Was der Erlkönig auf der Straße ist der Feldversuch auf der Baustelle

Aus ihnen wird in der Regel gerne ein großes Geheimnis gemacht – man könnte auch sagen: Sie beherrschen das Spiel von Tarnen und Täuschen. Die Rede ist von den sogenannten Erlkönigen. So werden Prototypen neuer Autos genannt, die in Kürze auf unseren Straßen fahren. Doch bevor neue Technik in die Serienproduktion einfließt, muss sie auf Herz und Nieren geprüft werden. Das ist bei Cat Baumaschinen nicht viel anders – und doch gibt es Unterschiede.

Wer in München durch die Stadt fährt, entdeckt beispielsweise immer wieder mal einen BMW mit einer auffälligen Schwarz-Weiß-Folie im Dazzle-Muster. Es soll für Verwirrung sorgen. Ausgedacht hatte sich das 1918 der britische Künstler Norman Wilkinson, um bei einem Marineeinsatz Kriegsschiffe zu tarnen und vor Angriffen zu schützen. Unmöglich, ein ganzes Schiff einfach so verschwinden zu lassen, doch das Muster ließ den Betrachter im Unklaren über die Größe des Schiffes oder in welche Richtung es manövriert. Das brachte dem Erfinder viel Anerkennung ein, auch wenn ein endgültiger Beweis von den Vorteilen des Musters damals ausblieb.

Schwung in die Bewegung kam in den 50er-Jahren. Ohne Erlaubnis lichteten die Autojournalisten Heinz-Ulrich Wieselmann und Werner Oswald von dem Magazin „auto, motor und sport“ einfach neue Erprobungsfahrzeuge ab und machten sie mit einem Schlag einem großen Leserkreis bekannt – sehr zum Missfallen der Automobilhersteller. Ihre mit der Kamera festgehaltenen Schnappschüsse erschienen unter der Rubrik „Erlkönig“ – seitdem hat sich das Wort für Testfahrzeuge durchgesetzt, das nun die Autoindustrie nutzte, um ihre Erlkönige und somit das neue Design sowie die Technik, die in ihnen steckt, zu verschleiern und damit nicht nur Journalisten zu verwirren, sondern auch die Konkurrenz im Unklaren zu lassen. Dabei tarnten sie die neuen Autos mit ähnlichen Formen wie damals die Kriegsschiffe. Weil heutzutage fast jeder ein Smartphone besitzt und sich schnell ein Foto zigfach in den sozialen Medien posten lässt, braucht es auch immer ausgefeiltere Tarnfolien, um eben Erlkönige dahinter zu verstecken.

Getarnt mit Dazzle-Muster wurden Baumaschinen noch nicht gesichtet, dafür aber Erlkönige. Foto: Zeppelin

Dass Caterpillar für seine Baumaschinen Dazzle-Folien zur Täuschung benutzt, wenn neue Technologien am Markt Einzug halten sollen, ist bislang nicht bekannt. Doch so wie Autos abertausende von Kilometern auf der Straße zurücklegen müssen, bis sie serienreif sind, müssen Cat Bagger, Radlader und Co. ebenfalls Millionen Tonnen bewegen, bis die Serienproduktion beginnen kann. Um zu wissen, welche Bedürfnisse Kunden haben, müssen Hersteller wie Caterpillar die Anforderungen an die Baumaschineneinsätze auf den Baustellen kennen und daher in ständigem Austausch mit den Anwendern stehen. Bevor die Serienproduktion einer neuen Baumaschinengeneration anläuft und die Technologie reif für den Markt ist, müssen sich sogenannte Field-Follow-Maschinen bewähren und in einem besonders harten Praxistest beweisen. Dazu werden Geräte, über den Erdball verteilt, von Kunden bis ins Detail getestet. Sie müssen dann eine Rückmeldung geben und sagen, was daran gut ist beziehungsweise was noch verändert werden muss.

Regelmäßig finden Gespräche auf der Baustelle statt und dabei wird ihre Meinung zum Arbeiten mit dem Field-Follow-Gerät erfragt. Daten von Verbrauch und Leistung werden ausgewertet und eventuell Anpassungen – etwa an der Hydraulik – vorgenommen. Hier zählt vor allem eines: der Fahrer, er die neuen Funktionen auf Herz und Nieren prüfen muss. Seine Meinung ist gefragt, weil er am besten einschätzen und beurteilen kann, was in der Praxis auf der Baustelle ankommt und wovon die Ingenieure besser die Finger lassen sollten. Dabei müssen sie an vielen Parametern feilen, bis eine neue Baureihe fertig entwickelt ist: an höherer Leistung und niedrigem Verbrauch, an besserem Handling der Bedienelemente und größerer Übersichtlichkeit, an niedrigerem Verschleiß und mehr Wartungsfreundlichkeit – die Liste der Einzelheiten ist lang. Es sind Feinheiten, die einen großen Effekt auf das Arbeitsergebnis haben können und dann darüber entscheiden, wie produktiv der Aushub oder das Verladen vonstattengeht. Damit verbunden sind fortlaufende Anstrengungen in Bezug auf die Modernisierung und Digitalisierung der Baumaschinen. Das erfordert immer stärker, Baumaschinen zu vernetzen, sie mit neuen Maschinensteuerungen und Software auszustatten, um sie intelligenter werden zu lassen. „Der Einsatz von KI (künstlicher Intelligenz) wird in Zukunft zunehmen, weil von den Maschinen mehr verlangt wird und die Fahrer noch effizienter, schneller und sicherer arbeiten müssen“, ist Frédéric Prédemoiser, als weltweiter Produktspezialist verantwortlich für mittelschwere Kettenbagger bei Caterpillar, überzeugt.

Einen Quantensprung verschaffte der neuen Generation von Baumaschinen die elektrohydraulische Vorsteuerung, welche der Schlüssel zu einer stringenten Systemintegration ist und damit neue Funktionen ermöglicht, wie es sie in dieser Form noch nie zuvor gegeben hat. Sie unterstützen den Fahrer sowie Betreiber der Baumaschine dabei mit detaillierten Maschineninformationen. „Caterpillar hat hart daran gearbeitet, um sicherzustellen, dass die angebotenen Lösungen in allen neuen Baggermodellen konsistent sind. Unsere Ingenieure haben sich die elektrohydraulische Vorsteuerung zunutze gemacht und Systeme bereitgestellt, die mit der gleichen Benutzerschnittstelle eingestellt und bedient werden. Das bedeutet, dass der Fahrer nicht jedes Mal etwas Neues lernen muss, wenn er in ein anderes Modell einsteigt, ganz gleich, ob es sich bei der Maschine um einen Mobil- oder Kettenbagger der neuen Generation handelt“, so Frédéric Prédemoiser.

Doch welche Entwicklungen treiben die Produktspezialisten von Caterpillar noch voran, um Baumaschinen weiter zukunftsfähig zu machen? Immer wichtiger werden Assistenzsysteme, um Arbeitsabläufe effizienter und schneller zu machen, unabhängig von der Erfahrung des Bedieners. Sieht man sich beispielsweise die Nutzlast-Kontrolle bei Radladern an, haben die Geräte durch die integrierte mobile Waage einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Mit welchen sparsamen Antrieben Baumaschinen in Zukunft unterwegs sein werden, auch damit beschäftigen sich die Ingenieure intensiv, um Kunden wettbewerbsfähige Maschinen liefern zu können. Kunden haben beispielsweise längst die Wahl zwischen einem vollautomatischen Getriebe beim Cat D6 oder einem einzigartigen dieselelektrischen Antriebsstrang beim Cat D6 XE, um noch mehr Produktivität und Effizienz zu erreichen. Zugleich müssen sich die Entwickler und Konstrukteure damit auseinandersetzen, wie Baumaschinen autonom beziehungsweise teilautonom fahren können. Testreihen mit Baumaschinen dauern in der Regel mehrere Wochen oder Monate in einem definierten Zeitfenster. Welche Unternehmen dafür in Betracht kommen, hängt davon ab, ob sie einen regelmäßigen Einsatz der Testmaschine gewährleisten können, damit diese möglichst viele Stunden erprobt werden kann. Schließlich sollen die Urteile und Bewertungen auch fundiert sein. Händler wie Zeppelin begleiten seitens Produktmanagement und Service den Feldversuch. Vor dem Ersteinsatz erfolgt eine Einweisung des Testfahrers, der dabei sowohl seitens Baumaschinenhersteller als auch Händler betreut wird. Schließlich soll die Testmaschine voll in den Bauablauf integriert sein und zum Gelingen der Baustelle beitragen.

Mai/Juni 2022