Wenn der Bagger denkt

Heute schon mit Siri oder Alexa kommuniziert? Oder hat das Fahrerassistenzsystem Ihres Firmenwagens die Verkehrslage analysiert und Sie staufrei zu Ihrer Baustelle oder ins Büro manövriert? Dann ist KI bereits bei Ihnen fest integriert. Künstliche Intelligenz umfasst Teilbereiche wie maschinelles Lernen, bei dem Computer aus Daten lernen und Muster erkennen, um Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen. Außerdem gehört generative KI dazu, also die Fähigkeit, verschiedene Optionen von Möglichkeiten zu untersuchen und die beste zu finden. Das soll nicht nur unser persönliches Leben vereinfachen, sondern wird in Zukunft auch den Einsatz von Baumaschinen verändern, indem ihre Betreiber einen noch größeren Nutzen aus der Anwendung ihrer Arbeitsgeräte ziehen können. Hersteller wie Caterpillar versprechen sich von KI deutliche Verbesserungen für Kunden, etwa im Bereich Produktivität, Nachhaltigkeit und Arbeitsschutz. KI könnte auch eine Lösung sein, wenn immer weniger Fachkräfte als Mitarbeiter zur Verfügung stehen, um dann Aufgaben in kürzerer Zeit auszuführen.

Foto: Caterpillar/Zeppelin

Die Ausgangsbasis ist Konnektivität – Abertausende von Cat Baumaschinen rund um den Globus sind inzwischen vernetzt und erzeugen eine große Menge an Daten im Feld, sprich im Einsatz auf Baustellen, in Steinbrüchen, beim Gebäudeabbruch oder im Recycling. Telematik unterstützt Unternehmen dabei, die Flottenleistung des Maschinenparks zu verbessern und effizienter zu gestalten. Das wissen immer mehr Betriebe zu schätzen. Allein Zeppelin hat Stand Juli in Summe an die 49 276 Cat Maschinen mit ProductLink-Boxen aktiviert. Die Flottenmanagementlösung VisionLink greift darauf zurück, damit Betreiber von Baumaschinen einen Überblick über ihre Arbeitsgeräte behalten. Doch die Daten müssen verstanden und richtig interpretiert werden – erst dann stiften sie Nutzen, und so macht die Überwachung des Maschinenparks Sinn. Das bedeutet, es ist eine Umwandlung der Daten in verständliche Informationen nötig, um damit arbeiten und Rückschlüsse aus Betriebsstunden, unproduktivem Leerlauf oder Kraftstoffverbrauch ziehen zu können.

Doch was passiert mit diesen Informationen, die jeden Tag aufs Neue anfallen? Die Antwort liefert Otto Breitschwerdt, Chief Technology Officer und Senior Vice President von Caterpillar: „KI ist eine Technologie, die lernt, sich anzupassen und Entscheidungen zu treffen, indem sie Daten verarbeitet und kognitive Funktionen wie Denken und Problemlösung simuliert.“ Aber das ist längst nicht der einzige Ansatz, bei dem KI greift. Auch im Hinblick auf die Wartung haben Daten inzwischen unglaubliches Gewicht, um den Zustand einer Baumaschine beurteilen zu können. Stellen Sie sich vor: Ihr Bagger rührt sich nicht mehr vom Fleck – für ein Bauunternehmen ein Worst-Case­Szenario. Störungen oder gar Maschinenausfälle können hohe Ausfallkosten verursachen. Es drohen im schlimmsten Fall Konventionalstrafen, weil eine Baustelle nicht rechtzeitig fertig wird. Deswegen greift KI auf Daten zurück, um Rückschlüsse aus der Wartungshistorie, von Inspektionen oder Öldiagnosen zu ziehen, um den Zustand einer Maschine zu monitoren und damit den anstehenden Reparaturbedarf frühzeitig vorhersagen zu können, und zwar bevor ein teurer Maschinenausfall aufkommt. Um auch das Verschleißverhalten von Baumaschinen künftig besser in den Griff zu bekommen, müssen hierfür ebenfalls die eingehenden Daten vorbereitet werden, damit daraus eine Handlungsempfehlung folgen kann. Gewinnen KI oder maschinelles Lernen bei Baumaschinen mehr und mehr die Oberhand und werden dafür eingesetzt, Prozesse zu verbessern, sie schneller, effizienter und sicherer zu machen, hat eine Baumaschine gegenüber dem Betreiber einen großen Wissensvorsprung. Kommt es zu Abweichungen und deutet sich aufgrund von Mustern ein Defekt oder Verschleiß an, wird dies dank maschinellem Lernen früh erkannt. Schäden werden präzise vorhergesagt und das entsprechende Ersatzteil für den Einbau am Bagger kann bestellt und geliefert werden. Auch bei der Ersatzteilbestellung greift KI inzwischen ein und unterstützt Anwender, die richtigen Teile zu finden und dann zu kaufen.

Predictive Maintenance, also die vorausschauende Wartung, basierend auf dem tatsächlichen Zustand der Maschinen ist jedoch beileibe nicht der einzige Anwendungsfall, von dem Bauunternehmen profitieren könnten, um ihren Maschinenpark zu verwalten. KI wird dazu beitragen, dass Ingenieure ihre Arbeit in einem Bruchteil der Zeit erledigen, die sie früher benötigten. Ferner wird KI stärker in den Konstruktions- und Produktionsprozess eingreifen als bisher und dazu führen, auch neue Konstruktionsmethoden in der Entwicklung und Fertigung von Baumaschinen anzuwenden. Das betrifft beispielsweise generative KI, die in der Lage ist, Inhalte, Texte, Bilder oder Videos zu erstellen, was bei der Fertigung von Baumaschinen von Vorteil ist, wenn Entwickler große Mengen an Informationen abfragen und in kürzester Zeit Antworten erhalten, ohne sich stundenlang durch Tausende Dokumente durcharbeiten zu müssen. Mit der Integration von KI in den Entwicklungsprozess entstehen neue Technologien, von denen wiederum Kunden profitieren. Bereits Cat Kettenbagger der nächsten Generation sind mit selbstlernender Software ausgestattet, um etwa die Kalibrierung anzupassen und dem Kunden interaktives Feedback zu geben. Wie bei anderen Herstellern auch, kommen bei Caterpillar dank KI zusätzliche Funktionen und Technologien dazu, die in den Maschinen implementiert werden, um die Anforderungen der Branche zu verbessern.

Das mag den Einsatz von Ressourcen, sprich Material, beeinflussen, der sich dank KI ebenfalls genau an Maschinentechnik auf der Baustelle oder im Steinbruch anpassen lässt. Das trägt dazu bei, Kosten einzuhalten und das Bauprojekt fristgerecht auszuführen. Elektronik und Datenübermittlung sind dabei längst der Schlüssel für Zukunftsfähigkeit, um immer mehr Baumaschinen zu vernetzen, sie mit neuen Maschinensteuerungen und neuer Software auszustatten, um sie intelligenter werden zu lassen. Damit sie dann für produktive Arbeitsergebnisse auf der Baustelle sorgen. Somit lassen sich dann Bauprojekte effizienter abwickeln. Hier wird KI in Zukunft dazu beitragen, Arbeitsergebnisse noch präziser und schneller zu realisieren.

Weiterentwickeln werden sich autonome Baumaschinen, die dann ferngesteuert Aufgaben wie das Graben, Planieren oder Transportieren übernehmen. Laut GlobalData, einem auf Datenanalyse spezialisierten Unternehmen, wurden im Juli dieses Jahres an die 2 080 selbstfahrende Fahrzeuge im Einsatz gezählt, die den Transport von Rohstoffen übernehmen. Den größten Bestand an autonomen Skw gibt es in Australien mit 927 Fahrzeugen, gefolgt von China, Kanada und Chile. BHP führt das Unternehmensranking an, gefolgt von Rio Tinto, Yankuang Energy Group und Fortescue. Laut GlobalData entfällt der größte Anteil aller Skw auf Kohleminen (51 Prozent), gefolgt von Eisenerz- (14 Prozent) und Goldminen (13 Prozent). Als führender Erstausrüster der Technologie gilt Caterpillar. Von 1994 bis 1995 setzte der Baumaschinenhersteller bereits die ersten beiden Prototypen von autonomen Cat Muldenkippern 777C in einem texanischen Kalksteinbruch ein, wo sie erfolgreich mehr als 5 000 Produktionsladungen über eine Strecke von mehr als vier Kilometern transportierten. 1996 erlebten die Besucher der MINExpo dann eine Live-Demonstration der Autonomie via Satellit vom Tinaja Hills Demonstration and Learning Center. Doch das war erst der Anfang – mehr als 620 autonom fahrende Cat Muldenkipper waren 2023 bei 15 Kunden auf drei Kontinenten im Einsatz. Es ist die weltweit größte aktive Flotte, die auf Onboard-Technologien zurückgreift und die an 25 Kundenstandorten auf der ganzen Welt im Einsatz ist. Sie hat mehr als 5,9 Milliarden Tonnen Material befördert. Täglich meistert sie mehr als 159 325 Kilometer, ohne dass ein Fahrer hinter ihrem Steuer sitzt. Das entspricht etwa viermal dem Umrunden der Erde – und das Tag für Tag im vollen Produktionsbetrieb. Grundlage dafür sind Drive-by-Wire-Systeme, welche die Autonomie der Cat Maschinen ermöglichen.

Mitarbeiter schätzen die damit verbundenen Vorteile, die ein selbstfahrender Skw mit sich bringt. Hierzu zählen laut GlobalData Produktivitätssteigerungen, niedrige Betriebskosten, ein geringer Kraftstoffverbrauch sowie niedrige Unfallzahlen, aber auch eine höhere Lebensdauer der Maschinen samt deren Reifen. Kein Wunder, dass der Bergbau die Weichen für Automatisierung längst gestellt hat. „Wir glauben, dass autonome Systeme entscheidend sind, um die Leistung von Minenstandorten sowohl mit unserer aktuellen Produktlinie als auch mit der Einführung neuer Angebote wie unserer batterieelektrischen Lösungen zu verbessern“, unterstreicht Marc Cameron, Senior Vice President bei Caterpillar. Autonome Maschinen sind immun gegen die Müdigkeit und Ablenkung, denen menschliche Bediener ausgesetzt sind, die stundenlang am Steuer sitzen und eine monotone Aufgabe ausführen. Trotzdem kann es auch für autonome Skw Hindernisse geben – das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer ist nicht immer vorhersehbar. Die Fähigkeit, die umgebenden Bedingungen und Hindernisse zu erkennen und darauf zu reagieren, ist entscheidend für die Sicherheit und Produktivität eines autonomen Transportsystems. Für einen menschlichen Bediener ist dieser Prozess einfach. Aber wie sieht ein Skw ohne Fahrer, was auf ihn zukommt? Hier kommt das Wahrnehmungssystem des Muldenkippers ins Spiel, das LiDAR genannt wird. Grundlage dafür ist ein laserbasiertes Bildgebungssystem, das pro Minute eine Million Laserstrahlen aussendet, die auf Objekte treffen und dann zum Sensor reflektiert werden. Daraus wird eine detaillierte Punktwolke erstellt, die eine dreidimensionale Karte der Umgebung generiert, in der sich der Skw aufhält. Trifft der Laser auf ein Objekt, reagiert der Skw, indem er langsamer fährt, bremst, anhält oder hupt, um einen Unfall zu vermeiden. Auch hier trägt wiederum maschinelles Lernen zur Routine in den Abläufen bei, indem Hindernisse immer besser erkannt werden und somit Baumaschinen mitdenken.

September/Oktober 2024