Perspektiven für die Baubranche

55 000 mittelständische Bauunternehmen in Deutschland beschäftigen drei Viertel aller Arbeitnehmer und bilden 80 Prozent der Lehrlinge aus. Soviel zu den Fakten der Baubranche. Nach Jahren der Rezension habe sie sich erholt. Die Konjunkturdaten weisen oben. „Wir stehen wieder vergleichsweise gut da, auch wenn die Erträge in den Betrieben immer noch nicht das Niveau erreicht haben, was zum Beispiel in der stationären Industrie normal ist. Denn: Umsätze sind keine Gewinne.“ Mit diesen Worten umriss der Präsident des Zentralverbandes Deutsche Baugewerbe, Dr. Hans-Hartwig Loewenstein, die Perspektive seiner Branche vor den rund 500 Gästen des Deutschen Baugewerbetags in Berlin.

Loewenstein erwartet für die kommenden Jahre eine positive Entwicklung. Denn der Investitionsstau im öffentlichen Sektor, Hunderttausende fehlende Wohnungen in den Ballungsgebieten, der notwendige Umbau von Wohnungen sowie ganzer Stadtteile aufgrund des demografischen Wandels und die notwendige Sanierung von Millionen von Wohnungen im Hinblick auf den Klimaschutz würden die Branche noch viele Jahre beschäftigen.

Der Präsident des ältesten und größten Bauverbandes in Deutschland warb für eine Ausbildung am Bau. Schließlich bildet das mittelständische Baugewerbe rund 80 Prozent aller Lehrlinge auf dem Bau aus. „In welcher anderen Branche kann man durch die Stadt gehen und sagen: An diesem Haus war ich beteiligt, diesen Kindergarten habe ich mit gebaut und bei dieser Straße war ich dabei.“ Er betonte die Sicherheit der Ausbildungs- und Arbeitsplätze, die guten Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie die Sicherheit im Alter durch die Tarifrente Bau. Besonders die Weltoffenheit der Unternehmen, die es seit jeher gewohnt sind, Menschen mit Migrationshintergund eine Chance zu geben, sei eine gute Voraussetzung zur Integration von Flüchtlingen in den Bau-Arbeitsmarkt.

Loewenstein wies daraufhin, dass die familien- und inhabergeführten Unternehmen des deutschen Baugewerbes 90 Porzent der gesamten Wohnungsbaumaßnahmen in Deutschland leisteten. Bereits zuvor hatte er in einer Gesprächsrunde mit der Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks betont, dass unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht günstiger zu bauen sei. „Wir können auf Tiefgaragen, auf Balkone, auf Fahrstühle verzichten, wir können elementierte Typenhäuser bauen, das alles würde zu niedrigeren Baukosten führen. Aber die Frage ist: Wollen das die zukünftigen Bewohner auch genauso haben?“

Auch in Bezug auf die Infrastruktur ist die mittelständische Bauwirtschaft weit vorne: „Unsere mittelständischen Straßenbauer haben in den vergangenen Jahrzehnten die Bundesautobahnen gebaut, unterhalten und ausgebaut, zur Zufriedenheit der öffentlichen Hand als Auftraggeber wie auch zur Zufriedenheit der Autofahrer. Das soll auch in Zukunft so bleiben!“ Insbesondere bei Gründung einer Infrastrukturgesellschaft muss darauf geachtet werden, dass auch zukünftig von den regionalen Vergabestellen konventionell vergeben wird. „Eine Ausweitung von ÖPP-Projekten lehnen wir strikt ab,“ so Loewensteins Position.

Sponsorenrundgang mit Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa (links) und Präsident Dr. Hans-Hartwig Loewenstein (rechts) vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe am Zeppelin Stand mit Robert Bruhn, Verkaufsrepräsentant der Niederlassung Berlin. Das Unternehmen unterstützte die Veranstaltung. Foto: Zentralverband Deutsches Baugewerbe
Sponsorenrundgang mit Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa (links) und Präsident Dr. Hans-Hartwig Loewenstein (rechts) vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe am Zeppelin Stand mit Robert Bruhn, Verkaufsrepräsentant der Niederlassung Berlin. Das Unternehmen unterstützte die Veranstaltung. Foto: Zentralverband Deutsches Baugewerbe

Auch die Politik gab sich ein Stell-Dich-Ein. Ihre Sicht auf die Bauwirtschaft erläuterte Bundesbauministerin Barbara Hendricks. Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, stellte dar, was Deutschland in den kommenden Jahren erwartet. Wolfgang Kubicki, Stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, erklärte, was sich aus liberaler Sicht ändern muss. Er diskutierte mit Karl-Heinz Körner, Unternehmer aus Stuttgart, Margit Dietz, Unternehmerin aus Dreieich bei Frankfurt und Thomas Möbius, Bauunternehmer aus Riesa über die Erwartungshaltung der Branche und was sie sich für Weichenstellungen von der Politik erhoffen.

September/Oktober 2016