Zeppelin im Wandel: Vom Umsatzwachstum bis zur Neuausrichtung: ein Gespräch mit Peter Gerstmann

15 Jahre lang stand er an der Spitze des Zeppelin Konzerns: Peter Gerstmann. Ende September wird er das Amt des Vorsitzenden der Geschäftsführung an seinen Nachfolger Matthias Benz planmäßig übergeben und dann in den Ruhestand gehen. Wir sprachen mit ihm zum Abschied über seine Karriere, Erfolge, Krisen, besondere Gänsehautmomente und die Neuausrichtung des Unternehmens, mit der er Zeppelin zum heutigen Erfolg geführt hat.

Peter Gerstmann trieb die Neuausrichtung voran und stellte das Unternehmen in fünf strategische Geschäftseinheiten auf. Mit Übernahmen wie der Streif Baulogistik durch Zeppelin Rental oder mit neuen Händlerschaften in Skandinavien brachte er Zeppelin auf weiteren Erfolgskurs.

Baublatt: Als Sie 2010 den Vorsitz der Zeppelin Konzern-Geschäftsführung übernommen haben, betrug der Umsatz rund zwei Milliarden Euro. Seitdem hat sich Zeppelin rasant weiterentwickelt und einen großen Wachstumssprung hingelegt. 2023 machte der Umsatz rund 3,9 Milliarden Euro aus. Welche unternehmerischen Entscheidungen haben zu dieser Entwicklung beigetragen?

Peter Gerstmann: Nachdem ich 2010 meine neue Aufgabe übernommen hatte, habe ich begonnen, unsere Geschäftsbereiche neu zu organisieren, um Prozesse und Strukturen auf den Markt und die Kunden zu fokussieren. Ich bin überzeugt, dass die Aufstellung des Unternehmens in fünf strategische Geschäftseinheiten der wichtigste Schritt für unser Wachstum war, der noch bis heute wirkt. Vorher gab es eine Aufteilung in einen Handels- und Industriebereich. Zeppelin Rental hat damals als Teil das Handelsbereichs 120 Millionen Euro Umsatz gemacht – heute sind es 750 Millionen Euro. Das war nur möglich, weil wir Rental als strategisch eigenes Geschäftsmodell aufgestellt und vom Baumaschinenvermieter zum temporären Lösungsanbieter entwickelt haben. Ähnlich war es auch bei der Geschäftseinheit Power Systems, die sich vom Motoren- und Komponentenanbieter zum Lösungsanbieter für Energieanlagen und Antriebslösungen entwickelt hat. 2015 haben wir uns für das Jahr 2025 einen Umsatz von 4,5 Milliarden Euro vorgenommen. Zieht man davon den Umsatz von rund 500 Millionen Euro ab, den wir in der Vergangenheit vor unserem Ausstieg aus Russland erzielt haben, dann haben wir uns gut geschlagen. 

Baublatt: Unter Ihrer Führung hat Zeppelin das Angebot für Kunden auch durch Firmenübernahmen und Zukäufe erheblich erweitert. 

Peter Gerstmann: Bahnbrechend war mit Sicherheit die Übernahme der Streif Baulogistik durch Zeppelin Rental 2014. Die Akquisition hat noch mal ganz neue Möglichkeiten für temporäre Dienstleistungen auf der Baustelle eröffnet. Genauso bedeutend war, dass Caterpillar uns das Vertrauen geschenkt hat, weitere Händ­lergebiete wie Dänemark und Grönland sowie Schweden zu erhalten. Damit hat unser Partner Caterpillar unsere gute Arbeit der letzten Jahre gewürdigt. Darauf waren und sind wir besonders stolz. Für Zeppelin sind die neuen Händlerschaften in Skandinavien ein riesiger Wachstumsschritt in stabile Märkte. 

Baublatt: Sie können mit Ihren Erfolgen und der Entwicklung des Konzerns mit rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr als sehr zufrieden sein. Gibt es dennoch Entscheidungen, die Sie – rückblickend betrachtet – heute anders treffen würden?

Peter Gerstmann: Natürlich gibt es auch Themen, deren Entwicklung ich mir ganz anders gewünscht hätte. Es war ein großer Wunsch meinerseits, dass der Zeppelin Konzern komplett unter einem einheitlichen IT-System läuft. Das haben wir bislang noch nicht umgesetzt bekommen – daran arbeiten wir nach wie vor. Hier würde ich mich freuen, wenn es uns gelingt, ein einheitliches System für alle strategischen Geschäftseinheiten erfolgreich zu realisieren. Was noch hinzu kommt: Den Anlagenbau konnten wir nie zu einem nachhaltig wirtschaftlich stabilen Geschäftsmodell entwickeln. Wir haben ein weltweit erstklassiges Team, aber die besondere Risikostruktur des Geschäftsmodells, fehlende Kontinuität und schwaches Management haben die erreichten Erfolge immer wieder infrage gestellt. Das grämt mich sehr. Hier hinterlasse ich eine Baustelle, die ich leider nicht mehr abschließen kann. 

Baublatt: Gibt es spezielle Momente in Ihrer Zeit bei Zeppelin, die Ihnen aus den letzten 15 Jahren besonders in Erinnerung bleiben werden?

Peter Gerstmann: Jede bauma war ein Highlight. Wenn wir am Morgen die Mitarbeitenden bei unserer „Morgenandacht“ auf einen erfolgreichen Messetag eingeschworen und in die 800 Gesichter geblickt haben, dann waren das Gänsehautmomente pur. In bleibender Erinnerung sind sicherlich auch Kundenveranstaltungen, wie zuletzt die 70-Jahr-Feier zur Partnerschaft von Caterpillar und Zeppelin in Friedrichshafen oder bei Caterpillar in Málaga beim Big Push, als fünf Kettendozer 500 Tonnen Material bewegten. Besonders positiv habe ich die vielen weltweiten Kundenbesuche erlebt. Das war ein Privileg: Ich durfte Kunden in all unseren Händlergebieten besuchen und ihre unterschiedlichsten Anforderungen und Ansprüche kennenlernen.

Baublatt: Wie oft waren Sie denn im Jahr unterwegs und wo haben Sie mehr Zeit im Büro verbracht: in Friedrichshafen oder Garching?

Peter Gerstmann: Egal, wo ich war, hörte ich: „Bei uns sind Sie viel zu selten.“ Grundsätzlich war ich regelmäßig an beiden Standorten, tendenziell häufiger jedoch in Garching, da ich oft von München meine Reisen am Flughafen begonnen habe. Mindestens die Hälfte der Zeit verbrachte ich auf Reisen. Wenn ich mit dem Auto unterwegs war, habe ich häufig die Gelegenheit genutzt, unsere Niederlassungen mit einem Besuch zu überraschen. So ein spontaner Austausch vor Ort war wichtig für ein ehrliches Feedback – hier konnte ich mir immer einen Eindruck verschaffen und habe erlebt, dass die Menschen immer offen auf mich zugegangen sind.   

Baublatt: War das Teil Ihres Führungsstils?

Peter Gerstmann: Meine Art zu führen war so. Es war nie ein Thema für mich, von oben herab Anweisungen zu erteilen. Es hätte überhaupt nicht zu Zeppelin gepasst: Wir haben hier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eigenverantwortlich handeln – jeder Servicetechniker im Außendienst muss Entscheidungen treffen. Oder ein Mietstationsleiter muss vor Ort entscheiden, was das Beste im Sinne der Kunden ist. Sie können nicht auf Anweisungen ihrer Vorgesetzten warten, sondern müssen schnell und flexibel auf die Anforderungen unserer Kunden reagieren.

Baublatt: Auch wenn Sie unterschiedlichste Länder besuchten und damit unterschiedlichste Nationalitäten sowie Kulturen kennenlernen durften, gibt es dennoch auch etwas, was Kunden sowie das Team an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbindet?

Peter Gerstmann: Wir sind eine Vertriebs-, Service- sowie Engineering-Organisation, und das spürt man durch und durch. Unser Erfolg ließ sich nie mit Investitionen in neueste Produktionsstätten oder Maschinen begründen, sondern unseren Erfolg machen die Menschen, macht das beste Team aus – das ist ein deutlicher Unterschied zu anderen Unternehmen. Der Fokus liegt bei uns auf den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und unserer Begeisterung für den Kunden, das Produkt und das Unternehmen. Diese ist besonders ausgeprägt, wenn es dann um Cat Baumaschinen geht und wenn Menschen voller Stolz und mit einem Leuchten in den Augen sagen: „Das ist mein Cat.“ Oder: „Keinen Cat kann ich mir nicht leisten.“ Dabei ist es ja eigentlich „nur“ eine Baumaschine aus Eisen, aber die Marke hat eine unglaubliche Strahlkraft. Sie schafft Identifikation und wir erfüllen mit unseren Services und Lösungen die hohen Erwartungen des Kunden.

Baublatt: Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren gravierend verändert, nicht zuletzt, weil andere Ansprüche an den Arbeitsplatz gestellt werden, augenscheinlich angetrieben von der Generation Z.

Peter Gerstmann: Die Generation Z ist bestens ausgebildet und leistungsorientiert mit hohen Ansprüchen. Ich kann aber nicht bestätigen, dass sich diese Generation anders verhält als die Generation davor. Sicherlich ist sie ausgestattet mit einem hohen Selbstbewusstsein. Sie will mitreden und mehr selbstverantwortlich sowie selbstständig arbeiten – die Generation Z ist aber auch in einer offeneren und kritischeren Gesellschaft erzogen worden. Natürlich gibt es Forderungen wie eine Vier-Tage-Woche oder uneingeschränktes Homeoffice, aber es stimmt nicht, dass dies nur von der Generation Z kommt. Alle wollen von der schönen neuen Arbeitswelt profitieren. Eines muss man bei all diesen Forderungen berücksichtigen: Unser Geschäft findet bei unseren Kunden, in den Niederlassungen, unseren Werkstätten, im Service oder im Vertrieb statt. Wir sind das Bindeglied zum Kunden – und das 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Wenn wir da wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir uns daran ausrichten. Der Kunde zahlt letztendlich unsere Gehälter und interessiert sich nicht für die Ideen einer schönen neuen Arbeitswelt. Unsere große Stärke ist es, absolut auf Kunden fokussiert zu sein und so müssen wir unsere Arbeit ausrichten. 

Baublatt: Als Sie Vorsitzender der Geschäftsführung geworden sind, haben wir im Baublatt ebenfalls ein Interview geführt. Damals sagten Sie: Der Unternehmenserfolg wird in Zukunft wesentlich davon abhängen, inwieweit Zeppelin in der Lage ist, die Probleme der Kunden zu lösen. Sie haben damals den Slogan „we create solutions“ entwickelt. Welche Probleme haben denn die Kunden und inwieweit kann Zeppelin hier Kunden unterstützen? 

Lösungsorientierung: „Das ist das Dach, das alle Geschäftsmodelle verbindet. Im Baumaschinenbereich hat der Kunde eine Aufgabe zu lösen, für die er ein Gerät benötigt“, so Peter Gerstmann. Das drückte sich auch im Slogan „we create solutions“ aus. Fotos: Zeppelin

Peter Gerstmann: Der Lösungsansatz war das Dach, das alle unsere Geschäftsmodelle verbindet. Wir verkaufen keine Massenprodukte oder Services von der Stange, sondern wir verkaufen Lösungen. Im Baumaschinenbereich hat der Kunde eine Aufgabe zu lösen, für die er ein Gerät benötigt. Dabei steht er vor dem zweiten Problem: Er muss es finanzieren – also bekommt er eine Finanzierung. Problem Nummer drei: Der Kunde will keinen Stillstand auf der Baustelle. Unser Service sorgt dafür, dass alles reibungslos funktioniert und der Kunde seine Ersatzteile innerhalb von 24 Stunden bekommt. Und letztlich unterstützen wir ihn dabei, sein altes Gerät als Gebrauchtmaschine zu vermarkten. Unser Geschäftsmodell der Vermietung einer Baumaschine haben wir im Hinblick auf den Lösungsansatz umgedreht in: Welche temporäre Lösung braucht ein Kunde für seine Baustelle? Hierzu zählen die Zugangskontrolle, die Absicherung, Raumsysteme, Stromversorgung, Logistik und Baugeräte – und das alles können wir bieten. Bei uns kann man einen Minibagger mieten, aber eben nicht nur, sondern bei uns geht es um integrierte und ganzheitliche Lösungen. Das unterscheidet uns von vielen anderen Vermietern. Wir sind heute ein Lösungsanbieter in all unseren Geschäftsfeldern. 

Baublatt: Sie starteten damals Ihre Aufgabe in schweren Zeiten. Die Ausläufer der Finanz- und Wirtschaftskrise waren noch stark spürbar – der Markt für neue und gebrauchte Baumaschinen ging massiv zurück. Auch das Mietgeschäft hatte mit einem Marktrückgang zu kämpfen.

Peter Gerstmann: 2010 musste man die Folgen der Krise noch ausbaden – auf der bauma ruhten große Hoffnungen, aber in Island brach ein Vulkan aus und behinderte die Anreise der internationalen Besucher. Trotzdem hat es Zeppelin geschafft, auf der bauma mehr Maschinen zu verkaufen als auf der bauma 2007. Mit über 1 700 verkauften Maschinen brach Zeppelin alle bisherigen Rekorde. Es zeigte, dass wir auf dem richtigen Weg waren. In den Anfangsjahren war die größte Herausforderung bei Zeppelin, den Veränderungsprozess zu gestalten und eine Kultur neu zu kalibrieren. Damals haben wir zehn Leitsätze, sogenannte Grafensätze, in unserem Wertesystem verankert. Das war eine richtige Entscheidung, weil sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter darin wiederfinden konnte. Es war auch eine Herausforderung, das Unternehmen in fünf strategischen Geschäftseinheiten neu zu organisieren. Dieser Veränderungsprozess war sehr schwierig und ich wusste lange Zeit nicht, ob uns das gelingt. Viele waren skeptisch. 2012 dürfte es in etwa gewesen sein, als wir dann den Punkt erreicht hatten, als der Erfolg die neue Struktur bestätigte und wir durchstarten konnten.

Baublatt: Einschneidend in Ihrer Karriere war dann der Krieg gegen die Ukraine.

Peter Gerstmann: Die Nachricht erhielt ich am 24. Februar 2022 um sechs Uhr am Telefon. Es war für mich eine Katastrophe, als mir mitgeteilt wurde, Russland ist in der Ukraine einmarschiert und hat den Krieg begonnen.

Baublatt: Hatten Sie sich das vorstellen können oder haben Sie es geahnt? 

Peter Gerstmann: Ich bin in einer Generation aufgewachsen, die einen Krieg in Europa nicht kannte. Für mich war das unvorstellbar, dass tatsächlich ein russischer Staatschef den Krieg gegen ein anderes Land direkt an der Grenze Europas eröffnet. Es war eine Katastrophe, weil in meiner Brust zwei Herzen schlugen: auf der einen Seite die Verachtung und Verurteilung des Krieges, der die Sicherheit unserer ukrainischen Mitarbeitenden gefährdet. Auf der anderen Seite hatten wir in Russland sehr loyale und gut ausgebildete Mitarbeitende, die keine Beteiligung an diesem Krieg hatten. Es war eine sehr belastende Situation. Der Ausstieg dort war äußerst schwierig und es war ein langer, steiniger Weg voller Unwägbarkeiten und Verletzungen. 

Baublatt: Die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen in Deutschland sind nicht leicht für Unternehmen. Was sind die großen Herausforderungen, denen sich Zeppelin in den nächsten Jahren stellen muss? 

Peter Gerstmann: Die aktuelle Konjunkturschwäche, die meiner Meinung nach politisch herbeigeführt wurde und eigentlich nicht notwendig wäre, müssen wir überstehen. Ich bin überzeugt, dass die Zukunftsaussichten für Zeppelin sehr gut sein werden. Wir müssen den digitalen Umbau mit all der erforderlichen Infrastruktur für Datencenter und -leitungen begleiten. In die gleiche Richtung geht die infrastrukturelle Erneuerung, die wir notwendigerweise in Deutschland benötigen – der Einsturz der Carolabrücke hat mehr als deutlich gezeigt, wie akut unsere Probleme hier sind. Da muss was passieren. Der klimatisch bedingte Energieumbau des Landes wird uns ebenfalls beschäftigen. Verbunden sind damit der Umbau der Kohlereviere und der Rückbau von Kraftwerken. Hinzu kommt die Renaturierung von Flüssen und Uferbereichen, die durch Hochwasser bedroht sind. Das sind ein paar Beispiele, die zeigen, dass die Produkte und Services von Zeppelin definitiv in Zukunft gebraucht werden. Dafür werden wir vorbereitet sein. Wir haben das Unternehmen in den letzten Jahren nie auf maximale Rendite getrimmt, sondern wir haben kontinuierlich in unser Geschäft und unsere Infrastruktur investiert. So haben wir für rund 400 Millionen Euro Firmen mit 1 600 Beschäftigten und mit 800 Millionen Euro Umsatz erworben. Gleichzeitig haben wir auch kontinuierlich in unsere Infrastruktur investiert und das Niederlassungsnetz stetig modernisiert und erweitert. Hierzu zählen beispielsweise Böblingen, Eschweiler, Hamm, Oberhausen oder Linz, aber auch die geplante Investition in ein neues Logistikzentrum in Köln. All diese Investments haben wir getätigt, um gerüstet zu sein für zukünftige Aufgaben.

Peter Gerstmann mit den Konzern-Geschäftsführern Alexandra Mebus, Christian Dummler und Fred Cordes (von links nach rechts).

Baublatt: Wie wird Zeppelin denn voraussichtlich das Geschäftsjahr 2024 beenden?

Peter Gerstmann: Der Ausstieg aus Russland wird dieses Jahr erstmalig vollständig wirksam. Hier fehlen uns bis zu einer halben Milliarde Euro Umsatz. Dieses Jahr haben wir aber auch einen deutlichen Rückgang in der Bauindustrie, der sich stark auf den Auftragseingang und die Auslastung unserer Mietflotten auswirkt. 

Baublatt: Sie haben viele Jahre lang den Industriebereich bei Zeppelin geleitet und 2010 die Führungsverantwortung für den Konzern übernommen – das Unternehmen besetzt in der Regel Führungspositionen meist mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den eigenen Reihen. Warum hat sich Zeppelin mit Herrn Benz einen Manager von auswärts geholt, der nun Ihr Nachfolger wird? 

Peter Gerstmann: Das ist relativ einfach: Wir haben ein sehr striktes Nachfolgemanagement im Unternehmen und versuchen, für jede Stelle ein bis zwei Nachfolgerinnen oder Nachfolger zu haben. Das war auch für mich so geplant, doch diejenigen, die dafür vorgesehen waren, standen aus persönlichen oder familiären Gründen leider nicht zur Verfügung. Es gab daher einen strukturierten Ausschreibeprozess mit einem klaren Anforderungsprofil. Wir haben das Glück gehabt, mit Matthias Benz jemand zu finden, der unsere Industrie sowie unsere Gesellschafterstruktur und seine Besonderheiten kennt, ein vertriebsorientierter Manager ist und aus seiner vorherigen Tätigkeit über unsere mittelständig geprägte Struktur sehr gut Bescheid weiß. Ich durfte jetzt sein Onboarding in unserer Organisation übernehmen. Dabei hat sich gezeigt, dass es bei ihm eine hohe Übereinstimmung mit unseren Grundwerten gibt. 

Führungswechsel: Von Peter Gerstmann wird Matthias Benz (rechts), Geschäftsführer der Zeppelin GmbH, den Vorsitz der Konzern-Ge-schäftsführung zum 1. Oktober 2024 übernehmen.

Baublatt: Was haben Sie Ihrem Nachfolger, Herrn Benz, in der Einarbeitung alles mitgegeben? 

Peter Gerstmann: Bei unserem Onboarding zeigte sich für Matthias Benz schnell, dass Zeppelin ein sehr diversifiziertes Unternehmen ist: One fits all – eines passt für alles – funktioniert bei uns nicht. Auf die Spezifika unserer verschiedenen Geschäftsmodelle habe ich ihn besonders hingewiesen. Dass wir eine Vertriebs- und Serviceorganisation mit starker Kundenzentrierung sind, war ein weiterer Punkt. Das musste ich ihm nicht extra sagen, da er für den Vertrieb ohnehin bereits brannte. Punkt drei: Zeppelin ist ein Unternehmen, das von der Begeisterung seiner Mitarbeitenden lebt. Das hat er schnell mitbekommen. Diese Begeisterung strahlt das Team durch die Bereitschaft aus, Verantwortung zu übernehmen, und die Lust, für Kunden auch einmal eine Extrameile zu gehen. 

Baublatt: Herr Gerstmann, wie schwer fiel Ihnen die Entscheidung, den Aufsichtsrat zu informieren, dass Sie nach 15 Jahren als Vorsitzender der Geschäftsführung des Zeppelin Konzerns die Verantwortung abgeben wollen?

Peter Gerstmann: Die Entscheidung habe ich bewusst getroffen und habe das bereits dem Aufsichtsrat mitgeteilt, als ich vor fünf Jahren meinen Vertrag unterschrieben habe. Ich bin der Meinung, dass es ausreicht, 15 Jahre die Verantwortung für Zeppelin zu übernehmen. Außerdem läuft man irgendwann immer wieder gegen die eigenen Erfolge an. Ich bin niemand, der denkt, er ist unersetzlich und so lange an seinem Stuhl klebt, bis er am eigenen Ego scheitert. Ich wollte nie, dass die Meinung herrscht: Endlich ist er weg, sondern dass die Leute sagen, es war ganz okay mit ihm.

Baublatt: Jetzt stellen Sie Ihr Licht ja ganz schön unter den Scheffel. 

Peter Gerstmann: Das sollen andere beurteilen.

Baublatt: Fällt Ihnen denn der Abschied aus dem Unternehmen nicht auch ein bisschen schwer?

Peter Gerstmann: Ich beende ein sehr wichtiges Kapitel meines Lebens. Meine Aufgabe hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Natürlich gab es auch Situationen, die mich belastet oder geärgert haben. Das war immer so, wenn wir einen Auftrag verloren haben. Aber ich bin jeden Morgen gern zur Arbeit gegangen. Ich habe auch an unsere Vision geglaubt, denn wir sind ein Unternehmen, das man braucht. Das Geld, das wir verdienen, kommt einer Stiftung zugute, aber den größten Teil können wir in unserem Unternehmen halten und damit unser Geschäft weiterentwickeln. Aber nun wird es ein neues Kapitel in meinem Leben geben, auf das ich mich sehr freue. Und ich weiß, dass Zeppelin in guten Händen ist.

Baublatt: Das heißt, es bleibt genügend Zeit, um Gitarre zu spielen – oder scheiden Sie aus der Zeppelin Band auch aus?

Peter Gerstmann: Ich denke, ich werde hin und wieder als „Special Guest“ dabei sein. 

Baublatt: Und was ist mit der bauma 2025?

Peter Gerstmann: Die bauma werde ich sicherlich gerne als Gast besuchen. Ich hoffe, dass ich eine Einladung bekomme.

Baublatt: Heißt aufhören wirklich ganz aufhören oder werden Sie vielleicht nicht doch noch ein Aufsichtsratsmandat – nach einer gewissen Übergangszeit – übernehmen?

Peter Gerstmann: Für den Konzernaufsichtsrat stehe ich nicht zur Verfügung, das will ich meinem Nachfolger nicht antun. Ich hätte das damals auch nicht gewollt. Ob ich jedoch im Aufsichtsrat eines Tochterunternehmens mitarbeite, wird die Geschäftsführung entscheiden. Dazu stehe ich zur Verfügung, dränge mich hier jedoch nicht auf. Die Frage, die ich in den letzten Wochen häufig gehört habe, ist: „Warum machst du nicht weiter, du bist doch noch so jung?“ Nein, mit 63 Jahren ist man nicht mehr jung. Es gibt nur zwei Gründe, warum Leute denken, sie müssten weitermachen. Grund eins ist Macht – das hat mich noch nie interessiert. Grund zwei ist Geld. Für meine Pläne und Ansprüche habe ich davon genug. 

Baublatt: Es ist bekannt, dass Sie Gitarre spielen, aber mit was wollen Sie sich denn nun im Ruhestand beschäftigen – auf was freuen Sie sich nun besonders?

Peter Gerstmann: Reisen wird im Vordergrund stehen und meine Harley will ich intensiver nutzen. Darüber hinaus werde ich an ein paar Musikprojekten mitarbeiten. Im Kulturbereich will ich mich intensiver einbringen. Tatsächlich habe ich noch ein paar Verpflichtungen in Gremien: Ich bin im Aufsichtsrat des Zeppelin Museums sowie der Messe Friedrichshafen und ich bin Vorsitzender des Beirates der Zeppelin Universität. Das werde ich auch weitermachen. Genauso würde ich gerne im Kuratorium der Zeppelin-Jugendstiftung bleiben und auch beim Zeppelin Luftschiffbau weiter mitwirken. Gerne würde ich auch meinen Lehrauftrag an der TU München zur Unternehmenskultur, Strategie und Struktur wieder aufnehmen, weil mir das viel Spaß macht. 

Baublatt: Da haben Sie ja weiterhin einen vollen Terminkalender. Dafür und für Ihren neuen Lebensabschnitt wünschen wir Ihnen alles Gute.

September/Oktober 2024