Schöne neue Arbeitswelt

Seit Ausbruch des Coronavirus steht unser Arbeitsleben Kopf – die Corona-Pandemie hat eine Revolution unserer Arbeitspraktiken ausgelöst, die zuvor undenkbar gewesen wäre: Bislang unabkömmliche Geschäftsreisen und Meetings wurden kurzerhand ersetzt durch Videotelefonate, die von zu Hause aus getätigt wurden. Großraumbüros, einst Inbegriff von Produktivitätssteigerung, haben ausgedient. Dichtgedrängte Schreibtische erzeugen Nähe, die nun eine abschreckende Wirkung hat. Mit einem Schlag war Homeoffice darum populär wie nie. Selbst Chefs, die ihre Zweifel hatten, ob Mitarbeiter in Heimarbeit überhaupt produktiv sind, wenn diese nicht im Büro mit körperlicher Anwesenheit glänzen, wurden da eines Besseren belehrt. Das größte Zugeständnis hat hier Twitter einem Teil seiner Mitarbeiter unterbreitet, die gar dauerhaft von zu Hause arbeiten und zudem noch tausend Dollar für ihre Homeoffice-Ausstattung ausgeben dürfen. 

Schöne neue Arbeitswelt - Homeoffice - Corona
Foto: Christopher Gower | Unsplash

Homeoffice wird zu weitreichenden Konsequenzen führen: Wenn sich in Zukunft eine geringere Anzahl an Mitarbeitern im Büro aufhält, werden logischerweise weniger Büroarbeitsplätze und -flächen gebraucht. Das wird unsere Büroraumplanung verändern und sich auf Investitionen in Gewerbeimmobilien auswirken, die erst einmal hintangestellt werden. Bürotürme aus Beton, Stahl und Glas galten mal als Sinnbild von Kapitalismus und Globalisierung. Ob sich in ihnen dauerhaft Leere breitmacht, wird sich zeigen – die Entwicklung unserer Arbeitswelt der Zukunft ist seit dem Coronavirus voll entbrannt und setzt eine Welle von Veränderungen in Gang.

Homeoffice ist ein Trend, der weiter anhalten wird, denn im größten Krisenchaos hat es sich bewährt, Abstand zum Arbeitsplatz zu halten. Viele Unternehmen glauben, dass sie sich Ausgaben für Büros inklusive Mieten sparen können, wenn sie die Arbeit in die Privaträume der Mitarbeiter auslagern können. Das wird ein Rückschluss sein, den wir aus der Corona-Krise ziehen können. Ein anderer: Der Krisenmodus hat flexiblere und somit digitale Arbeitsweisen beflügelt, fernab von fixen Bürozeiten und unabhängig von einer festen Örtlichkeit. Doch dazu müssen Unternehmer auch entsprechende Prozesse fördern, die das zulassen. Außerdem braucht es klare Grenzen zwischen Privat und Beruflich – ein fließender Übergang lässt Mitarbeiter nur schwer abschalten. Ständige Erreichbarkeit kann krank machen. Es drohen psychischer Druck und Burn-out, wenn die viel beschworene Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht geraten ist. Somit hat sich gezeigt: Nicht jeder Mitarbeiter ist fürs Homeoffice geschaffen und nicht jeder Job ist auch dafür geeignet. Viele Angestellte haben sich nur schwer an die kontaktlose Arbeitsweise gewöhnen können. Sie vermissen die direkten Begegnungen und das Gemeinschaftsgefühl, das sich an Kleinigkeiten wie dem Plausch mit den Kollegen auf dem Büroflur oder an der Kaffeetheke festmachen lässt. Zwar funktioniert der Austausch im Team via Skype, aber ganz ohne analogen Kontakt gibt es keine Teambildung. Wissenschaftler attestieren der Arbeitsweise Homeoffice, dass die Angestellten eine geringere Bindung zur Firma hätten. Die Folgen: Produktivitätsverluste, welche die eingesparten Büromieten wieder auffressen würden. Außerdem braucht es den engen Austausch, um im Team Ideen zu entwickeln. Daher wird das Büro nie ganz verschwinden, sondern weiterhin benötigt werden. Doch es wird anders werden: Plexiglasscheiben haben Einzug gehalten. Raumteiler und trennende Wände sind groß im Kommen – sie waren seit den 90er-Jahren von der Bildfläche verschwunden. Wenn weniger Menschen ins Büro kommen, reichen weniger Schreibtische aus. Desk-Sharing, das Teilen von Arbeitsplätzen, wird zum Standard. Das sind die Vorzeichen von einer neuen Arbeitswelt, die gerade einem massiven Umbruch unterliegt.

Juli/August 2020