Baubranche und die Corona-Krise

Momentan hat das Coronavirus (COVID-19) Deutschland und die Welt fest im Griff. Welche Folgen die Corona-Krise nach derzeitigem Stand nach sich ziehen wird, kann noch keiner abschätzen. Wovon jedoch der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Marcus Nachbauer, überzeugt ist: „Wenn der gewerblichen Wirtschaft die Aufträge wegbrechen, werden die Unternehmen Investitionen zurückstellen, und es werden mit Sicherheit auch Bauinvestitionen sein. Ob die Unsicherheit sich auch auf das Investitionsverhalten der privaten Haushalte im Bereich Neubau und Sanierung auswirkt, wissen wir nicht; davon ist aber leider auszugehen. Insofern ist unsere Prognose eine Momentaufnahme, die es im Verlauf des Jahres 2020 zu verifizieren gilt.“ Die Bundesvereinigung Bauwirtschaft bewertet die Aussichten für die Geschäftsentwicklung noch optimistisch. Sie geht (Stand Mitte März) von einer Umsatzsteigerung um vier Prozent auf knapp 370 Milliarden Euro aus – auch beim Personal wird ein Anstieg um rund 18 000 Personen erwartet.

Das Coronavirus hat auch die Baubranche fest im Griff. Foto: ©ahmet – stock.adobe.com

Längst hat die Corona-Krise ihre Spuren hinterlassen: Messen wie die Internationale Handwerksmesse wurden erstmals in ihrer 72-jährigen Geschichte ganz abgesagt oder wie die IFAT aufgrund der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus auf den 7. bis 11. September 2020 verschoben. Schon alleine das zieht zahlreiche Folgen für die Aussteller, Messegesellschaften sowie Hotels und Gastronomie nach sich.

Doch auf die Wirtschaft werden noch ganz andere Herausforderungen zukommen und die Bauwirtschaft belasten. Daher appellierte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe: „Für die vielen kleineren und mittelständischen Betriebe des Baugewerbes brauchen wir gezielte Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität. Dazu sollte die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zurückgenommen werden. Außerdem brauchen wir eine Flexibilisierung der Soll-Ist-Besteuerung. Wenn die Betriebe die Umsatzsteuer erst zahlen müssen, wenn die Rechnung tatsächlich beglichen wurde, können die drohenden finanziellen Einbußen wenigstens abgemildert werden. Nicht zuletzt ist es nun erforderlich, die Kreditvergabe durch KfW und Bürgschaftsbanken zu beschleunigen und mit entsprechenden Schnellverfahren für zusätzliche Liquiditätshilfen zu sorgen.“

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) hat bereits reagiert. Regelungen zur Stundung von Beiträgen und Ratenzahlung wurden kurzfristig an die aktuelle Krisensituation angepasst. Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wurden Beschäftigte vorsorglich aufgefordert, zu Hause zu bleiben oder einer angeordneten Quarantäne zu folgen.

Aufgrund der rasenden Ausbreitung des Coronavirus in Europa wurden schon erste wirtschaftspolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht, die deutsche Wirtschaft vor möglicherweise heftigen Einschlägen zu schützen. Dabei ist noch gar nicht abzuschätzen, wie stark die Pandemie die einzelnen Bereiche treffen wird. Fest steht jedoch jetzt schon, dass einige Wirtschaftsbereiche wohl heftiger getroffen werden als andere.

So gehen Ökonomen beispielsweise von massiven Schwierigkeiten für die exportabhängigen Industriebereiche sowie den Tourismus aus. Doch was ist mit der Bauwirtschaft? Kommt sie nochmals mit einem blauen Auge davon oder wird es auch am Bau massive Turbulenzen geben? Erste richtungsweisende Antworten haben die Spezialisten für Bauwirtschaftsdaten von Bauinfoconsult. Ihre zwei Prognoseszenarien zeigen, wie heftig das Coronavirus die deutsche Baubranche treffen könnte. Vorab eine vorsichtig optimistische Nachricht: Der brachiale Einbruch der deutschen Bauwirtschaft ist noch keine ausgemachte Sache.

Prognoseszenario 1: Milde Corona-Effekte bremsen die Bauwirtschaft nur etwas ein. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Anfang März zwei verschiedene Prognoseszenarien veröffentlicht, welche Effekte die Pandemie auf die Konjunktur haben könnte – sowohl weltweit als auch bezogen auf die G20-Länder. Dabei geht das erste Szenario von einem eher „milden“ Verlauf der Corona-Krise aus: Unter der Annahme, dass die Verbreitung von SARS-CoV-2 in China ihren Höhepunkt im ersten Quartal 2020 erreicht hat und Ausbrüche in anderen wirtschaftsstarken Ländern ebenfalls zum Quartalsende einigermaßen unter Kontrolle gebracht werden, rechnet die OECD mit einem Rückgang des weltweiten Wachstums um 0,5 Prozentpunkte. Somit dürfte das Weltwirtschaftswachstum 2020 bei 2,4 Prozent liegen. In diesem Szenario erwartet die OECD, dass die deutsche Konjunktur für das Gesamtjahr 2020 noch mit einem blauen Auge davonkommen könnte: Demnach würde sich das Wirtschaftswachstum hierzulande mit einem mageren Plus von 0,3 Prozent zufriedengeben müssen – ursprünglich ging die OECD von einem Anstieg von 0,8 Prozent aus.

Ausgehend von der Korrelation zwischen BIP, Bauinvestitionen sowie Bauvolumen würde dieses magere Wachstum der heimischen Wirtschaft von 0,3 Prozent nur leichte Effekte auf die Leistung der Bauwirtschaft haben. So geht das Bauinfoconsult-Prognosemodell in diesem Szenario davon aus, dass die Bauinvestitionen 2020 um 2,1 Prozent und das Bauvolumen um 2,2 Prozent zulegen könnten. In Euro ausgedrückt bedeutet dies eine Bauinvestitionssumme von etwa 331,2 Milliarden Euro für 2020 sowie ein prognostiziertes Bauvolumen von 453,8 Milliarden Euro. Damit würden die Sonderkonjunktur am Bau enden und die Entwicklungsgeschwindigkeit wieder auf ein Normalmaß zurückgefahren werden. Allerdings scheint dieses Gesamtszenario mit milden Corona-Effekten von Tag zu Tag immer unwahrscheinlicher zu werden, da mittlerweile Europa China als Hotspot der Pandemie abgelöst hat. Die Zahl der Infizierten sowie die negativen Auswirkungen der persönlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen werden nunmehr auch hierzulande immer größer.

Prognoseszenario 2: Heftige Corona-Effekte drücken auch die Bauwirtschaft ins Minus. Da die aktuellen Entwicklungen leider darauf deuten, dass die europäischen Wirtschaften wahrscheinlich massive Schockzustände erleiden werden, dürfte wohl eher das zweite und damit ungünstigere Prognoseszenario eintreten. Hierbei geht die OECD von merklichen Angebots- und Nachfrageeinbrüchen in den fortschrittlichen Volkswirtschaften der nördlichen Hemisphäre aus: „Ein länger anhaltender, intensiverer Ausbruch des Coronavirus, der sich weiter im asiatisch-pazifischen Raum, in Europa und Nordamerika verteilt, würde die Aussichten beträchtlich verschlechtern“, warnt die OECD. Für diesen Fall prognostiziert die in Paris ansässige Organisation ein weltweites Wirtschaftswachstum von nur noch 1,5 Prozent in diesem Jahr. Allerdings würde in dieser negativen Variante Europa besonders stark in Mitleidenschaft gezogen werden und das Wirtschaftswachstum nach Einschätzungen der OECD um mindestens 0,2 Prozent sinken. Falls diese Situation eintritt, könnte das deutsche BIP mit einem Minus von 0,3 Prozent ebenfalls in eine leichte Rezession schlittern. In so einem Fall würde die Bauwirtschaft ebenfalls mit leicht negativen Ergebnissen kämpfen müssen, wie die Prognose der Düsseldorfer Bauwirtschafts-Datenspezialisten zeigt. Die Bauinvestitionen werden bei diesem Szenario um 0,4 Prozent und das Bauvolumen um 0,5 Prozent zurückgehen. Damit würden die Bauinvestitionen unter diesen Prognosevoraussetzungen 2020 bei etwa 323 Milliarden Euro und das Bauvolumen bei rund 428 Milliarden Euro liegen. Ein zentraler Grund für die leicht negative Entwicklung liegt in dem angenommenen Nachfragerückgang, der sich auch in der Bauwirtschaft breitmachen dürfte. Auf der einen Seite werden Investitionen in Bauten wahrscheinlich teilweise zurückgefahren, auf der anderen Seite nehmen die zuletzt stark gestiegenen Baupreise wieder normale Dimensionen an.

Ist damit die Bauwirtschaft immun gegen das Coronavirus? Dies ist an dieser Stelle noch nicht ganz klar, da die wirtschaftlichen Dynamiken aktuell zu schnell sind und teilweise unberechenbare Wendungen einschlagen. Jedoch hat die Bauwirtschaft – etwa im Vergleich zur Automobilindustrie – drei wichtige Trümpfe in der Hand, die vor einem länger anhaltenden Schock schützen sollten. Zum einem wird die Bauwirtschaft aus dem Ende einer Boomphase heraus mit der Corona-Krise konfrontiert. Damit hat der deutsche Bau ein solides Polster – sowohl an Umsätzen als auch an Auftragsreserven. Dies sollte einen kompensierenden Effekt haben. Zum anderen ist die heimische Baubranche nicht ganz so stark exportfixiert – auch industrieseitig ist Deutschland einer der Hauptabsatzmärkte. Somit führt eine zurückgehende Nachfrage aus dem Ausland nicht sofort zu größeren Problemen hierzulande – zumindest nicht kurzfristig. Darüber hinaus ist der Neubaumarkt ein Investitionsmarkt, in dem eher langfristige Überlegungen die Hauptrolle spielen. Damit ist dieser Markt nicht ganz so schnell zu verunsichern wie beispielsweise klassische kurzfristige Konsummärkte.

März/April 2020