Wie sich Frauen bei Zeppelin im Service von Baumaschinen behaupten können

Hydraulik, Pneumatik, Elektronik und Elektrik: Da geht es bei Baumaschinen ans Eingemachte. Wer hier Hand anlegen will, braucht Köpfchen, wenn er oder sie mithilfe eines Laptops Fehler aufspüren soll, muss aber manchmal auch richtig zupacken können. Wie er oder sie dabei vorgehen müssen, haben Baumaschinenmechatroniker und -innen in ihrer Ausbildung gelernt. Was bislang eine klassische Männerdomäne war, hat inzwischen auch das Interesse von Frauen geweckt. 2020 beweist die gewerbliche Auszubildende Cindy Kutschera in der Zeppelin Niederlassung Ulm, dass Baumaschinen längst nicht mehr fest in Männerhand sind. Aber auch Joelle Heinz steht in der Niederlassung Frankenthal als Servicetechnikerin in der Werkstatt quasi ihren Mann und behauptet sich in der Motoren- und Getriebespezialisierung. Zwei Beispiele, die belegen: Frauen scheuen sich nicht vor Technik. Trotzdem sind sie in Zeiten der Gleichberechtigung noch immer eine Ausnahme. 

Frauen bei Zeppelin im Service
Joelle Heinz kam vor eineinhalb Jahren als gelernte Industriemechanikerin zur Zeppelin Niederlassung Frankenthal und ist dort heute als Servicetechnikerin in der Motoren- und Getriebespezialisierung mit ihren Kollegen für die besonders schweren Fälle zuständig.

Die größten Baumaschinen der Welt, wie tonnenschwere Muldenkipper, die in den Kupfer-, Eisen- und Goldminen verkehren, sind bevorzugt in Frauenhänden. Das Argument: Frauen steuern feinfühliger eine Maschine. Sicherheit ist ein weiterer Aspekt, warum die großen Minenbetreiber dieser Welt die millionenschweren Investitionen lieber Frauen anvertrauen. Dass Frauen sicherer Auto fahren, auch wenn das Männer nicht gerne lesen, bestätigten auch Wissenschaftler der University of Westminster in London, die diverse britische Unfallstatistiken aus den Jahren 2005 bis 2015 untersuchten. Sie kamen zum Schluss: Sitzen Männer hinter dem Steuer, ist beispielsweise das Risiko durch einen Autofahrer zu sterben, etwa doppelt so hoch wie das, durch eine Autofahrerin zu verunglücken.

Trotz dieser Eigenschaften sind nur 1,5 Prozent der gewerblichen Beschäftigten im Bauhauptgewerbe weiblich. Nicht viel besser steht es um den Frauenanteil in den Ausbauberufen. Deren Anteil beträgt rund 3,5 Prozent (Stand 30. Juni 2018). Der Grund: Frauen waren in Westdeutschland bis 1994 in Bauberufen nicht gewollt. Denn es herrschte dort für sie ein Beschäftigungsverbot, das auf die Gewerbeordnung von 1878 zurückgeführt wird und dem Arbeitsschutz von Frauen diente. Sie sollten vor schwerer körperlicher Arbeit bewahrt werden. Anders war es in der DDR. Frauen, wenn auch eher selten, durften dort Maurerinnen und Betonbauerinnen werden oder Baumaschinen in den Tagebaustätten bewegen. Mit der Wiedervereinigung wurde dann das Beschäftigungs-verbot in Westdeutschland gekippt. Trotzdem ergreifen seitdem nur wenige Frauen die Gelegenheit, einen Bauberuf zu erlernen. Nicht viel besser ist es um Jobs im Bau- Umfeld bestellt, wenn es zum Beispiel um Baumaschinen geht. Bei Zeppelin arbeiten derzeit 1 259 der 1 936 Mitarbeiter im Service – insgesamt werden dort 235 Frauen beschäftigt. Gewerbliche Auszubildende, die eine Lehre als Land- und Baumaschinenmechatronikerin absolvieren, gibt es aktuell zwei – 125 der gewerblichen Auszubildenden sind Männer. Entgegen dem demografischen Trend im Handel und Handwerk insgesamt ist in der LandBauTechnik-Branche die Zahl der Auszubildenden 2019 um deutliche 3,02 Prozent gestiegen, zum Jahresende waren 7 816 angehende Land- und Baumaschinenmechatroniker in die Lehrlingsrollen bei den Handwerkskammern eingetragen, meldet der LandBauTechnik-Bundesverband. Gerade in der Corona-Krise wird zudem deutlich, wie wichtig Berufe des Land- und Baumaschinenmechatronikers, des Servicetechnikers und des Meisters sowie kaufmännische Berufe sind. „Das deutliche Plus an Auszubildenden zeigt uns einmal mehr, dass unser moderner und hoch digitalisierter Beruf jungen Menschen eine echte Perspektive bietet“, äußert sich Leo Thiesgen, Bundesinnungsmeister des LandBauTechnik- Bundesverbands, „und mit einer abgeschlossenen Ausbildung in der Tasche steht den Land- und Baumaschinenmechatronikern sprichwörtlich die Berufswelt offen.“

Frauen bei Zeppelin im Service
Cindy Kutschera absolviert derzeit eine Ausbildung zur Baumaschinenmechatronikerin in der Zeppelin Niederlassung Ulm.

Bei Cindy Kutschera war es ihr Vater, der sie auf Zeppelin brachte. Gerald Kutschera arbeitet dort als Instruktor in der Abteilung Service-Technik-Schulung. Er hatte seiner Tochter geraten, sich für die Ausbildung Baumaschinenmechatronikerin zu bewerben. Sie schickte ihre Bewerbungsunterlagen an die Personalabteilung, wurde prompt zu einem Gespräch eingeladen und genommen. Dem war ein einwöchiges Praktikum in der Werkstatt vorausgegangen, um erste Eindrücke zu sammeln und quasi Werkstatt-Luft zu schnuppern. „Ursprünglich habe ich mir die Kfz-Branche  angeschaut, aber Autos sind mir einfach viel zu klein“, räumt die Auszubildende ein. Sie ist fasziniert von tonnenschweren Baumaschinen. Endgültig springt der Funke über, als sie dafür verantwortlich war, einen Cat Radlader 982M sicher in die Waschhalle zu steuern. Der 35-Tonner musste von Schmutz befreit werden, bevor die Monteure in der Ulmer Werkstatt die Reparatur in Angriff nehmen konnten. Das Erlebnis, so viel Tonnen Stahl mit eigenen Händen zu steuern, prägt. „Es war unglaublich“, so Cindy Kutschera voller Begeisterung, die bis heute anhält und die sie auch an ihre Freunde weitergibt, wenn sie von ihrem Job berichtet. „Meine Freundinnen fanden es megaspannend, als ich sagte, dass ich einen technischen Beruf mit Baumaschinen erlerne. Sie meinten: Da kannst Du Dich als Frau gleich beweisen“, berichtet sie von den Reaktionen. Was ihr selbst an ihrem Beruf gefällt: das Ergebnis. „Man sieht am Ende eines Tages, was man geschafft hat. Eine kaputte Maschine wieder flottzumachen, ist ein schönes Erfolgserlebnis“, meint sie.

Im ersten Ausbildungsjahr geht es darum, zu verstehen, wie Baumaschinen funktionieren und wie sie aufgebaut sind. Cindy Kutschera lernt Vorschriften im Umgang mit den Geräten kennen und was etwa alles zu beachten ist, wenn eine Baumaschine auf die Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung (StVZO) umgerüstet wird. Ab dem zweiten Jahr rückt die Praxis, also das eigentliche Schrauben an den Maschinen in den Vordergrund. Dann geht es in die Tiefe, wenn die Auszubildenden unter Anleitung einen Motor auseinander- und wieder zusammenbauen müssen. „Dass wir nicht nur in der Theorie erfahren, wie die Abgasnachbehandlung funktioniert, sondern selbst so ein System einbauen müssen und somit Theorie und Praxis miteinander verbinden, ist das Schöne an der Ausbildung und dem Beruf“, meint Kutschera. Logisch, dass dabei nicht jeder Schritt sofort klar ist. „Das müssen wir natürlich alles erst lernen. Genauso, wie man vorgehen muss und worauf zu achten ist. Und wenn man nicht weiterkommt, gibt es Kollegen, die einen unterstützen. Besonders während der Corona-Zeit wurde sich sehr um uns gekümmert. Denn der geplante Blockunterricht in der Berufsschule Hürth bei Köln fiel aus. So mussten wir selbstständig lernen und Aufgaben bearbeiten, die wir per E-Mail erhielten. Aber auch hier konnte man immer Kollegen um Rat fragen“, fügt sie hinzu. Und genau diesen Zusammenhalt schätzt sie sehr. Aber was sagen die Kollegen über die Auszubildenden? Für die Zeppelin Kollegen seien die weiblichen Auszubildenden eine Bereicherung im Team. „Kolleginnen wie Cindy Kutschera tragen positiv zum Betriebsklima bei und für Männer ist es ein zusätzlicher Ansporn, wenn sie sich gegenüber einer Frau behaupten müssen“, so Christian Kielmeyer, Serviceleiter der Zeppelin Niederlassung Ulm und somit ihr Vorgesetzter.

Ihre berufliche Weiterentwicklung hat Cindy Kutschera fest Blick, die plant, die Ausbildungszeit von dreieinhalb Jahren auf drei zu verkürzen. Danach würde sie gerne ein paar Jahre praktische Erfahrung sammeln und dann ihren Meister machen wollen. Aufgrund des Fachkräftemangels stehen die Chancen gut, die berufliche Karriere weiterzuentwickeln. Das zeigt auch ein Blick auf die aktuellen Meisterzahlen. Bis Ende 2019 hatten bundesweit 421 junge Menschen die Meisterprüfung im Landmaschinenmechaniker- Handwerk abgelegt. „Das ist der höchste Wert seit 1992 und satte 14,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Es gibt in ganz Deutschland, vermutlich sogar in Europa kaum einen arbeitslosen Land- und Baumaschinenmechatroniker-Meister. Beherrschen kann er es aber nur mit qualifizierter Ausbildung. Gut ausgebildete Meister von qualifizierten Meisterschulen ziehen auch wieder gute Fachkräfte an, die unsere Branche braucht“, so Leo Thiesgen.

Als Quereisteigerin gilt Joelle Heinz. Sie kam vor eineinhalb Jahren als gelernte Industriemechanikerin zur Zeppelin Niederlassung Frankenthal und ist dort heute als Servicetechnikerin in der Motoren- und Getriebespezialisierung mit ihren Kollegen für die besonders schweren Fälle zuständig. „Der Um- oder Einstieg war nicht einfach, doch man wächst da rein. Ich musste alles neu lernen und mir aneignen. Was mir dabei unglaublich geholfen hat, war die Unterstützung der Kollegen. Ich konnte mich immer mit jeder Frage an sie wenden“, äußert sie sich über den Zusammenhalt im Team. Umgekehrt kann sie wiederum ihre Kollegen unterstützen, wenn diese Hilfe bei der Digitalisierung benötigen. Denn inzwischen schreitet bei der Reparatur und Instandsetzung die Digitalisierung immer weiter voran. Längst nicht nur reine Mechanik oder Hydraulik-Kenntnisse müssen Baumaschinenmechatroniker vorweisen können, sondern weil immer mehr Elektronik sowie Sensoren und Kabel in den Geräten verbaut sind, müssen sie sich auch damit auskennen. „Da können wir uns gut ergänzen, wenn ich dann älteren Kollegen weiterhelfen kann“, so Heinz.

In der Frankenthaler Spezialisierung für Motoren- und Getriebeinstandsetzung sind absolute Spezialisten am Werk, die nicht nur alle von Cat verbauten Komponenten in- und auswendig kennen, sondern auch die Techniken zur Überholung der Komponenten beherrschen. Um das hohe Qualitätsniveau zu sichern, halten die Techniker kontinuierlich ihr Fachwissen mittels umfangreicher Schulungen auf dem neuesten Stand. Für die Überholung der verschiedenen Komponenten können die Zeppelin Fachkräfte auf die neueste Ausstattung bei Prüfund Maschinentechnik zurückgreifen. Wird ein Motor oder ein Getriebe angeliefert, müssen die Mitarbeiter als ersten Schritt der Grundüberholung den Schadensbefund festlegen. „Jeder Motor ist individuell. Das heißt, ein bestimmter Schaden muss nicht zwangsläufig immer die gleichen Ursachen und Symptome haben, denen wir auf den Grund gehen müssen. Und das macht den Beruf unglaublich spannend und abwechslungsreich“, erklärt Joelle Heinz. Bevor das Aggregat auf Schäden und Verschleiß begutachtet werden kann, muss eine Reinigung erfolgen, um den wahren Zustand prüfen zu können. Haben die Servicemitarbeiter eine Diagnose erstellt und steht fest, was genau defekt ist, erarbeiten sie für den Kunden einen Kostenvoranschlag, auf dessen Basis das weitere Vorgehen besprochen werden kann. Erst dann wird auch Hand angelegt. Motor und Getriebe werden von den Mitarbeitern wie Joelle Heinz nach einem fest vorgegebenen Zyklus geprüft und überholt. Nach dem Zusammenbau kommt alles nochmal auf den Prüfstand, damit es einwandfrei funktioniert. „Das ist ein schönes Erfolgserlebnis, wenn alles klappt, wie geplant“, so die Servicetechnikerin, was sie motiviert. Hier geht es ihr nicht anders wie bereits ihrer Kollegin Cindy Kutschera. Aber es gibt noch weitere Parallelen: Auch der Vater von Joelle Heinz, der auf einem Schiff tätig ist, den sie oft begleiten durfte und der sie auch in die Werkstatt mitnahm, gab den Impuls, einen technischen Beruf zu erlernen. So absolvierte sie ihre dreieinhalbjährige Ausbildung zur Industriemechanikerin. „Jedem, der sich für Technik interessiert oder sich noch nicht sicher ist, ob er sich als Mechatroniker oder Mechatronikerin eignet, empfehle ich vorab erst ein Praktikum zu absolvieren. Denn da wird man feststellen, ob der Beruf zu einem passt. Aber man muss auch einfach positiv rangehen und darf sich nicht unterkriegen lassen. Ich wurde als Frau sofort in der Werkstatt akzeptiert, allerdings muss man sich hier in dem Umfeld schon auch behaupten können. Es muss jedem klar sein, dass hier viele Männer arbeiten und da muss man sich auch mal gegenüber Kollegen durchsetzen können und seine Meinung vertreten“, so Heinz.

Auch lässt sich ein gewisser Kraftaufwand nicht von der Hand weisen, der nötig ist, die schweren Baumaschinenteile zu reparieren. „Natürlich gibt es Hilfsmittel, aber es bleibt weiterhin auch körperliche Arbeit. Das ist nicht nur deswegen anstrengend, sondern weil man den ganzen Tag auch unglaublich viel stehen und laufen muss. Da kommt ganz schön was zusammen“, gibt Heinz zu bedenken. Letztlich entwickelt man auch seine Kraft weiter. „Der große Schlagschrauber hat ein stattliches Gewicht. Den konnte ich anfangs gar nicht anheben. Mittlerweile funktioniert das gut“, fügt sie hinzu. Daher hat der körperliche Einsatz auch positive Seiten. Während andere nach Feierabend ins Fitnessstudio gehen, hat sie ihr Fitnessprogramm schon tagsüber absolviert. Was Mechatronikerinnen bei ihrer Arbeit anwenden, können sie überall gebrauchen, wo es um große Fahrzeuge geht. Dass sie in ihrer Freizeit an ihrem eigenen Pkw schrauben, liegt da nahe. „Wer in diesem Beruf arbeitet, weiß, wie ein Motor funktioniert und der kann eben sein eigenes Auto reparieren“, beurteilen Joelle Heinz und Cindy Kutschera positiv ihre Fähigkeiten. Angst, sich bei der Arbeit die Finger schmutzig zu machen, haben beide nicht. Das gehört einfach bei diesem Job dazu, der sich ganz der Reparatur und Instandsetzung widmet. Dafür bietet er als Ausgleich genügend Abwechslung, die sie schätzen.

Juli/August 2020