die eingeplanten Ausgabensenkungen realisiert werden. Denn Geld allein reicht nicht: Die Branche fordert vor allem strukturelle Änderungen, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig zu stärken, aber auch um die Mittel zügig abzurufen und dann mit dem Planen sowie Bauen zu beginnen. Dafür müssten die Verwaltungen endlich in die Lage versetzt werden, mit den Investitionsmitteln auch effektiv arbeiten zu können.

Eng an die Bautätigkeit gekoppelt ist die Baustoffproduktion, die in Deutschland in den letzten drei Jahren um rund ein Viertel zurückging. „Die Auswirkungen sind im ganzen Land spürbar: Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, an einer leistungsfähigen Infrastruktur und beim Klimaschutz kommen wir nicht in dem Tempo voran, das notwendig wäre“, so Dr. Dominik von Achten, CEO von Heidelberg Materials und Präsident des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden, anlässlich der diesjährigen Mitgliederversammlung des Verbandes in Berlin. Trotz der angespannten Lage gebe es jedoch Anlass zu verhaltenem Optimismus: Die jüngsten Produktionsdaten ließen einen leichten Aufwärtstrend erkennen. „Sollten zentrale Vorhaben des schwarz-roten Sofortprogrammes bis Jahresende umgesetzt werden, könnten wir die Talsohle hinter uns lassen“, ist er überzeugt. Auch wenn Deutschland aktuell Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum unter den OECD-Ländern sei, zeige die Zusammenarbeit von Regierung und Opposition im Rahmen des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaschutz, dass die strukturellen Probleme parteiübergreifend erkannt worden seien, so Dr. Dominik von Achten. Dies zeige auch der breit angelegte Instrumentenmix zur Entlastung bei den Energiekosten und der erkennbare Wille zur Reduktion der bürokratischen Pflichten. Dennoch macht von Achten deutlich: „Die Bundesregierung wird an dem gemessen, was sie tatsächlich auch umsetzt. Die 70-Tage-Frist, die sich Friedrich Merz gesetzt hat, lief Mitte Juli ab. Nach den Ankündigungen ist nun Tempo bei der Umsetzung gefordert, um die Konjunktur wieder anzukurbeln und den Industriestandort zu stabilisieren.“

Profitieren soll nicht nur die Infrastruktur, sondern im angeschlagenen Wohnungsbau soll ein Bauturbo gezündet werden: Mit der Einführung des Paragrafen 246e im Baugesetzbuch und die damit ermöglichte Abweichung von Bebauungsplänen könnten neue Wohnungsbauprojekte nicht nur einfacher, sondern auch schneller genehmigt werden. Gleiches gilt für neue Möglichkeiten für Innenverdichtungen und die Aufstockung bestehender Gebäude. Zudem soll für den sozialen Wohnungsbau bis 2029 die Rekordsumme von 23,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Städtebauförderung wird verdoppelt. „Damit daraus aber ein echter Turbo wird, braucht es zusätzlich schnelle, verlässlich ausgestattete Fördertöpfe, beschleunigte Genehmigungsverfahren und spürbare Unterstützung der Kommunen“, so Michael Gilka. Maßnahmen wie die bereits beschlossene Verlängerung der Mietpreisbremse können daher ein klares Investitionshemmnis sein. „Wer gleichzeitig aufs Gaspedal tritt und auf die Bremse, kommt nicht nur nicht voran, sondern macht das gesamte Getriebe kaputt. Genau das passiert mit der Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung. Auf der einen Seite verspricht der Bauturbo mehr Tempo beim Wohnungsbau. Auf der anderen Seite streuen die Bauministerin und die Justizministerin mit ihrer geplanten Mietpreisbremse Sand ins Investitionsgetriebe“, kritisiert Dirk Wohltorf, Präsident vom Immobilienverband Deutschland. Einigkeit besteht darin, dass der Bauturbo nur was bringt, wenn eine schnelle Umsetzung erfolgt. So die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken Marija Kolak: „Bauen muss schneller, günstiger und unbürokratischer werden. Der Bauturbo kann dafür eine gute Grundlage sein. Wenn er das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat, ist es wichtig, dass die Kommunen den Bauturbo auch anwenden. Sonst bleibt die von Bundesbauministerin Verena Hubertz angekündigte Brechstange in der Werkzeugkiste. Für den nötigen Schwung auf dem Wohnungsmarkt wäre dann nicht gesorgt.“

Auch die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes könnte die wirtschaftliche Situation von Betrieben belasten, weil auf sie Mehrkosten zukommen. Zum 1. Januar 2026 soll der Mindestlohn auf 13,90 Euro pro Stunde steigen, am 1. Januar 2027 ist eine weitere Erhöhung um 70 Cent auf 14,60 Euro vorgesehen. Unternehmen stehen weiterhin unter großem Preisdruck – das bestätigt auch eine Online-Befragung des Düsseldorfer Marktforschungsinstituts Bauinfoconsult. Die hohen Baukosten sind für jeden zweiten (45 Prozent) und die Materialpreiserhöhungen für jeden vierten (26 Prozent) Betrieb bestimmende Themen für die nächste Zeit. Schließlich könnten mögliche Störungen der Handelslieferketten durch die internationalen Zollkonflikte das Material verteuern, während die Baupreise nicht zuletzt durch die Personalkosten vieler Baubetriebe steigen, die ihre Fachkräfte mit höheren Vergütungen an sich zu binden versuchen. Dennoch zeigt die Umfrage auch: Die Stimmung in der Bauwirtschaft hat sich gedreht, seit politische Entwicklungen wie das Sondervermögen, der Bauturbo und die etwas stabilere Lage im Hochbau wieder Zuversicht bieten.

August 2025