Neun Entscheidungen des Bundestages überschatteten den diesjährigen Tag der Deutschen Bauindustrie in Berlin. Dabei ging es im Kern um die Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und für die Branche darum, dass die Infrastrukturgesellschaft verabschiedet wurde. Das wirbelte das angekündigte Programm etwas durcheinander: angekündigte Redner wie Bundesminister Alexander Dobrindt kamen später als geplant, andere wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ließen sich durch Innenminister Joachim Herrmann vertreten. Globale Veränderungen und deren Folgen für die Bauindustrie gaben das diesjährige Motto „Werte schaffen, Werte schützen“ vor.
Friedrich Merz, Geschäftsführender Vorsitzender der Atlantik-Brücke und ehemaliger Vorsitzender der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, bezog aktuell Stellung über die Zukunft der Wertegemeinschaft Europa und USA. Er zeigte auf, was die US-Wahl, der Brexit und der Wahlsieg von Emmanuel Macron für Deutschland bedeutet. Dabei beleuchtete er die Auswirkungen auf die Finanz-, Außen- und Sicherheits-, Klima- und Handelspolitik vor dem Hintergrund der sich verschiebenden politischen und ökonomischen Zentren.
Sich deutlicher zu positionieren, forderte auch Peter Hübner, Präsident vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, angesichts der Nachwuchsgewinnung. Ein historisches Hoch bei den Auftragsbeständen, dominiert vom Wohnungsbau und öffentlichen Bau, sorgte zwar für gute Stimmung in der Branche insgesamt, wenngleich auf ihr auch ein Schatten liegt. Bedingt durch den dramatischen Personalmangel könnte der Aufschwung wieder ausgebremst werden. Zwar nahm die Zahl der Ausbildungsverträge im vergangenen Jahr leicht zu, doch immer mehr Baggerfahrer, Poliere und Ingenieure erreichen das Rentenalter. „Es ist zu kurz gedacht, die Tarifbindung zu entziehen und so die Absicherung der Fachkräfte im Alter zu gefährden, was auch ein schlechtes Zeichen für junge Leute ist“, stellte Hübner klar. Führende Vertreter der Unternehmen diskutierten in einem eigenen Forum zusammen mit Schülern und Studenten über die Fachkräftesicherung. „Dass sie schon mal den Weg hierher gefunden haben, ist der erste Schritt“ adressierte Klaus Pöllath, Mitglied im Vorstand von Züblin, an das junge Publikum. Schüler und Studenten hatten nicht nur konkrete Fragen mitgebracht, etwa welche Voraussetzungen sie mitbringen müssen, um Baumaschinen- Mechatroniker zu werden, sondern wie bei Models hatten sie Sedcards vorbereitet, um sich gleich vor Ort für ein Praktikum bei den Firmen der Diskussionsteilnehmer zu bewerben.
Ein anderes großes Thema, das sich wie ein roter Faden durch den Tag der Deutschen Bauindustrie zog, waren Investitionen. „Um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Deutschland sein Investitionsniveau erhöhen. Es bedarf außerdem einer Planungs- und Managementkompetenz auf kommunaler Ebene und Länderebene, die wiederhergestellt werden muss“, forderte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Zwar wurden noch nie so viele finanzielle Mittel wie in dieser Legislaturperiode für die Infrastruktur freigegeben, aber die Planung hinkt stark hinterher. Bayern gilt da noch als Vorreiter, unterstrich der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, das ihm zufolge 22 Prozent aller Bundesmittel verbaut hat, „weil etliche neue Bundesländer dazu nicht in der Lage waren.“ Doch selbst in Bayern gehen langsam die genehmigten Projekte aus, bemängelte Hübner. Er zeigte sich vor dem Hintergrund der angespannten Arbeitsmarktlage skeptisch hinsichtlich einer kurzfristigen Aufstockung von Planungskapazitäten. Wenn Ingenieur- und Managementkapazitäten auf öffentlicher Seite nicht mehr ausreichend vorhanden seien, werde die Frage nach der Arbeitsteilung zwischen öffentlicher und privater Seite gestellt werden müssen. Er plädierte dafür, sich der teilgenehmigten Vergabe zu öffnen und die strikte Trennung von Planen und Bauen aufzugeben. „Es ist nicht einzusehen, dass Ersatzbauwerke ein ähnliches Planungsverfahren wie ein Bauwerk auf der grünen Wiese durchlaufen.“ Hübner regte an, Bau- und Planungsleistungen aus einer Hand (Design-and-Build-Modelle) zu beauftragen und die Bauseite in den Planungsprozess (Partnering) einzubeziehen.
Darum begrüße die Branche auch den Vorstoß eines Planungsbeschleunigungsgesetzes (siehe auch die Titelstory dieser Ausgabe), das Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf den Weg bringen will. Im Detail legte dieser beim Tag der Deutschen Bauindustrie dar, warum es ein Planungsbeschleunigungsgesetz braucht: „Dass Planungen im Dschungel von Bürokratie stecken bleiben, kann nicht Sinn und Zweck sein. Wir brauchen ein Umweltrecht, das sich um die Umwelt kümmert, aber nicht nur Planungen verhindert. Und wir brauchen mehr Rechtssicherheit bei den Verfahren. Das schaffen wir mit einem Stichtag, bis zu dem Einwendungen formuliert sein müssen. Jeder hat das Recht bis zu einem gewissen Zeitpunkt Bedenken zu äußern.“ Außerdem ging er auf seine Verkehrsinfrastrukturpolitik ein und konnte verkünden, was der Bundestag kurz vorher beschlossen hatte: „Es war eine große, aber auch knappe Entscheidung für die Bundesautobahngesellschaft. Am meisten gestört hat mich das Misstrauen gegenüber der privaten Wirtschaft und, dass es dabei nur einziges Thema gab: Wie kann man Private aus der Autobahngesellschaft raushalten? Dabei ist es doch so: Ohne Private können wir keine Straßen bauen. Deswegen wird es auch weiter PPP geben.“
Vor allem die bevorstehende Bundestagswahl drückte der Veranstaltung ihren Stempel auf. Wohin steuert Deutschland, war die Leitfrage einer Diskussionsrunde, der sich Vertreter der Parteien CDU/CSU, der SPD, den Grünen und der FDP stellten, um ihre Sichtweise darzulegen. Auch Bundeskanzlerin Bundeskanzlerin Angel Merkel überbrachte ihr Grußwort als Videobotschaft und unterstrich die Bedeutung der Branche, die ihr zufolge insbesondere beim Klimaschutz eine wichtige Rolle spiele. Dr. Dominik von Achten, Präsident vom Bundesverband Baustoffe, Steine und Erden, Dr. Peter Cornelius, Präsident vom Verband Beratender Ingenieure, und Dr. Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilienausschuss, legten in einer Expertenrunde ihre Position dar, etwa zur Regulierung, zur Energieeffizienz und zum seriellen Bauen. Auch da zeigte sich, warum es oftmals nicht gelingt, schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen: Baugenehmigungen dauerten in Deutschland zu lang, weil zu viele Auflagen bestehen. Auch hier täte der Branche Tempo gut.
Juli/August 2017