Preisspirale schraubt sich nach oben

Die Corona-Krise geht auch am Baumarkt nicht spurlos vorüber. Das Bauen wird teurer – die Preise ziehen an – und zwar über alle Sparten hinweg, vom Straßenbau über den Wohnungsbau bis hin zum Ingenieurbau. Dafür ist nicht die Corona-Krise allein verantwortlich. Auch Personal- und Materialkosten spielen dabei eine Rolle. Hinzu kommen zunehmende Energiekosten, die CO₂-Besteuerung und eine erhebliche Steigerung der Entsorgungskosten. Das wird sich laut Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg auch bald auf die Endverbraucher in Form von Mehrkosten auswirken, glauben Bauunternehmer. „Leider haben unsere Betriebe keinen Einfluss auf diese Kosten, die sie auf Dauer nicht selber tragen können“, beschreibt der Geschäftsführer der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg Thomas Möller die prekäre Lage. Die Hälfte der Mitgliedsbetriebe hätten diese Mehrkosten bislang nicht weitergegeben und die Verkaufspreise in etwa stabil gehalten. Doch sie kündigen an, dass sie gezwungen seien, die Preissteigerungen künftig auch an ihre Auftraggeber weiterzuberechnen. Eine Entwicklung, die nicht nur Süddeutschland betrifft, sondern die sich auf nahezu alle Baumaterialen niederschlägt, die bundesweit hergestellt werden. Eine weitere Tendenz: Baumaterial wird knapp und Lieferengpässe drohen. Das könnte laut Branchenexperten zu Baustopps führen.

Das Preisniveau für Bauleistungen ist seit 2010 insgesamt angestiegen. Die Preise für den Bau von Gebäuden haben in diesem Zeitraum um rund 2,74 Prozent pro Jahr zugenommen, zuletzt sogar um rund 3,31 Prozent pro Jahr. Ähnlich schaut es im Straßenbau aus. Auch hier lag die Teuerungsrate bei rund drei Prozent pro Jahr in den vergangenen zehn Jahren. Beim Brückenbau lag der Aufwärtstrend ebenso zwischen 2,83 und 3,75 Prozent pro Jahr. Das hat die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen (BVMB) anhand von Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes ermittelt. Preissteigerungen in nicht unerheblichem Umfang gab es auch im Bereich von Ingenieurdienstleistungen (im Schnitt plus 3,92 Prozent pro Jahr), bei Straßentransporten (plus 1,36 Prozent pro Jahr) oder den Schienentransporten (plus 1,9 Prozent pro Jahr).

Nicht ganz unschuldig an den gestiegenen Preisen, wenn sie auch nur einen geringen Anteil an den Gesamtpreisen einer Bauleistung ausmachen, sind die Energiekosten. Einige für die Bauwirtschaft wichtige Zulieferindustrien, wie etwa die Zementindustrie, seien sehr energieintensiv, lauten die Argumente. Hinzu kommt die politische Entscheidung, die CO₂-Besteuerung auf fossile Brennstoffe zu erheben, die den Baupreis weiter nach oben treibt.

Immer größere Probleme bereitet die Entsorgung. Durch die verstärkte Bauaktivität der vergangenen Jahre sind laut Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer bei der BVMB, erhebliche Mehrmengen an Bauund Abbruchabfällen in Deutschland angefallen. Gleichzeitig sei die Anzahl an verfügbaren Deponien in Deutschland rückläufig. Neben dieser zunehmenden Deponieknappheit verschärfe sich die Problematik durch die aktuell neue Mantelverordnung. Um dieses Kostenrisiko für die Bauwirtschaft und für die Bauherren einzudämmen, fordert die Branche, die Recyclingquote für Baustoffe deutlich zu erhöhen und Deponiekapazitäten signifikant auszubauen.

Doch eine steigende Preisspirale bedeutet nicht zwangsläufig sprudelnde Geldquellen für die Betriebe. „Es ist nicht etwa so, dass sich die Bauunternehmen mehr und mehr die eigenen Taschen vollstopfen würden“, so Michael Gilka. Ihm pflichtet auch Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer von Die Bauwirtschaft im Norden, bei, dass Bauunternehmen bei der Preisentwicklung nicht einfach eine Schippe drauflegen und damit hohe Gewinne einfahren. „Der Baumarkt funktioniert anders. Unsere Baubetriebe unterliegen einem Wettbewerb und gerade bei öffentlichen Ausschreibungen wird das billigste Angebot, das letztendlich nicht das wirtschaftlichste sein muss, vorgezogen“, erklärt er.

Die Umsatzrendite der Bauwirtschaft liege seit zehn Jahren stabil bei rund sechs Prozent. Schuld an den gestiegenen Baupreisen sei vielmehr die Kostenseite. „Diese Preissteigerungen resultieren allerdings nicht aus einer Gewinnmaximierung der Unternehmen“, betont Gilka. Vielmehr bewegt sich die Umsatzrendite vor Steuern und damit der Gewinn der Bauwirtschaft seit Jahren auf einem stabilen Niveau. Die Umsatzrendite liege nach Berechnungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands in der Bauwirtschaft zwischen 2011 und 2018 stabil zwischen 4,9 und 6,6 Prozent. In den vergangenen beiden Jahren habe der Wert zwischen 6,2 und 6,6 Prozent gelegen. „Nach Jahren der Baukrise waren die Betriebe nach dem Bauboom nicht mehr gezwungen, offensichtlich schwache Aufträge anzunehmen und damit erhöhte Risiken einzugehen. Einige Bauunternehmen sehen sich derzeit wieder gezwungen, Angebote so niedrig zu kalkulieren, dass kein Gewinn, aber eine Kostendeckung erwirtschaftet wird“, behauptet Georg Schareck. Daher sein Appell an die Politik, die öffentlichen Aufträge wie ehemals geplant zu verstetigen, Verzögerungen zu verhindern und die Aufträge im Land zu lassen. Die größten Preistreiber am Bau sind laut BVMB die Personal- und Materialkosten. Erstere sind zwischen 2010 und 2019 um durchschnittlich 2,77 Prozent pro Jahr gestiegen, seit 2015 sogar um jährlich knapp drei Prozent. „Eine zusätzliche Dynamik hat hier der Tarifabschluss Bau 2018 entfaltet, wonach das Einkommen der betroffenen Arbeitnehmer um mehr als 8,6 Prozent inklusive Einmalzahlungen angestiegen ist“, erklärt Gilka weiter. Auch die Kosten für den Materialverbrauch treiben laut BVMB den Baupreis nach oben. Frischbeton beispielsweise werde seit 2010 um mehr als zwei Prozent pro Jahr teurer, seit 2015 sogar im Schnitt um rund 3,4 Prozent. Die Kosten für Kies und Sand stiegen in den vergangenen fünf Jahren um jeweils mehr als vier Prozent. Ähnlich liege die Kostenentwicklung beim Baustoff Holz. Auch hier zeichnen sich Lieferengpässe ab aufgrund verstärkter Importe durch die USA und China. Außerdem ging die Stahlnachfrage in den letzten Monaten weltweit sprunghaft nach oben. Die Preise für aus Erdöl verarbeitete Baustoffe wie Bitumen und bestimmte Dämmmaterialien haben aufgrund der global steigenden Erdölnachfrage ebenfalls kräftig zugelegt. Die Welle von Materialpreiserhöhungen treffe nicht nur Neubauprojekte, sondern auch Sanierungsmaßnahmen. Allein die Preise für Dämmstoffe wie EPS – Basis für die Wärmedämmung an Fassaden – stiegen im April um rund 50 Prozent und die Preise für Trockenbauprofile gingen durch die Decke. Märkte wie die Wärmedämmung und der Innenausbau, welche die Branche in der Krise bisher stabilisiert haben, könnten abgewürgt werden, befürchtet der Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz. Bei der Wärmedämmung drohe ein herber Rückschlag für die Energiewende im Bau, mit entsprechenden Folgen für die Klimaziele. „Diese heftigen Preiserhöhungen treffen das Handwerk völlig unerwartet. Unsere Betriebe können das nicht abpuffern, in den Verträgen mit den Kunden ist dafür kein Spielraum“, sagt das für Technik und Märkte zuständige Vorstandsmitglied des Bundesverbandes, Dietmar Ahle. Die Preiserhöhungen treffen die Branche in einer Phase, in der die Kapitaldecke bei Bauherren ebenso wie bei den Handwerksbetrieben ohnehin dünner werde. Die befürchtete Konsequenz: Stillstand auf den Baustellen und eine Pleitewelle bei den Betrieben. Das Handwerk glaubt, dass die Preise auch nach der Krise nicht mehr auf den alten Stand zurückfallen werden. Die Bauherren müssen sich also auf langfristig deutlich höhere Baukosten einstellen.

Angespannt ist auch die Situation auf dem Weltmarkt für Rohstoffe der Bauchemie, denn vielfältige Ursachen sorgten für eine Verknappung der Grundstoffe. So schränken Störungen in Lieferketten den Warenverkehr ein, etwa durch Probleme im Transportsektor, überfüllte Häfen und schwer verfügbare Seecontainer. Große Chemieunternehmen, die Grundstoffe herstellen, haben ihre Lieferunfähigkeit nach Force majeure (höhere Gewalt) erklärt, was wiederum die Verfügbarkeit reduziert. Für zusätzliche Engpässe sorgte der Stau im Suezkanal. „Schon die Corona-Krise hat für Verwerfungen im maritimen Handel gesorgt und die Preise für den Container-Transport explodieren lassen. Die Schiffshavarie im Suezkanal und ihre Nachwirkungen kommen nun noch als zusätzliche Belastung hinzu. Das treibt tendenziell die Preise für den Seehandel nach oben, was sich früher oder später auch in den Produktpreisen niederschlagen dürfte“, skizziert Vincent Stamer, Experte für maritimen Handel am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die Situation. Er hat Daten zur Bedeutung des Suezkanals für die Weltwirtschaft und insbesondere Deutschland ausgewertet. Dabei kommt er zu dem Schluss: Die Transportkosten von Asien nach Europa seien zum Jahreswechsel 2020/21 explodiert. Es sei jetzt fast fünfmal so teuer, einen Container von Ostasien nach Europa zu transportieren wie vor einem Jahr. Auch der konjunkturelle Aufschwung und die erhöhte Nachfrage in China verstärken die Rohstoffknappheit.

Laut dem Verband Deutsche Bauchemie wirken sich die dramatischen Produktionsengpässe auf den kompletten Produktionsprozess aus. Betroffen seien Verzögerungen und Ausfälle beim Rohstoffeinkauf auf den internationalen Märkten bis hin zu Engpässen bei Verpackungsmaterialien und Paletten, die Preissteigerungen nach sich ziehen. Eine Entwicklung, die Hubert Weimann, Silikal-Geschäftsführer bestätigt: „Auch wir spüren die starke Verknappung und die Preissteigerungen in fast allen Bereichen – von einfachen Holzpaletten über Kartonagen bis hin zu Rohstoffen für unsere Produktion.“ Um Kunden den gewohnten Service zu bieten, empfiehlt er, rechtzeitig zu ordern. „Außerdem können wir bei einigen Bestellungen auf Produkte wechseln, die genauso einsetzbar sind und gleiche Eigenschaften haben“, meint Hubert Weimann. Den gleichen Weg geht auch der Baustoffhersteller Korodur bei Epoxidharzen, die genauso von Lieferengpässen betroffen sind. Denn in den meisten Fällen lassen sich Epoxidharze einfach substituieren. „Gerade Instandsetzungen in beziehungsweise an Bauwerken aller Art sowie Industrieböden lassen sich mit Mörteln auf mineralischer Basis sowohl deutlich kostengünstiger als auch zeitsparend und weniger belastend für Mensch und Umwelt realisieren“, meint Nikola Heckmann, Geschäftsführerin des Baustoffherstellers Korodur in Amberg.

Lieferschwierigkeiten und somit Bauverzögerungen entstanden auch durch coronabedingte Grenzschließungen. Umso wichtiger ist es, die Lieferketten vor allem aus den benachbarten Grenzregionen wie Frankreich, den Niederlanden oder Italien insbesondere in Corona-Zeiten aufrechtzuerhalten. „Im Zusammenhang mit der weltweiten Ausbreitung der Pandemie wurden im ersten Halbjahr 2020 infolge des Nachfrageeinbruchs weltweit Produktionskapazitäten heruntergefahren. Insbesondere mit dem Anspringen der Konjunktur in China im dritten Quartal 2020 wuchs die Nachfrage schneller, als weltweit die Produktionskapazitäten wieder hochgefahren werden konnten. Das Anfahren der Produktionskapazitäten im vierten Quartal wurde zudem durch den Wintereinbruch in den USA erschwert“, weist Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, hin. Jedoch führt er hauptsächlich die Preisentwicklung der stark regional produzierten und verbrauchten mineralischen Baustoffe auf die starke Baukonjunktur zurück. Vor diesem Hintergrund fordert er auch in Deutschland wieder vermehrt Kies, Sand und Gips abzubauen. „Es kann nicht sein, dass wir von importierten Baustoffen abhängig sind, wenn wir über große Mengen mineralischer Baustoffe im eigenen Land verfügen. Darüber hinaus muss das Recycling von mineralischen Baustoffen mehr Fahrt aufnehmen. Hier kommt der öffentlichen Hand als großem Auftraggeber eine wichtige Vorbildfunktion zu. Als Folge wären wir dann in Deutschland ganz gut aufgestellt.“ Doch das wird der weltweiten Rohstoffverknappung derzeit kein Ende bereiten. Auch europäische Fachleute gehen davon aus, dass die angespannte Lage sich nicht
kurzfristig verbessern wird.

Mai/Juni 2021