Einst wurden im Gewerbepark Naunhof in der Gemeinde Ebersbach, zwischen Radeburg und Meißen, 2 000 Schweine und 400 Rinder pro Tag auf die Schlachtbank geführt: in Europas größtem Schlachthaus. 14 Jahre stand die Immobilie vor den Toren Dresdens leer. Seit diesem Jahr hat sie der kanadische Maricann-Konzern übernommen. Doch statt Fleisch und Wurst werden nun Hanfblüten und deren Öl extrahiert und destilliert. So ging bereits eine Trockungs- und Verarbeitungsanlage für Cannabisprodukte in Betrieb. Zwischen August und Oktober herrschte Hochsaison, als die erste Ernte eingefahren wurde. Noch nie zuvor wurden in Deutschland Cannabispflanzen mit dem Wirkstoff Cannabidiol (CBD) für die Weiterverarbeitung zu Nahrungsergänzungsmitteln geerntet – und das völlig legal.
Täglich werden 48 Tonnen Hanfblüten verwertet. Ihr Wirkstoff Cannabidiol (CBD) verspricht medizinisch gesehen, entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend zu sein sowie Übelkeit zu bekämpfen. Von Maricanns europäischer Tochtergesellschaft Mariplant werden daraus Gelkapseln zur Nahrungsergänzung, die hierzulande frei verkäuflich vertrieben werden, um etwa Schlafstörungen oder Angstzustände zu lindern. In Zukunft sollen auch von den Hanfpflanzen die Stiele genutzt werden, um daraus Fasern zu gewinnen – etwa für Seile oder Bauteile, wie sie im BMW i3 verbaut sind.
Über drei bis vier Meter hoch ragten in Limmritz, Gadewitz, Saalbach und zwischen Hof und Reitzen die Cannabispflanzen auf einem 165 Hektar großen Acker nach oben, der es mit 231 Fußballfeldern aufnehmen kann. Auch wenn von ihnen ein intensiver Duft ausging: Die Pflanzen entfalteten keine berauschende Wirkung – dazu war ihr THC-Gehalt viel zu niedrig, stellt Josef Späth, Prokurist von Maricann, dar. Ihr Wirkstoff machte gerade einmal 0,2 Prozent aus. Höher darf der Anteil auch laut Gesetz gar nicht ausfallen – sonst käme das einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz gleich. Daher waren die Ackerflächen auch nicht besonders gesichert. „Wer an den Feldern vorbeikam, rieb sich angesichts der Hanfblüten schon erst einmal verwundert die Augen“, so der Prokurist von Maricann. Dessen Tochtergesellschaft Mariplant tat sich beim Anbau der Cannabispflanzen mit dem Vertragslandwirt Heinz Schönleber zusammen, der fünf verschiedene und von der EU-genehmigte Sorten auf Lößboden anbaute. Nicht alle davon waren gleich ergiebig. Mariplant will darum in Zukunft an der Entwicklung neuer Sorten forschen und im nächsten Jahr die Anbaufläche auf tausend Hektar ausbauen.
Auch die Ernte verlangt nach anderer Technik. Um die Hanfblüten erstmalig ernten zu können, entwickelte Mariplant zusammen mit dem Lohnunternehmen Teichmann den Prototypen einer Erntemaschine auf Basis eines Fendt Maishäckslers. „Weil die Pflanzen sehr faserig sind, mussten wir erst an der passenden Technik feilen, um einen möglichst hohen Ertrag von industriellem Hanf generieren zu können, denn die Blüte soll so schonend wie möglich geerntet und nicht beschädigt werden. Derzeit sind wir hier in der Findungsphase, um unsere Produktion so wirtschaftlich wie möglich auszurichten. Noch ist alles Neuland. Wir müssen alles selbst entwickeln. So eine Ernte und Weiterverarbeitung im industriellen Stil gibt es sonst nirgends“, macht Josef Späth deutlich. Reihe für Reihe fuhr der Häcksler ab, trennte die Blüte vom Stängel und schnitt diesen unten ab. Mit einem für Lebensmitteltransporte passenden Lkw wurden die Blüten nach Ebersbach gebracht. Dort nahm sie ein Cat Radlader 908M in Empfang. Dieser beschickt eine eigens für Maricann entwickelte Inline-Trocknungsanlage, die schonend die Trocknung übernimmt, um die Zellstruktur nicht zu zerstören. Diese ist in der Lage, bis zu 50 000 Kilo nasse Hanfblüten am Tag oder drei Tonnen pro Stunde zu trocknen. Sie trennt dann Blüte, Samen und Schnittreste, um ein trockenes Hanfmehl herzustellen. Dieses ist dann für die Extraktion bereit. Heraus kommt eine Art Harz, das in Edelstahltanks gelagert wird. Es wird zu Öl destilliert.
Noch konzentriert sich Maricann in Deutschland auf den Anbau und die Weiterverarbeitung von Hanf für Nahrungsergänzungsmittel. Doch es gibt konkrete Pläne, den Anbau auf Pflanzen auszudehnen, die Cannabis mit dem Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, der für medizinische Zwecke eingesetzt werden darf. Grundvoraussetzung: Maricann gewinnt ein Los der Ausschreibung für den Anbau und die Verarbeitung von Cannabis durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Ausschreibung sieht 13 Lose zu je 200 Kilogramm Jahresmenge in einem Zeitraum von vier Jahren vor. Es ist bereits die zweite Ausschreibung– die erste wurde aufgrund eines Beschlusses des OLG Düsseldorf aufgehoben. Der Grund: Ein Unternehmen hatte geklagt aufgrund der seiner Auffassung nach zu kurzer Frist, Bewerbungsunterlagen abgeben zu können. 118 Bieter beziehungsweise Bietergemeinschaften hatten ein Angebot abgegeben. „Wir waren unter den ersten zehn und hoffen, nun wieder zum Zug zu kommen“, so Späth. Dann wäre nicht nur der Anbau und die Ernte, sondern auch die Weiterverarbeitung und Lieferung von Cannabis in medizinischer Qualität in Deutschland möglich, mit dem Apotheken Patienten gegen Rezept beliefern könnten.
Maricann baut bereits in Kanada Cannabis für medizinische Zwecke in einer ehemaligen Tabakfabrik südlich von Toronto an und stellt 25 000 Kilo davon am Tag her – das Unternehmen hat dort die Lizenz für 108 medizinische Produkte und hofft, auch in Deutschland die Produktion übernehmen zu können. Das bedeutet aber auch, dass alle betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Vorgaben erfüllt werden müssen. Um die entsprechenden Vorkehrungen kümmert sich Josef Späth im Auftrag von Maricann in Deutschland – er soll Naunhof zum deutschen Cannabis-Zentrum entwickeln.
So musste er eine passende Immobilie auftreiben, die er in Europas größtem Schlachthaus fand. Sie erwies sich dank ihrer 80 Kühl- und Schlachträume, Lagerflächen und Büros, Keller und weiten Fluren als ideal. Die Räume sind nicht nur isoliert, sondern Platz ist angesichts der 100 000 Quadratmeter Fläche mehr als genug vorhanden. Der Indoor-Hanf- Anbau samt Setzlingen der Mutterpflanzen und deren Klone erfordert getrennte Räumlichkeiten, die klimatisiert werden können. Es muss zwölf Stunden Dunkelheit und zwölf Stunden Helligkeit herrschen, um das Wachstum der Pflanzen zu fördern. „Wir rechnen mit fünf bis sechs Ernten pro Jahr, was die Pflanzen mit THC-Anteil betrifft“, so Späth. Ganz ohne Anpassungen an die Produktionsbedingungen kam er dennoch nicht aus. Denn die Produktion muss auch komplett hermetisch abgesichert werden können. Ein großer Tresor wurde vorsorglich installiert. Der einstige Schlachthof muss zu einem Hochsicherheitstrakt werden, für den das Vier-Augen-Prinzip gilt. „Niemand darf allein arbeiten, obwohl es hier Videoüberwachung und eine Direktschaltung zur Polizei gibt“, so Späth.
Bis 2020 sollen in Naunhof rund 25 Millionen Euro investiert werden. Das betrifft den Aufbau von Pflanz- und Weiterverarbeitungsanlagen für Cannabispflanzen mit dem Wirkstoff (CBD). Für sie musste nicht nur eine Erntemaschine angeschafft werden, sondern auch ein Radlader war nötig.
Der Weg für das Beschickungsgerät führte Josef Späth erst über Straubing nach Dresden: Kontakte bestanden zwischen Josef Späth und Zeppelin Niederlassungsleiter Franz Bösl aufgrund eines Auslandsprojekts in Mauretanien. Erst standen Überlegungen im Raum, einen Teleskoplader anzuschaffen. Doch Bösl empfahl Späth einen Cat Radlader 908M zum Beschicken der Trocknungsanlage mit Hanfblüten. Ausgerüstet wurde die Baumaschine mit Hochkippschaufel. „Die Anlage muss dosiert beschickt werden können“, so Späth. Geliefert hat das Gerät Olaf Kosbi von der Zeppelin Niederlassung Dresden. „Wichtig ist ein kurzer Weg für den Service, damit dem Kunden schnell geholfen werden kann“, macht Bösl deutlich. Denn wenn die Hanfernte eingebracht werden muss, herrscht Hochbetrieb mit bis zu drei Arbeitsschichten.
November/Dezember 2018