Wie kommt ein knapp hundert Tonnen schwerer Cat Radlader 992K zu seinem Einsatz in 750 Metern Tiefe? Nicht im Ganzen oder auf direktem Weg, sondern fein filetiert trat die Baumaschine ihre Reise in die Unterwelt an: dort, wo K+S Rohsalz im Kalibergwerk Werra am Standort Hattorf in Philippsthal etwa zur Düngemittelproduktion gewinnt. Die Dimensionen des Radladers – 15 Meter Länge, 5,30 Meter Breite und 5,00 Meter Fahrzeughöhe – erforderten erst seine komplette Demontage durch den Lieferanten, die Zeppelin Niederlassung Kassel. Dann konnten alle Teile des Laders über den Materialschacht unter Tage gebracht werden. Großbauteile, wie der Fahrzeugrahmen, der Dieselmotor oder die Kühlereinheit, konnten im Ganzen transportiert werden. Lediglich die Schaufel musste aufgrund ihrer Größe in zwei Teilen angeliefert werden – sie wird vor Ort verschweißt. Nach der „Hochzeit“, bei der sich Vorder- und Hinterwagen vereinigte, stand nun die Feuertaufe in Form des ersten Motorstarts bevor. Der vollständige Probelauf ist in wenigen Wochen anvisiert.
In bis zu 1 100 Metern Tiefe lagert das Salz, das K+S im Werk Werra fördert – zum Verbund zählen neben Hattorf die Standorte Wintershall, Unterbreizbach und Merkers, die rund 25 Millionen Tonnen Rohsalz im Schnitt jährlich fördern. Fertigprodukte werden in Höhe von rund 3,2 Millionen Tonnen pro Jahr hergestellt. Die Flächenausdehnung der Grube hat inzwischen die Ausmaße einer Stadt wie München angenommen, heißt es seitensdes Unternehmens. 160 Kilometer lange Bandanlagen befördern den Rohstoff, der sieben Tage die Woche verarbeitet wird. Der Abbau erfolgt von Montagfrüh bis Samstagmittag. Die Produktion läuft im Dauer-Betrieb rund um die Uhr. Um das Zeitfenster Samstagmittag bis Montagfrüh abzudecken, wird die Fabrik aus dem Bunker versorgt. Aufgabe des neuen Radladers ist es, über 11 000 Tonnen Rohsalz pro Schicht zu fördern und der Produktion für die Weiterverarbeitung zuzuführen. Seine Tagesleistung liegt bei 33 000 Tonnen. Agieren muss die Baumaschine im Flachbunker Hattorf, dessen vier Bunkerkammern eine Lagerkapazität von rund 100 000 Tonnen Rohsalz aufweisen. Da die Verbindungsstrecken zwischen den Bunkerkammern nur knapp über fünf Meter hoch sind, waren Umbauten am neuen Cat 992K daher für den Einsatz unter Tage unausweichlich. Sie wurden im Vorfeld bis ins kleinste Detail geplant von Zeppelin Niederlassungsleiter Frank Neumann, Verkäufer Daniel Siegfried und Serviceleiter Reiner Friedrich sowie dem Leiter Maschinentechnik mobil, Peter Budesheim. Er leitete seitens K+S das Projekt „Beschaffung Bunkerlader“. In der Werkstatt der Zeppelin Niederlassung Kassel wurde der Radlader entsprechend für den Betrieb angepasst. Denn was die Maschinentechnik anbelangt, müssen unter Tage besondere Vorkehrungen getroffen werden.
Betankt werden soll dieser via Hochdruck, wie es in der Formel 1 üblich ist. 1 300 Liter Diesel können in zehn Minuten aufgefüllt werden. Weil die Gewinnung von Rohsalz unter Tage erfolgt, müssen Emissionen so gering wie möglich ausfallen. Denn dort ist frische Luft nicht selbstverständlich, auch wenn Belüftungsanlagen und sogenannte Wettertüren dafür sorgen, die „Wetter“, also die Luft zu leiten. „Wir haben hier unten eine gute Bewetterung. Der neueste Zwölfzylinder-Motor auf Basis von Stufe IV, die kein anderer Baumaschinenhersteller bei Maschinen dieser Größe bieten kann, trägt ihr übriges zu niedrigen Abgas-Emissionen bei“, so Peter Budesheim. Seit 32 Jahren ist er bei K+S beschäftigt und als Leiter Maschinentechnik mobil verantwortlich für 1 100 mobile Geräte, so auch für den Radlader der Cat Baureihe 992. Für sie alle gilt das Minimierungsgebot: „Das heißt“, erklärt er, „wir investieren in die beste Technik, die der Markt zu bieten hat.“
Um die Staubbelastung in der Kabine fernzuhalten, erhielt die neue Baumaschine eine Schutzbelüftung, wie sie analog beim Panzer Leopard II eingesetzt wird. Diese sorgt für einen Überdruck in der Kabine und verhindert so das Eindringen von feinem Salzstaub. Angenehmes Raumklima in der Kabine garantiert eine Klimaanlage – ohne sie käme der Fahrer ganz schön ins Schwitzen. Denn in der Tiefe herrschen Temperaturen von rund 30 Grad Celsius. „Die Arbeiten sind anstrengend aufgrund schlechter Sichtverhältnisse durch die hohe Staubentwicklung. Der Fahrer muss sich konzentrieren und regelmäßig Pausen einlegen“, führt Peter Budesheim aus. Er wechselt sich mit einem zweiten Fahrer innerhalb einer Schicht immer wieder ab. Damit die Maschine besser vor feinem Salzstaub geschützt wird, der insbesondere dem Motor schadet, wurde der Luftfilter umgebaut auf einen Rundluftfilter mit Turboabscheider. So soll dessen Standzeit erhöht werden. Durch schnelldrehende Ventilatoren wird der grobe Salzstaub ausgeworfen, bevor er in den Luftfilter gelangt. Trotzdem muss dieser während einer Schicht gewechselt werden – die Staubkonzentration ist einfach zu hoch. Als große Herausforderung gestaltete sich, die Kabine samt deren Schutzdach auf 4,95 Meter einzukürzen – die Bauhöhe des Radladers darf aufgrund der Deckenhöhe die Fünf-Metermarke nicht überschreiten. Besonders knifflig dabei: die Elektronik wieder zu verkabeln. „Ein Umbau wie dieser ist kein Routineeingriff. Doch nach ihrem Zusammenbau sieht die Kabine so aus, als ob sie genauso hergestellt worden wäre“, so Frank Neumann.
In der Niederlassung Kassel wurde die ganze Maschine nach dem Umbau zerlegt, kommissioniert und für den Transport auf Tieflader verpackt. Schließlich muss jede Schraube später wieder an ihren ursprünglichen Platz. Akribisch wurde die Logistikkette für 20 Großbauteile mit mehr als drei Tonnen vorbereitet. Das schwerste Bauteil wog 16 Tonnen. Die kleineren Bauteile wurden auf mehr als 50 Paletten angeliefert. Sämtliche Großbauteile wurden über eine Schwerlastwinde mit 18,1 Tonnen Nutzlast über den Materialschacht eingehängt. Sein Durchmesser beträgt 4,50 Meter. Keines der Bauteile darf pendeln oder gegen die Schachtwand schlagen, wenn es nach unten befördert wird. Alles, was schwerer ist, als 3,5 Tonnen, wird per langsamen Zug innerhalb von 45 Minuten nach unten bewegt. Im Doppelpack konnten beispielsweise die mit Stickstoff gefüllten Reifen mit 2,8 Tonnen Einzelgewicht abgelassen werden. Motor, Getriebe und Kühler wurden in einem Stück nach unten gehievt. Fahrlader brachten dann die Bauteile zum Bunker, in dem die Montage erfolgte.
Ein Mobilkran wurde dafür hinzugezogen. Den Zusammenbau leitete Zeppelin mit Unterstützung durch das Team von K+S, was den Vorteil hat, dass sich die Mitarbeiter dabei Wissen rund um die Maschine für den späteren Betrieb und die Instandhaltung aneignen können. Norbert Jakob, Richtmeister und Zeppelin Außendienstmonteur, sowie Dennis Löwen, Zeppelin Servicetechniker, arbeiteten Seite an Seite mit Rainer Fuchs, der seitens K+S die Maschinenaufsicht innehatte. Seine Kollegen, Alexander Heinz und Florian Kauer, beide Schlosser, begleiteten den Aufbau. „Aufgrund des Supports durch den Service ist es uns nicht schwer gefallen, uns für Cat zu entscheiden. Zeppelin muss schnelle Reaktionszeiten – auch am Wochenende – sicherstellen“, argumentiert Peter Budesheim. Eine weitere Forderung seitens K+S: sicheres Arbeiten. Das Unternehmen hat sich die Strategie Vision Zero auferlegt, um Arbeitsunfälle zu vermeiden. Der Ab- und Aufbau des Radladers erfolgte bislang unfallfrei. Besonders hatte es das Aufsetzen und genaue Ausrichten der schweren Bauteile in sich. Schließlich mussten sie so exakt ausgerichtet werden, dass Gelenkbolzen eingesetzt werden können – und das ohne Montagebedingungen, wie sie in einer Fabrik herrschen. Entsprechend gespannt wurde dann der Moment erwartet, als erstmals der Zündschlüssel umgedreht wurde. Beim Starten des Motors sollte dieser erst mit dem Anlasser ohne Kraftstoff drehen, damit ein Öldruck aufgebaut werden konnte. Dann wurde der Kraftstoff zugeschaltet und der Motor lief an. Nach einer kurzen Warmlaufphase, einer Überprüfung der Systeme und einer Sichtprüfung ob alle Verschraubungen dicht sind, konnten die ersten Meter gefahren werden. „Der Stapellauf ist geglückt“, freute sich Peter Budesheim.
1999 nahm K+S bereits einen Cat 992G als Bunkerlader in Betrieb. Bis heute brachte er es auf 32 000 Betriebsstunden und es werden noch weitere dazukommen, wenn er in Zukunft als Ersatzgerät herhalten muss. Damit er stets betriebsbereit blieb, wurde er im Lauf seines Maschinenlebens einem Rebuild, sprich einer Generalüberholung, unterzogen. Dabei wurden viele mechanischen und hydraulischen Bauteile ausgetauscht – die Achsen wurden vor Ort überholt. Inzwischen hat das Gerät wieder einen neuen Motor erhalten, ohne dass es dafür an die Oberfläche geholt werden musste. „Dass der Motor nicht mehr rund lief, hat sich über einen längeren Zeitraum angedeutet, da die Maschine immer mehr Öl verbrauchte“, so Peter Budesheim. Aus Singapur wurde dann 2010 ein passender Ersatzmotor eingeflogen. „Eine Woche mussten wir darauf warten, weil der Ausbruch des isländischen Vulkans den Luftverkehr zum Erliegen brachte“, erinnert er sich.
Haltbarkeit der Maschine hat im Einsatz bei K+S eine besondere Bedeutung. Weil Salz in Kombination mit Wasser und Sauerstoff erfahrungsgemäß Korrosion verursacht, sollte man meinen, dass Maschinen bei diesem Einsatz besonders starkem Verschleiß ausgesetzt sind. „Solange das Salz nicht mit Wasser in Verbindung kommt und alles trocken bleibt, passiert nichts“, so Budesheim. Das Ergebnis zeigt sich beispielsweise bei der alten Radladerschaufel. Deren Metall blitzt und blinkt noch immer wie nahezu neu – von Einsatz- und Verschleißspuren ist kaum etwas zu sehen, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass Salz nicht abrasiv wirkt. Deshalb konnte bislang auf Reißzähne oder austauschbare Verschleißplatten verzichtet werden. So wird auch die neue Schaufel – eine Sonderanfertigung mit 32 Tonnen Nutzlast und einem Fassungsvermögen von 22,5 Kubikmetern lediglich Stegplatten erhalten. Diese sind der Breite von 5,3 Metern geschuldet. Sie sollen ein Durchbiegen des Schaufelschwertes und somit Rissbildung verhindern. Die Schaufelbreite macht es erforderlich, dass das Anbaugerät in den nächsten Wochen in zwei Teilen angeliefert, auf gleichem Weg über den Materialschacht nach unten befördert und dann unter Tage zusammengeschweißt wird.
Dass man dem Cat 992G seine Gebrauchsspuren kaum ansieht, hat noch andere Ursache: „Der Radlader ist bei uns die am besten gewartete Maschine. Denn für die Einsatzdauer von je zwei Tagen ist eine hundertprozentige Verfügbarkeit erforderlich“, meint Budesheim. Gerade am Wochenende wird von dem Gerät voller Einsatz abverlangt. 1 350 Tonnen muss er in der Stunde an Material im Bunker umschlagen. Das Gerät wird gehegt und gepflegt – sobald kleinste Leckagen oder Schäden festgestellt werden, werden diese behoben.- Hat der Bunkerlader Salz geladen, darf er nur im ersten Gang betrieben werden, um die Reifen zu schonen. Bei zu hoher Geschwindigkeit werden sie aufgrund der starken Walkarbeit zu heiß und verschleißen stark. Nur ausgebildete Maschinisten lässt K+S an die Joysticks. Der Betrieb hat mithilfe von Zeppelin Einsatzspezialisten sein eigenes System entwickelt, wie er das Haufwerk anfahren muss. „Wer falsch ins Haufwerk reinfährt, riskiert, dass die Wand auf den Lader fällt und somit Maschinenschäden verursacht“, erklärt Bundesheim. 20 Millimeter dicke Panzerglasscheiben wurden vorsorglich am neuen Cat 992K verbaut, um den Fahrer zu schützen. Das ist nicht die einzige Vorsichtsmaßnahme – so waren schon in der Vergangenheit etwa Feuerlöscher Pflicht. Diesmal erhielt der Cat 992K eine Bordlöschanlage von Protectfire, die im Ernstfall automatisch auslöst. Eine Rückfahrkamera und akustische und optische Warneinrichtungen sollen dem Fahrer den Abstand zu Hindernissen beim Rückw.rtsfahren anzeigen. Doch die Staubentwicklung ist so immens, dass ein extra Kompressor den Staub von der Kameralinse und von den Scheiben wegbläst.Auch der Scheibenwischer ist nicht Standard, sondern durch einen Bürstenwischerersetzt worden.
Bei weitem nicht so komfortabel ist das frühere Ersatzgerät: ein Michigan, der innerhalb des Bunkers elektrisch mit 5 000 Volt betrieben wird und dabei ein Schleppkabel mitführen muss, das auf- und abgerollt wird. Sein Baujahr 1985 deutet auf eine rustikale Konstruktion hin, die dazu führt, dass er inzwischen nur im Notfall eingesetzt wird – alleine, weil die Fahrerkabine komplett unverglast ist und der Maschinist eine Art Raumfahrthelm tragen muss. Der Michigan erbringt eine Förderleistung in Höhe von 900 Tonnen in der Stunde. Um hier an Förderleistung aufzuschließen, steht ihm ein Fahrlader mit einer Gesamthöhe von 2,3 Metern zur Seite, dessen Schaufelinhalt rund 15 Tonnen erreicht. Um den Fahrer nicht zu gefährden, muss die Wand mit einem etwa zehn Meter langen Stachel eingeworfen werden. Hier kommt eine Beraubemaschine ins Spiel. Doch das ist komplett überflüssig, wenn Cat Bunkerlader wie der 992K den Umschlag übernehmen.
November/Dezember 2016