Wenn irgendwo gebaut wird, ob Straßen, Brücken, Häuser, Kindergärten oder Einkaufszentren, ging der überwiegende Teil der verwendeten Baumaterialien bereits durch die „Hände“ von Baggern: Ihre Löffel und Schaufeln förderten das Erz zur Herstellung der Armierungen und Stahlträger ebenso wie Kalk, Ton, Sand und Kies für die Zement-, Beton- und Asphaltherstellung. Insofern sind große Hydraulikbagger die mit Abstand wichtigsten „Zulieferer“ für den Aufbau und Erhalt unserer Infrastruktur.
Für die Gewinnungsindustrie stehen Hydraulikbagger mit Gewichten von fast tausend Tonnen zur Verfügung; als weltgrößter gilt der Cat 6090 FS mit 37 bis 52 Kubikmetern Schaufelinhalt. Die gängigsten Bagger in deutschen Steinbrüchen wiegen zwischen 70 bis 150, in Ausnahmen über 200 Tonnen. Meistens kann in diesen Baggerklassen zwischen Tief- oder Hochlöffelausrüstung gewählt werden.
Dabei bleibt die Frage, ob ein Tief- oder Hochlöffel zu bevorzugen ist, ein zentrales Thema. In den letzten Jahren ist bei größeren Hydraulikbaggern ab etwa 70 Tonnen Gewicht eine Tendenz zum Tieflöffel hin zu beobachten. Inzwischen werden in diesen und den nächstgrößeren Gewichtsklassen schon mehr Tieflöffel- als Hochlöffelbagger eingesetzt.
Die Tendenz setzt sich auch bei den großen Baggerkolossen der Gewichtsklassen von 200 bis 800 Tonnen fort. Bei ihnen teilen sich Hoch- und Tieflöffel nunmehr bereits etwa 50/50 auf. Zwangsläufig stellt sich hier die Frage, ob – überspitzt ausgedrückt – der Hochlöffel ausgedient haben könnte. Doch keine Sorge, auch Hochlöffelbagger haben nach wie vor ihre Berechtigung.
Hochlöffel mit langer Tradition
Hochlöffel begleiteten Bagger über ihre lange, schon fast 180-jährige Geschichte: Der erste auf dem Land arbeitende Dampfbagger des Amerikaners Otis von 1836 war bereits mit einem Hochlöffel ausgestattet. Sämtliche schnaufenden Dampfbagger, ob ketten- oder sodann in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts seilbetätigt, arbeiteten mit Hochlöffeln, Greifern oder später auch mit Schleppschaufeln.
Dagegen sind Tieflöffel eine vergleichsweise „junge Mode“: Sie fanden erst in den 1950er-Jahren eine gewisse Verbreitung. Seilbagger mit Tieflöffel konnten nie auch nur annähernd so viel leisten wie diejenigen mit Hochlöffel. Das war auf ein nicht zu vermeidendes Problem zurückzuführen: Die seilgeführten Tieflöffel drangen nur mithilfe von Wucht und Schwerkraft ins Haufwerk oder in den Boden ein. Dadurch waren in grobstückigem Haufwerk kaum befriedigende Grab- und Ladeleistungen zu erzielen.
Infolgedessen blieben seilbetätigte Hochlöffel- Seilbagger in Steinbrüchen selbstverständlich. Sie waren bis in die 1970er-Jahre beliebt; ihre Vorzüge wurden in keiner Weise angezweifelt. Seilbagger mit Tieflöffeln hatten dagegen nur ein kurzes Gastspiel von nicht einmal vier Jahrzehnten. Es reichte von etwa 1930 bis in die 1970er-Jahre, schwerpunktmäßig sogar nur von den späten 1950ern bis ins Ende der 1960er-Jahre.
Denn nun sorgte eine neue Baggergattung für eine gewaltige Wende: Hydraulikbagger konnten – anders als Seilbagger – ihren Ausleger unter Krafteinwirkung senken und so den Tieflöffel mit großen Grabkräften ins Haufwerk oder in gewachsenen Boden pressen. Das war zuvor nicht möglich gewesen, weshalb Hydraulikbagger rasch für eine Wandlung der Methoden im Erd-, Tief- und Straßenbau sorgten.
Das Material ist maßgeblich
Anders verhielt es sich in der Gewinnungsindustrie: Dort waren Abbaumethoden, Sohlenführung, Transportwege und vieles mehr auf die seit Jahrzehnten bewährten Hochlöffel- Seilbagger ausgelegt, waren gewissermaßen mit Maschinen und Betriebsgrößen harmonisch gewachsen. Insofern war es nur natürlich, dass Seilbagger durch Hydraulikbagger mit Hochlöffel ersetzt wurden, ebenso wiederum deren Nachfolger. Die Frage, ob statt Hoch- auch Tieflöffelbagger empfehlenswert seien, wurde erst nach und nach gestellt, meist dann, wenn neue, leistungsfähigere und oft größere Hydraulikbagger die Arbeit altgedienter Bagger übernehmen sollten.
Wer heute angesichts der beträchtlichen Leistungen moderner Großbagger aus der 6000er-Serie von Caterpillar entscheiden soll, ob ein Tief- oder Hochlöffelbagger vorzuziehen ist, kommt um einen genauen Blick auf das abzubauende Material nicht umhin. Beide Baggerarten erbringen beispielsweise in gesprengtem, gut abgestuftem Haufwerk überzeugende Grab- und Ladeleistungen.
Auf grob gesprengtem Haufwerk mit wenig Feinanteil hat allerdings der beim Ladebetrieb mit erhöhtem Standplatz „oben“ arbeitende Tieflöffelbagger einen schlechteren Stand. Hier sollte deshalb eher ein Hochlöffelbagger „unten“ auf der Sohle stehen und Muldenkipper oder Brecher auf gleichem Standniveau befüllen.
Beim Lösen von Material, besonders der Bodenklassen sechs (stark klüftiger, brüchiger Fels und verfestigte, bindige und nichtbindige Böden) und sieben (schwer lösbarer Fels) erweisen sich Tieflöffel vorteilhafter als Hochlöffel. Nicht zuletzt werden im Erd-, Straßen- und Tiefbau aus diesen Gründen überwiegend Tieflöffelbagger eingesetzt. Ihre Grabkinematik ermöglicht ein besseres umsetzen der Grabkräfte. Dies wiederum erlaubt eventuell sogar die Verwendung der nächst kleineren Baggerklasse, was Transportgewicht und -aufwand und somit Kosten einspart.
Wie erfolgt der Abbau?
Neben dem Material spielt, abhängig von der vorherrschenden Geologie, die Abbautechnologie eine maßgebliche Rolle bei der Wahl zwischen Hoch- und Tieflöffel: Soll das Material gezielt oder selektiv gelöst werden? Kann direkt an der Wand gebaggert werden? Sind große Knäpper aus der Wand zu lösen? Wie hoch ist der Knäpperanteil? Lagert das Material geschichtet oder muss es mittels großer Reiß- und Losbrechkräfte gelöst werden?
Für den Hochschnitt, also die Gewinnung oberhalb der Standebene, eignen sich beide Systeme, doch hat der Tieflöffel hier einige Einschränkungen hinsichtlich Grabkinematik, Kräften, Löffelfüllung und mehr. Sofern nicht gesprengt wird, ist bei hohem Gebirgsdruck auf den unteren Schichten das selektive Abtragen mit dem Hochlöffel ratsam. Auch bei häufig stehen gebliebenen Wandfüßen bewähren sich die großen Losbrechkräfte des mit der Freifallkugel durchgeführt, erlaubt der Hochlöffel, also die Klappschaufel, eine einfache und sichere Handhabung. Mit dem Tieflöffel ist dies zwar auch machbar, aber wegen der hohen Anforderungen an den Fahrer nicht problemlos. Er muss die Wurfparabel beachten, damit es nicht zum unkorrekten Kugelabwurf und daher zur Gefahr für das Laufwerk kommt. Mit dem Tieflöffel ist daher mehr Zeit pro zerkleinertem Knäpper erforderlich.
Moderne Großbagger weisen dermaßen hohe Grabkräfte auf, dass sie sogar Reißraupen erübrigen können. Wo nicht gesprengt werden soll, löst dann der Bagger den Fels, indem er bei Bedarf jederzeit seinen Tieflöffel ablegt und am Schnellwechsler einen Reißzahn ansetzt. Allerdings müssen die Zeitanteile solcher Nebenarbeiten sorgfältig kalkuliert werden. Die beiden Verfahrensschritte Lösen und Laden können mit speziellen, schmalen Reißlöffeln auch zu nur einem Schritt zusammengefasst werden. Dann entfällt zudem das Gewicht des robusten Schnellwechslers am Stielende.
Fazit
Vielfältig sind die Vorteile, mit denen beide Baggerarten aufwarten, sodass die Wahl bei einer Neuanschaffung nicht leicht fallen kann. Deshalb sollten weitere Parameter wie beispielsweise die vielfältige Nutzung des Baggers an mehreren Standorten, auf Baustellen oder bei Abbruch und Recycling berücksichtigt werden. Dazu sind Hochlöffelbagger nicht in der Lage, dienen sie doch ausschließlich zum Laden, wobei meist sogar zusätzliches Reißen eine untergeordnete Rolle spielt. Ein Bagger mit Hochlöffel ist eine hochspezialisierte Lademaschine, die auch selektiven Abbau vornimmt, vorzüglich und sicher knäppert, die Sohle ebnet und von Steinen sauber hält, welche die Reifen der Muldenkipper beschädigen könnten. Dagegen ist der Tieflöffelbagger deutlich flexibler einsetzbar. Besonders mit einem geeigneten Schnellwechsler wandelt er sich zum Geräteträger und kann nicht nur laden, sondern jederzeit mit dem Reißzahn, Hydraulikhammer oder einer Gesteinsfräse Fels lösen und zerkleinern, aber auch mit Betonzange oder Schrottschere im Abbruch arbeiten. Außerdem sind bei vergleichbaren Gewichtsklassen Bagger mit Tieflöffel oft kostengünstiger als welche mit Hochlöffel, weshalb der Kapitaldienst entsprechend geringer ist. Hinzu kommen die normalerweise besseren Möglichkeiten bei der Wiederverwertung des Baggers und der höhere Restwert auf dem Gebrauchtmaschinenmarkt.
Der Autor des Beitrags, Heinz-Herbert Cohrs, gilt als renommierter Baufach-Journalist. Seit 1979 widmet sich der studierte Maschinenbauer in Fachbeiträgen der Baumaschinentechnik.
Mai/Juni 2017