Stress mit dem Wasser

Der 1. und 2. Juli 2025 haben einen besonderen Eintrag im Kalender verdient: Mit einer Durchschnittstemperatur von 35 und 35,5 Grad waren die beiden Tage laut Deutschem Wetterdient (DWD) die drittwärmsten ihrer Art. Seit Beginn der Auswertung 1931 war es in Deutschland von Anfang Februar bis Mitte April noch nie so trocken wie in diesem Jahr, meldet der DWD und beruft sich auf die Auswertung seiner Klimadatenbank. Dass es keine einmaligen Ereignisse werden, davon geht der DWD aus. Und das hat Folgen: Böden erleiden Erosion. Pegel von Gewässern sinken – wesentliche Frachtrouten wie der Rhein sind aufgrund von Niedrigwasser dann nicht mehr befahrbar. Temperaturanstieg und als Folge Dürre sowie Hitze wirken sich in immer mehr Regionen auf den Grundwasserstand aus. Deutschland, traditionell als wasserreiches Land angesehen, leidet zunehmend darunter. Das erfordert einen neuen Umgang mit der Ressource Wasser, appellieren Wissenschaft und Forschung – mit umfassenden Auswirkungen auf Städte und unsere Infrastruktur. Stadtplanung, Kommunen und Bauunternehmen müssen auf diese Herausforderungen mit umsetzbaren und klimaangepassten Baukonzepten reagieren.

2018 hatte die Niedrigwasserperiode schon einmal dazu geführt, dass viele Firmen dauerhaft auf alternative Transportmittel umstellten – selbst, nachdem sich die Wasserstände wieder normalisiert hatten. Die Exporte auf Binnenwasserstraßen, die für den Transport von Massengütern wie Kohle und Erze zentrale Bedeutung haben, gingen damals um fast 20 Prozent zurück. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, Transportsysteme künftig widerstandsfähiger gegen klimabedingte Risiken zu machen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von RETHINK-GSC, einem von der EU geförderten Forschungsprojekt unter der Leitung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Dazu Saskia Meuchelböck, Forscherin an der Universität Aarhus: „Da der Klimawandel die Rahmenbedingungen verändert, erfordert Resilienz nicht nur eine Diversifizierung der Lieferanten, sondern auch der Transportmittel. Das kann zugleich mehr Verkehrsaufkommen an anderer Stelle bedeuten. Resiliente Lieferketten benötigen daher sowohl diversifizierte Logistikstrategien seitens der Unternehmen als auch Investitionen in klimaadaptive Infrastruktur durch Politik und Wirtschaft – wobei eine sorgfältige Balance zwischen Klimaschutzzielen und der Notwendigkeit, Verkehrssysteme gegen klimabedingte Schwachstellen zu sichern, gefunden werden muss.“ Bislang gab es in Deutschland keinen flächendeckenden Wasserstress, so das Umweltbundesamt. Dieser liegt vor, wenn die gesamte Wasserentnahme eines betrachteten Jahres mehr als 20 Prozent des langjährigen mittleren Wasserdargebots, also die theoretisch nutzbare Menge an Grund- und Oberflächenwasser, beträgt. Doch in immer mehr Regionen Deutschlands wird das Grundwasser knapp. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) durchgeführt hat: In 201 von 401 Landkreisen wird mehr Grundwasser entnommen, als sich durch Niederschläge neu bilden kann. Besonders betroffen ist nicht nur der Osten Deutschlands, sondern sind auch Ballungszentren wie die Rheinschiene und Regionen in Niedersachsen. Die Studie zeigt auch: In nahezu allen Bundesländern haben die Grundwassermessstellen neue Tiefststände verzeichnet. Zu den betroffenen Verbrauchern zählen nicht nur Haushalte, die auf Trinkwasser angewiesen sind, sondern auch der Bergbau, verarbeitendes Gewerbe, Landwirtschaft und die chemische Produktion, etwa in Ludwigshafen, die erhebliche Mengen Grundwasser benötigen. Die Klimakrise verschärft dessen Verfügbarkeit – mit absehbaren Folgen.

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Beispielsweise registrierten Wissenschaftler der TU Berlin, wie Professorin Eva Paton, im ländlichen Raum Brandenburgs verstärkt ausgetrocknete Flussläufe, trockenfallende Feuchtgebiete und Waldbrände in einem bisher unbekannten Ausmaß sowie drastische Ernteeinbußen. Auch ein Großteil der Berliner Stadtbäume litt unter den Dürrejahren seit 2018. Die Schädigungen von Bäumen sind überall in der Bundeshauptstadt sichtbar. Anders als in den Ländern Südeuropas verfügen deutsche Städte zumeist nicht über Bewässerungsanlagen für ihre urbane Vegetation. Die Nutzung des Regenwassers sei in Deutschland bislang rudimentär, weil Niederschlag als ein zu bewältigendes Problem angesehen werde, der schnell über die Kanalisation abgleitet werden müsse, und weniger als Ressource, so Professorin Eva Paton.

Was in der Forschung ebenfalls beobachtet wird, ist, dass sich in der Region Berlin-Brandenburg wie in vielen anderen Regionen Deutschlands die jährliche Niederschlagsmenge nicht signifikant verändert, aber eine Frequenzverschiebung stattfindet: Es treten längere Phasen ohne Regen auf. Wenn es jedoch regnet, regnet es häufig stärker und länger. Daher stellt sich die Frage, wie der Niederschlag aufgefangen, gesammelt und so verhindert werden kann, dass der größte Teil des wertvollen Wassers über die Kanalisation abfließt und verlorengeht. „Im englischen Sprachraum spricht man von Rainwater Harvesting, übersetzt Regenernten“, so die Wissenschaftlerin. Der Ansatz: die Nichtnutzung des Regenwassers umzukehren, es im Straßenraum zu halten und damit in den Böden zu speichern. Das gelingt mit Maßnahmen, wie Dächer der Häuser in einer baumbewachsenen Straße zu einem Bewässerungssystem zu verbinden: Bei Regen könnte ein Teil des Wassers durch Modellierung der Stadtoberflächen direkt zu den Bäumen geleitet werden und somit nicht in die Kanalisation abfließen. Beim Umbau oder Bau einer Straße sei von Anfang an eine gute Wasserversorgung der Straßenbäume mitzuplanen, indem Baumscheiben entsprechend groß und vertieft, das heißt muldenförmig, angelegt werden. Zudem plädiert Dr. Björn Kluge, Baumexperte am Fachgebiet Ökohydrologie und Landschaftsbewertung, dafür, in direkter Umgebung auf Pflaster mit hohem Fugenanteil zu setzen, wie zum Beispiel das in Berlin häufig verwendete Bernburger Mosaik, damit der Regen versickern kann. Eine andere Möglichkeit, Regen zu ernten, sind die seit Jahrhunderten bewährten Zisternen. Wichtig sei jedoch, all diese Maßnahmen sowohl auf die baulichen Gegebenheiten abzustimmen als auch an die Regenmengen anzupassen, die „geerntet“ werden können, so Professorin Eva Paton. Die Anpassung an die Realitäten beträfe auch die Planung von städtischem Grün. „Es muss im Vorfeld bedacht werden, ob genügend Wasser zur Verfügung steht. Denn es wäre tatsächlich kontraproduktiv, grüne Dächer oder andere blau-grüne Infrastruktur zu planen, die bei Dürre- oder Trockenheitsphasen nicht überleben würde, weil sie nicht gesteuert bewässert werden könnte“, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken.

Ein anderer Ansatz richtet sich gegen die Bodenversiegelung – „ein unterschätzter Risikofaktor in dieser Entwicklung“, warnt Sebastian Schneider, Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nahm die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland von 2020 bis 2023 durchschnittlich um 51 Hektar pro Tag zu – das waren zwei Hektar pro Tag mehr als in den Jahren 2019 bis 2022. „Jeder Quadratmeter Ackerfläche, der durch Asphalt, Beton oder Gebäude verloren geht, kann kein Wasser mehr aufnehmen und speichern – das verschärft die Trockenheit weiter“, ist Sebastian Schneider überzeugt und plädiert für ein Umdenken in der Flächenpolitik. „Städte und Gemeinden müssen sorgsamer mit Flächen umgehen und vorrangig auf Innenentwicklung statt Neubau auf der grünen Wiese setzen“, betont er. Deutschland will bis 2030 den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar begrenzen. Bis 2050 wird eine Flächenkreis­laufwirtschaft angestrebt. Das heißt, es sollen dann netto keine weiteren Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke beansprucht werden. Umgekehrt steht auch die Landwirtschaft in der Pflicht, sparsamer mit der Ressource Wasser umzugehen. „Die Nutzung von behandeltem und hygienisiertem Abwasser ist hier ein wichtiger Baustein“, betont Dr. Lisa Broß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Um die gezielte Wiederverwendung von Wasser zu unterstützen, hat die DWA eine neue Merkblattreihe als Handlungshilfe veröffentlicht.

Eine Schlüsselrolle soll in Zukunft das Schwammstadtprinzip einnehmen – deutsche Städte und Kommunen setzen bereits auf die intelligente Nutzung und Speicherung von Regenwasser im urbanen Raum, um so widerstandsfähiger gegenüber den extremen Wetterbedingungen zu werden. Wie ein Schwamm Wasser aufsaugt, soll in Zukunft das Regenwasser nicht mehr über die Kanalisation verloren gehen, sondern beispielsweise zwischengespeichert und dort wieder abgegeben werden, wo es anfällt. Die Schwammstadt ahmt den natürlichen Wasserkreislauf nach.

Wie das Modell der Schwammstadt funktionieren kann, daran arbeiten das Land Berlin und die Berliner Wasserbetriebe seit 2018 bei Neubauten mit der Vorgabe der Regenwasserbewirtschaftung auf jedem Grundstück. Nun soll auch der schwammstadtgerechte Umbau des Berliner Bestands forciert werden – beispielgebend auf landeseigenen Arealen und grundstücksübergreifend. Dafür haben sich die in Berlin für Entwicklung, Bau und Betrieb urbaner Freiräume und Infrastrukturen zuständige Grün Berlin GmbH, die für mehr als 5 000 landeseigene Immobilien verantwortliche BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH und die Berliner Wasserbetriebe als Bewirtschafter des Berliner Wasserkreislaufes zusammengeschlossen. Erste gemeinsame Vorhaben sollen etwa die Neugestaltung des Platzes der Luftbrücke, das Rathaus- und Marx-Engels-Forum mit dem Roten Rathaus, das Kulturforum mit der Philharmonie und der Park am Gleisdreieck mit dem Technikmuseum sein, bei denen schwammstadtgerechte und grundstücksübergreifende Elemente eine wesentliche Rolle einnehmen werden. Es geht um blaue und grüne Infrastruktur, mit der Wasser gespeichert und Grundwasser gebildet wird – als Gegenpol zur grauen Infrastruktur.

Oktober 2025