Wer einmal der Faszination von Oldtimern erlegen ist, den lässt diese nicht mehr los. Das gilt offenbar nicht nur für Autos, sondern auch alte Baumaschinen haben eingefleischte Fans. In der „Interessengemeinschaft historische Baumaschinen e.V.“ (IghB) haben sich echte Liebhaber zusammengefunden, die betagte Baumaschinen in einem betriebsfähigen Zustand erhalten und diese bei bestimmten Anlässen der Öffentlichkeit vorführen. Damit wollen die passionierten Schrauber ein bis dato wenig beachtetes Kapitel Industriekultur für die Nachwelt bewahren. „Setzen Sie sich mal in eine solche Maschine und spüren die Kraft, die dahintersteckt“, beschreibt Stefan Materna, der Vereinsvorsitzende, enthusiastisch.
Dabei ist er eher zufällig auf die historischen Baumaschinen gestoßen. Erste Berührungspunkte ergaben sich während der Ausbildung zum technischen Zeichner bei der Johannes Fuchs KG, die zunächst landwirtschaftliche Geräte fertigte und sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Produktion von Baggern konzentrierte, bevor sie erst von Schaeff und schließlich der deutschen Terex Tochter übernommen wurde. Nach dem anschließenden Maschinenbaustudium ist der Diplomingenieur bis heute im Brückenbau tätig und hatte anfangs beruflich im Süddeutschen Eisenbahnmuseum in Heilbronn erste Kontakte zum Modellbau und historischen Gefährten. „Darüber bin ich zu Gleichgesinnten gekommen, mit denen wir einen Verein gründeten“, erinnert sich Stefan Materna, wie er der Begeisterung erlegen ist.
Heute zählt der 2003 gegründete Verein rund 140 Mitglieder aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland, mit den unterschiedlichsten Berufen und den verschiedensten Altersgruppen. Gemein ist ihnen das ehrenamtliche Engagement und die Liebe zum Schrauben am alten Eisen. Die Sammlung besteht zum Teil aus vereinseigenen Baumaschinen und zum Teil aus solchen, welche die Mitglieder integriert haben. Inzwischen umfasst die Sammlung 80 Groß- und 60 Kleingeräte – die Spannbreite reicht vom Betonmischer bis zum 40-Tonnen-Bagger. Die ältesten Maschinen der Sammlung sind ein Menck Seilbagger LK46, Baujahr 1949, und ein Phänomen Granit Lkw mit 1,5 Tonnen aus dem Jahr 1944. Die jüngsten Exemplare kommen aus den 70er-/80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Von nahezu allen großen Herstellern ist mindestens eine Maschine präsent, dazu gehören Seilbagger von Marken wie Menck, Fuchs oder Orenstein&Koppel, die schon lange nicht mehr am Markt präsent sind.
Unter dem Motto „Baumaschinen sammeln, mit denen Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde“ begann die IghB in einer kleinen gemieteten Halle im nordbadischen Waghäusel-Wiesental. Heute besitzt der Verein ein 7 500 Quadratmeter großes Gelände auf der eine 3 500 Quadratmeter große Halle steht. Hier ist echtes Teamwork angesagt, da treffen sich die begeisterten Schrauber zur Restaurierung ihrer „Schätze“, stehen sich mit Rat und Tat zur Seite und leeren nach getaner Arbeit gemeinsam das Feierabendbier.
„Dabei versteht sich die IghB nicht als klassisches Museum, sondern als historischer Bauhof“, erläutert der Vereinsvorsitzende. Nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Aspekten ist die hundertprozentige Restaurierung der Maschinen für den Verein nicht zu stemmen – die betriebsfähige Erhaltung aber sehr wohl. Diese werden auf verschiedenen Veranstaltungen wie der Nutzfahrzeugmesse NUFAM, der Tiefbau live/Recycling aktiv oder Tagen der offenen Tür vorgeführt. Die IghB selbst organisiert jährlich in einer stillgelegten Kiesgrube in Philippsburg-Huttenheim die „Historische Baustelle“, um einen Eindruck von der früheren Arbeitswelt zu geben.
Neben den Schraubern gibt es im Verein auch die „Bastler“. Denn als weiteres Standbein haben sich einige Mitglieder über den Erhalt historischer Baumaschinen auch dem Modellbau verschrieben. Anleitungen finden die Modellbauer im vereinseigenen Archiv. Als technische Unterlagen sind dort Bücher, Zeitschriften, Fotos, Prospekte, Zeichnungen, Betriebsanleitungen und Konstruktionszeichnungen von Baumaschinenherstellern hinterlegt. Diese reichen teilweise bis in die 30er-Jahre zurück und liegen zumeist in Papierform vor, werden aber bei Bedarf digitalisiert. Herzstück des Archivs sind die O&K-Fotosammlung mit mehreren tausend Fotos, das Archiv der Firma Fuchs mit Werkfotos, Ersatzteilbüchern, Vertragsunterlagen und Patentschriften sowie das vollständige Archiv der Firma Menck.
„Deutschland bezeichnet sich immer als Land der Dichter und Denker. Während die Erinnerung an die Dichter immer hochgehalten wird, fallen die Denker, wie die Ingenieure, in der Betrachtung oftmals hinten runter“, meint Stefan Materna und möchte mit dem Verein die Erinnerung bewahren.
August 2024