Nach der Welle ist vor der Welle

Müssen wir nun einen Lockdown nach dem anderen ausharren, bis ein Impfstoff da ist? Die Corona-Infektionszahlen und die wichtige Sieben-Tage-Inzidenz bewegen sich auf einem beängstigend hohen Niveau. Dass dieser Trend angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens gestoppt werden muss, wird niemand bestreiten. Doch sind es die richtigen Maßnahmen, die Angela Merkel und die Länderchefs mit ihrem Lockdown light eingeleitet haben? Der Ausgang der Pandemie ist ungewiss. Noch treffen die aktuellen Restriktionen die Baubranche deutlich weniger als etwa die Gastronomie oder den Kulturbetrieb. Denn die Baufirmen dürfen wie in diesem Frühjahr auf den Baustellen weiterarbeiten. Allerdings müssen sie wie alle anderen Unternehmen auch damit rechnen, dass sich die ohnehin schon fragile Lage jederzeit zuspitzen kann.

SARS-Coronavirus. Foto: Tobias Hoffmann, Robert Koch-Institut (RKI), 2020.

Mit den beschlossenen Maßnahmen hat die Bundesregierung noch nicht alle Möglichkeiten ausgereizt, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Eine Verlängerung des Lockdowns bis weit über den Dezember hinaus ist denkbar, sofern die Infektionszahlen nicht entscheidend zurückgehen und die Kontaktnachverfolgung schwierig bleibt. Denn so schnell wird das Virus nicht automatisch wieder verschwunden sein. Doch welchen Plan hat unser Staat, wie er aus der Pandemie herauskommen will? Sollen wir bis Weihnachten durchhalten, damit wir Heiligabend feiern und uns dann wieder anstecken können? Dann hätten wir rein gar nichts vom Umgang nach dem letzten Lockdown gelernt, als diesen Sommer nach dem Urlaub Reiserückkehrer das Virus unkontrolliert erneut verbreitet haben, weil sie erst nicht getestet wurden und in Quarantäne mussten. Absehbar wäre dann nach Weihnachten die nächste Welle, der ein Lockdown im Halbjahresrhythmus folgen würde. Und das Spiel von Hammer und Tanz, wie Virologen die drastischen Maßnahmen und schrittweisen Lockerungen nennen, würde von Neuem beginnen.

Wie ein Bauunternehmen unter diesen Vorzeichen das nächste Geschäftsjahr planen soll und welche Investitionen in die Zukunft getätigt werden, um die Weichen für die nächsten Jahre zu stellen, mag noch nie so schwierig gewesen sein wie aktuell. Umso mehr kommt es darauf an, ob es dem Staat gelingt, die Wirtschaft am Laufen zu halten und gleichzeitig keine Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Drohen noch schärfere Sanktionen als bisher, wird der wirtschaftliche Schaden deutlich größer sein als bislang angenommen.

Auf Messers Schneide steht für Bauunternehmen in den nächsten Wochen, ob die Arbeitsfähigkeit der Bauverwaltungen aufrechterhalten werden kann. Nur wenn Baugenehmigungen erteilt werden, kann auch gebaut werden. Bürokratielasten setzen den Betrieben schon unter normalen Umständen gehörig zu. Doch wenn die Bauverwaltungen in Quarantäne und im Homeoffice sind und dort auf keine entsprechende Ausrüstung von Laptops oder PCs zugreifen können, um Bauanträge zu bearbeiten, sieht es düster aus. Das gilt genauso für die Rechnungsstellung. Wenn wochenlang die Zahlungen ausbleiben, weil erbrachte Leistungen nicht bestätigt und angewiesen werden, wird es für den einen oder anderen ans Eingemachte gehen, der keine Rücklagen mehr hat. Dann droht eine Pleitewelle. Da das Insolvenzrecht gelockert wurde, könnte es ohnehin schon einige Betriebe geben, die längst nicht mehr zahlungsfähig sind. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer mahnte daher bereits zielgerichtete Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalbasis an, um die Krisenfestigkeit zu erhöhen. Jetzt rächt sich das Fehlen einer flächendeckenden und leistungsfähigen digitalen Infrastruktur und der stockende Ausbau der Digitalisierungskompetenzen in der Verwaltung. Wie auch immer: Noch ist die Bauindustrie bislang gut durch die Krise gekommen. Wollen wir hoffen, dass es auch weiterhin so bleibt.

November/Dezember 2020