Internet of Things (IoT) und Artificial Intelligence (AI) sind auch in der Baubranche längst mehr als Modebegriffe. Bieten die Technologien vielleicht sogar Lösungen für den Umgang mit Herausforderungen wie Inflation und Fachkräftemangel? Wir sprachen mit Christian Marx, Co-Founder des Start-ups zamics, über die Potenziale von IoT sowie AI und wie sich damit die Effizienz in Bauunternehmen steigern lässt.
Baublatt: Wir haben Chatbot ChatGPT folgende Frage gestellt: „Was haben AI und IoT miteinander zu tun?“ Hier die Antwort: „AI und IoT sind beide Technologien, die darauf abzielen, menschliche Arbeit zu automatisieren und die Produktivität zu erhöhen. AI ermöglicht es, komplexe Aufgaben zu analysieren und zu lösen, während IoT es ermöglicht, eine Verbindung zwischen den verschiedenen Geräten herzustellen und Daten in Echtzeit zu sammeln. Die beiden Technologien sind eng miteinander verbunden und können gemeinsam verwendet werden, um Daten zu analysieren und daraus abgeleitete Entscheidungen zu treffen.“ Würden Sie da mitgehen und wie würden Sie das in die Bauwelt übertragen?
Christian Marx: Der Aussage stimme ich definitiv zu. IoT funktioniert als digitales Netzwerk miteinander verbundener physischer Objekte. Diese Verbindung wird beispielsweise durch Sensoren an den Objekten hergestellt. So können Daten gesammelt und analysiert werden. Hier setzt AI an, indem die künstliche Intelligenz durch Nutzung der Daten Mehrwert bringt. Aktuell sind IoT und AI in der Baubranche noch nicht so weit verbreitet, wie beispielsweise in der industriellen Fertigung. Bei einem Autohersteller im Werk ist heutzutage bereits alles vernetzt, vieles funktioniert automatisch. Im Bauwesen müssen noch viel mehr Daten mit IoT gesammelt werden, damit AI sein volles Potenzial entfalten kann.
Baublatt: Inwiefern wäre zamics eine IoT-Lösung?
Christian Marx: zamics besteht aus zwei Komponenten: der Hardware, also unseren Transpondern, die auf Maschinen angebracht werden, und der Software, die als App und Webanwendung verfügbar ist. Wir statten die Geräte mit den Transpondern aus und vernetzen sie digital mit unserer Software. Sämtliche Maschinendaten werden in zamics gespeichert und können anschließend sinnvoll ausgewertet werden. Beispielsweise kann so ein digitales Gerätemanagement aufgesetzt werden. Das heißt, ich muss mich nicht auf meine Augen oder mein Bauchgefühl verlassen, wo sich ein Gerät befindet, sondern kann es mir im System anzeigen lassen.
Baublatt: Welche Vorteile bietet zamics Bauunternehmen und anderen Nutzern durch IoT?
Christian Marx: Ein typisches Tiefbauunternehmen arbeitet zum Beispiel oft mit einem Gerätepark, auf den mehrere Teams Zugriff haben und der auf mehreren Baustellen eingesetzt wird. Der Disponent ordnet die Geräte den einzelnen Baustellen zu. Das kann er, so wie es früher gemacht wurde, mit Papier und Lieferscheinen organisieren. Oder er macht es mit einer Software wie zamics, die es ihm ermöglicht, alle Geräte in einem transparenten System abzubilden. So behalt er den vollen Überblick und kann bessere und vor allem effizientere Entscheidungen treffen. Er kann beispielsweise sehen, dass auf seiner Baustelle drei Rüttelplatten sind, von denen aber nur eine benötigt wird. Nun muss er nicht mehr herumtelefonieren, sondern kann ganz einfach im System eintragen, dass zwei der Rüttelplatten zurück ins Lager gehen. Das erspart ihm schnell bis zu 20 Telefonate am Tag. Diese Transparenz herzustellen, ist ein unglaublicher Mehrwert.
Baublatt: Man muss sich also weniger aufs Bauchgefühl verlassen?
Christian Marx: Daten sprechen eine klare Sprache. So werden Entscheidungen objektivierbar. Disponenten sind in der Regel nicht die, die Kaufentscheidungen treffen. Mithilfe von IoT kann der Disponent dem Einkäufer oder dem Geschäftsführer schwarz auf weiß zeigen, welche Gerate auf dessen Baustelle im Einsatz sind, wie die Situation ist und was er braucht. Wenn etwas auf der Baustelle verloren geht, können die Daten Aufschluss darüber geben, woran es gelegen hat. IoT hilft dabei, Transparenz zu schaffen und Prozesse zu optimieren.
Baublatt: Worin bestehen die größten Herausforderungen beim Einsatz von IoT auf Baustellen?
Christian Marx: Baustellen bestehen zu großen Teilen aus Beton und Metall, beides Materialien, die für den Einsatz verschiedener Funktechnologien nicht unbedingt perfekt sind. Die Vernetzung ist hier anspruchsvoll, weil sich Baustellen ständig verändern und es hier oft keine feste oder zumindest nur eingeschränkte Infrastruktur gibt. Baustellen sind auch nicht immer unter freiem Himmel, was die Vernetzung über GPS erschwert. Deshalb muss ein System entwickelt werden, das mit den Herausforderungen der Baustelle mitwachst und Technologien verwendet, die weniger empfindlich gegenüber Störfaktoren sind. Deswegen ist ein Technologiemix, der alle Störfaktoren abfängt, die sinnvollste Lösung.
Baublatt: Derzeit kommen bei zamics hauptsächlich NFC-Transponder zum Einsatz. Wie lässt sich die aktuelle technische Entwicklung zur Optimierung des Systems nutzen?
Christian Marx: Wir stellen uns den Gerätepark auf der Baustelle als Pyramide vor. Das breite Fundament besteht aus kleinen und günstigen Geräten, die mittlere Schicht aus Rüttelplatten oder ähnlichen Arbeitsmitteln und die Spitze aus Großgeraten wie Baggern oder teuren Spezialwerkzeugen. Günstige NFC-Transponder eignen sich, um die untere und auch teilweise die Mittelschicht auszustatten. Um aber auch für die Spitze der Pyramide eine geeignete Technologie anbieten zu können, entwickeln wir aktuell unter anderem eine Lösung, die mit sogenannten aktiven GPS-Trackern funktioniert. Damit können diese Geräte punktgenau geortet werden. Und auch das Diebstahlrisiko wird erheblich gesenkt. Unser Ziel ist es, Bauunternehmen ein preiswertes und verlässliches Portfolio an Technologien anzubieten, um ihren gesamten Gerätepark ausstatten zu können. Wir wollen mit zamics die gesamte Pyramide abbilden.
Baublatt: Was bedeuten neue Technologien für die Zusammenarbeit von Mensch und Technik? Kann IoT der Baubranche beispielsweise beim Thema Fachkräftemangel helfen?
Christian Marx: In Deutschland werden allein über 200 000 Fachkräfte am Bau gesucht. Etwa 80 Prozent der betroffenen Unternehmen sehen darin eine akute Gefahr für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Fachkräftemangel ist ein riesengroßes Problem, das durch Technologien wie IoT abgefedert werden kann. Dabei geht es nicht darum, Fachkräfte durch digitale Losungen zu ersetzen. Es geht darum, die Menschen in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Und zwar, indem ihnen beispielsweise digitale Anwendungen Aufgaben wie die zeitaufwendige Suche nach Geräten und andere organisatorische Aufgaben abnehmen. So schafft ein Disponent im besten Falle mit einem System wie zamics in der gleichen Zeit und mit dem gleichen Aufwand 30 Prozent mehr seiner Hauptaufgaben.
Mai/Juni 2023