Ein Kommentar von Sonja Reimann
Es war ein Paukenschlag aus Karlsruhe, der Bauunternehmern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn trieb: die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, als der Nachtragshaushalt 2021, sprich die 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds, unter Verweis auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für verfassungswidrig erklärt wurde. Milliardenschwere Investitionen in die Modernisierung der Wirtschaft standen plötzlich auf der Kippe – Förderprogramme wurden auf Eis gelegt. Die Transformation energieintensiver Wirtschaftszweige wie die Stahl- und Zementindustrie, zwei elementare Zulieferer-Sparten der Bauindustrie, hangen am seidenen Faden, wenn sie „grüne“ Geschäftsmodelle entwickeln wollen. Auswirkungen auf die Haushalte bei Bund und Ländern lassen nichts Gutes für Bauprojekte der öffentlichen Hand erahnen, wenn Einschnitte drohen oder die Finanzierung von Bauvergaben plötzlich zur Disposition steht, die für die Zukunft Deutschlands von fundamentaler Bedeutung sind. Schon vor dem Urteil war die Lage für die Baubranche, allen voran im Wohnungsbau, angespannt. Umso wichtiger ist es, den Bausektor zu stabilisieren, Planbarkeit zu schaffen und Unsicherheiten auf ganzer Linie zu beseitigen, damit aus der Haushalts- keine Investitionskrise wird. Wir brauchen Aufbruch und Fortschritt statt Rückschritt und Stillstand.
Dass etwas schieflauft in unserem Land, beklagen Unternehmer schon lange. Eine Flut von Verordnungen, Vorschriften und Vorgaben schränkt nicht nur den unternehmerischen Handlungsspielraum ein, sondern hält Mitarbeiter in Baufirmen von der eigentlichen Arbeit ab und bindet Ressourcen, die für dringendere Aufgaben gebraucht werden. Zum Beispiel verlangen öffentliche Ausschreibungen von den Bietern umfangreiche Nachweispflichten. Doch fehlen Informationen seitens der Vergabestellen, die Kontaktaufnahme zur Vergabestelle wird erschwert oder digitale Plattformen sind nicht anwenderfreundlich und schränken die Beteiligung vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ein. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung sind diese Firmen besonders benachteiligt – ob bei der Suche nach geeigneten Ausschreibungen oder bei der Angebotsabgabe. Ankündigungen der Politik gibt es viele, etwas dagegen zu unternehmen und die öffentliche Vergabe mit dem Ziel zu novellieren, diese effizienter zu machen. Doch folgen Worten auch Taten?
Es brauchte schon einen echten Befreiungsschlag auf ganzer Linie – das Beispiel Vergabe ist nur eines von vielen. Wir waren mal Weltmeister im Planen und Organisieren. Das waren Fähigkeiten und Tugenden, die Deutschland einmal ausmachten und für die wir im Ausland geschätzt wurden. Doch diese scheinen abhandengekommen zu sein. Abgewürgt durch Bürokratie. Was uns fehlt, zeigt sich spiegelbildlich beim Fußball, wo mit Zaudern und Zögern aktuell kaum ein Spiel zu machen ist. Wir müssen aufwachen und uns wieder auf das besinnen, was uns wieder auf Kurs bringt. Das geht nur mit großer Leistungsbereitschaft und Leidenschaft. Fleißarbeit ist angesagt, um die Wirtschaft wieder auf Spur zu bringen. Vor allem in unsicheren Zeiten wie diesen, erfordert es mehr Sportsgeist, Kampferwillen, Mut und Risikobereitschaft. Wir müssen Neues wagen und auch mal die sprichwörtlichen Fünf gerade sein lassen. Das neue Planungsbeschleunigungsgesetz konnte ein Hoffnungsschimmer sein, dass sich unser Straßen- und Schienennetz in den kommenden Jahren zum Besseren wenden wird, wenn knapp 140 Autobahnabschnitte und mehr als 300 Bauvorhaben auf der Schiene umgesetzt werden und es für Ersatzneubauten kein neues Planfeststellungsverfahren mehr erforderlich ist.
Die Wirtschaft braucht unter den aktuell schwierigen Rahmenbedingungen ein beherztes Krisenmanagement. Das erfordert konkrete Vorgaben, aber auch klare Visionen, wie die Konjunktur gestärkt wird und Investitionen vorangebracht werden, die unser Land fit für die Zukunft machen. Unsere Schuldenquote ist die niedrigste unter den G7-Landern. Dass wir das Geld nicht mit vollen Händen ausgeben können, sondern haushalten müssen, ist gut und schon. Aber mit einem rigorosen Sparkurs kommt die Konjunktur nicht in die Gänge. Und noch schlimmer für den Wohlstand der nachfolgenden Generationen ist das Verschieben und Vertagen von elementaren Entscheidungen in die Zukunft.
Februar 2024