Eine zunehmende Verkehrsbelastung und die gleichzeitig verstärkte Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur erfordern schon heute intelligente dynamische Lösungen im Bereich der Verkehrssicherung. Trends, Schlagworte und Zukunftsszenarien wie Smart Cities, autonomes Fahren, Connected Cars und Big Data befeuern die Entwicklungen stetig. Doch welchen Einfluss haben diese Veränderungen auf temporäre Verkehrsführungen zur Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen? Als Unternehmen, das auch in der Baustellen- und Verkehrssicherung tätig ist, informiert Zeppelin Rental auch auf der bauma über dieses aktuelle Thema. Innovative Lösungen werden unter anderem im Bereich Digitalisierung im sogenannten Rentagon, einer Erlebniswelt am Messestand in Halle B6, aufgezeigt. Vorab schildert Haiko Bollmann, Leiter Verkehrstelematik der Zeppelin Rental GmbH, seine Erfahrungen im Interview.
Baublatt: Herr Bollmann, Zeppelin Rental ist unter anderem als klassischer Verkehrssicherer an Autobahnen, Bundesstraßen und innerstädtisch tätig und plant und realisiert deutschlandweit temporäre Verkehrsführungen. Inwieweit sind Sie im Rahmen von Bauvorhaben und Ausschreibungen bereits mit Anforderungen für Smart-City-taugliche Lösungen konfrontiert?
Haiko Bollmann: Eine sensor und datenbasierte Verkehrsführung, wie wir sie beispielsweise mit automatisierten Wechselverkehrsführungen realisieren, wird aktuell vor allem auf Autobahnen angefragt und eingesetzt. Inzwischen adaptieren wir solche intelligenten Lösungen aber auch vermehrt für Städte, um Staus zu minimieren und den Verkehr über die Baustellenzeit hinweg intelligent zu steuern. Das ist keine Vision mehr. Aktuell betreuen wir beispielsweise ein Bauvorhaben in Hamburg, bei dem eine wichtige Verkehrsader ereignisabhängig als Einbahnstraße in die jeweils benötigte Fahrtrichtung geführt wird. Allerdings gibt es innerstädtisch im Gegensatz zu knotenpunktfreien Autobahnabschnitten zusätzliche Bedingungen zu beachten.
Baublatt: Welchen Herausforderungen stehen Sie hier genau gegenüber?
Haiko Bollmann: Zum einen haben wir in Städten weniger Platz und es steht eine geringere Zahl an Fahrstreifen zur Verfügung als auf Autobahnen. Zum anderen müssen Nebenstraßen und Einmündungen beachtet werden. Dazu kommt der öffentliche Nahverkehr, der auch in Bauphasen möglichst reibungslos und idealerweise ohne Umwege funktionieren soll. Zudem müssen wir beispielsweise die Bedürfnisse von Anwohnerinnen und Anwohnern hinsichtlich Zufahrten oder Anlieferungen, Notfallszenarien, Regelungen für die Sicherheit der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie vorhandene Verkehrseinrichtungen wie stationäre Lichtsignalanlagen berücksichtigen.
Baublatt: Gibt es neben automatischen Wechselverkehrsführungen bereits weitere Anwendungsfälle innovativer Verkehrstelematik in Innenstädten?
Haiko Bollmann: Nachgefragt werden vermehrt intelligente Schrankenanlagen, um berechtigte Verkehrsteilnehmer wie beispielsweise den öffentlichen Nahverkehr oder Taxen automatisiert durch eine baubedingt gesperrte Straße führen zu können. Wir setzen hier aktuell Kennzeichenerkennung und RFID-Technologie ein, um berechtigte Fahrzeuge vom übrigen Verkehr zu trennen und ihnen die Zufahrt zu ermöglichen. Eine Einsparung von Emissionen durch weniger gefahrene Kilometer aufgrund von Umleitungen, dadurch mehr Nachhaltigkeit und gleichzeitig die Einhaltung von Fahrplänen sind die Folge.
Baublatt: Welche Weiterentwicklungen sehen Sie in der Zukunft als realistisch an? Oder haben Sie vielleicht sogar konkrete Konzepte in der Schublade?
Haiko Bollmann: Ich bin überzeugt, dass künftig ein verstärkter Eingriff in die Steuerung von Verkehrseinrichtungen wie beispielsweise Signalanlagen erfolgt. Bereits eingesetzt wird unter anderem eine individuelle und nutzerzentrierte Bedienung von Ampeln per App. Auf diese Weise können körperlich eingeschränkte Personen oder Kindergruppen längere Grünphasen für Fußgänger erhalten. Die Stadt Hamburg verfolgt aktuell ein Projekt, in dessen Folge künftig jede eingesetzte Bake ihre Geo-Position melden soll, um Live-Aussagen über Sperrungen treffen zu können. Wir beschäftigen uns intensiv mit möglichen Konzepten, tauschen uns mit Planern, Behörden und Herstellern aus und machen uns Gedanken über Zukunftsszenarien. Wir sind überzeugt, dass hier eine enge Zusammenarbeit erforderlich ist, um intelligente und vor allem bedarfsgerechte Lösungen für konkrete Anwendungsfälle zu finden.
September/Oktober 2022