Seit 2012 ist der Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port fertiggestellt – nun soll sich die Anbindung an das Hinterland zum Weitertransport der per Seeweg angelieferten Container auf der Schiene zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg verbessern. Deswegen lässt die Deutsche Bahn, konkret der Auftraggeber DB Netz Großprojekte Regionalbereich Nord, die zweigleisige Strecke modernisieren, indem sie elektrifiziert wird, die Geschwindigkeit der Züge auf 120 km/h angehoben wird und die Strecke auch eine Achslast von 23,5 Tonnen aufnehmen kann. Das soll für einen erhöhten Containerumschlag sorgen. Der knapp neun Kilometer lange Planfeststellungsabschnitt 4 Los 1 (PFA4.1) zwischen Sande und Varel wird bis 2020 von Wittfeld zusammen mit den Arge-Partnern Matthäi Trimodalbau und Eiffage Rail sowie Nachunternehmern unter eingleisigem Betrieb und Wochenendsperrpausen innerhalb von vier Bauphasen erneuert. Bis auf wenige Streckensperrungen soll der Güter- und Personenverkehr möglichst ohne große Einschränkungen weiterrollen. Für die Bahn-, Gleis- und Ingenieurbauarbeiten sind aufwendige Erdarbeiten nötig. Seinen Ersteinsatz hat dort ein Cat Zweiwegebagger M323F – einer von zwei neuen Gleisbaggern, die Wittfeld kürzlich in Betrieb nahm.
„Wir wollten wissen, wie stabil steht der Bagger? Welche Lasten lassen sich damit heben und wie schnell sind wir damit auf dem Gleis unterwegs? Er hat dabei einen ersten guten Eindruck gemacht, auch wenn ich zunächst dachte, dass das Heck ganz schön hoch ist“
Weil bislang Erfahrungswerte damit fehlten, ging dem Gerät ein Test auf der Baustelle PFA4.1 voraus. „Wir wollten wissen, wie stabil steht der Bagger? Welche Lasten lassen sich damit heben und wie schnell sind wir damit auf dem Gleis unterwegs? Er hat dabei einen ersten guten Eindruck gemacht, auch wenn ich zunächst dachte, dass das Heck ganz schön hoch ist“, so Wittfeld-Bauleiter Florian Asbeck, zuständig für den Bahnbau. Doch dafür ist der Aufbau kompakt und dank der Heckausladung von nur 1 575 Millimetern kann der Schienenverkehr auf dem Nachbargleis problemlos weiterlaufen – so wie es auf dem PFA4.1 erforderlich ist. Neu ist an dem Cat M323F sein hydrostatischer Schienenradantrieb an beiden Gleisachsen. Hydraulisch betriebene Motoren treiben die Schienenführungsräder direkt an. Eine hohe Bodenfreiheit trägt dazu bei, die Sicherheitseinrichtungen im Gleisbett beim Fahren nicht zu tangieren. Mit dem beidachsigen Bremssystem im Ölbad und den Scheibenbremsen für alle Gleisräder gewährleistet der M323F sichere Fahreigenschaften.
Anders als die auf dem Markt bestehende Technik. Hier erfolgt der konventionelle Antrieb sowie das Bremsen im Gleisbetrieb über die Reifen des Baggers auf die Schienen. Das führt zu einem hohen, meist einseitigen Reifenverschleiß. Außerdem kommt es dann häufig zu Beschädigungen von Sicherheitseinrichtungen im Gleisbett, wie etwa den Indusi-Magneten. „Wenn wir das vermeiden können, halte ich den Schienenradantrieb für eine gute Sache, auch wenn wir hier bei unseren Arbeiten keine Probleme mit Indusi-Magneten haben. Allerdings wird es noch ein Vorteil werden, wenn wir uns in Richtung Bahnhof Sande vorarbeiten und wir dann die Weichenverbindungen vernünftig durchfahren können“, erhofft sich der Bauleiter.
Das Aufgabenpensum, das von dem Cat M323F zu bewältigen ist, betrifft den gleisgebundenen Erdbau. Unter der Woche wird die Baumaschine verstärkt als Mobilbagger genutzt – am Wochenende ist sie vor allem auf den Schienenrädern im Einsatz. Der Bagger soll das Schotterplanum einbauen. Er dient darüber hinaus der Profilierung. Außerdem wird mit ihm der Gleislängsverbau eingebracht und gezogen. Mitführen muss der Gleisbagger seinen vier Tonnen schweren SKL-Anhänger, auf dem er etwa Aushub oder einen Wassertank und eine Mischanlage befördert. Damit der Bagger solche Trailer mitziehen kann, erhielt er zu diesem Zweck eine Waggonbremsanlage und Schleppstange. Die gesamte Zuglast beträgt 220 Tonnen. Auch Kabelzieharbeiten sind von dem Cat M323F zu übernehmen. Eingesetzt werden soll er auch mit einer Seitengrifframme. Für dieses Anbaugerät erhielt die Baumaschine eine Aufnahme Oilquick Rail. „Dafür müssen wir aber erst noch die Ramme umbauen, um sie am Bagger anbauen zu können. Dann kommt eine zusätzliche Steuerung drauf, die über dem Baggerarm angebracht werden muss, um die Ramme steuern zu können“, erklärt Asbeck. Gearbeitet wird außerdem mit Schwellenfachgreifer, Schwenklöffel und Tieflöffel.
Neben den beiden Cat Baumaschinen hat der Einkauf von Eiffage/Wittfeld bei Zeppelin und seinem Konzernkundenbereich sowie der Niederlassung Osnabrück in diesem Jahr 27 Radlader vom Typ Cat 907M sowie einen Cat 938M, einen Cat Mobilbagger M322F, einen Cat Dozer D6K sowie einen Cat Kettenbagger 320 geordert. Zwei kompakte Radlader davon sind ebenfalls vor Ort auf der Baustelle PFA4.1 – zusammen mit zwei Cat Kurzheckbaggern 325FL, die etwa Baustraßen anlegen und zurückbauen müssen. „Die Logistik ist hier die größte Herausforderung. Wir müssen auf der gesamten Streckenlänge beidseitig Baustraßen anlegen und nachziehen sowie Baustelleneinrichtungsflächen anlegen, die später wieder rekultiviert werden müssen“, erklärt Asbeck. Auch eine provisorische Brücke musste über einen Bach angelegt werden, um den Baustellenverkehr nicht durch die Ortschaft leiten zu müssen, sondern durch einen Windpark führen zu können. „Die Bahn hat viel investiert, um die Anwohner zu entlasten“, erklärt Payam Torabi, ein weiterer Wittfeld-Bauleiter für den Bahnbau und Kollege von Florian Asbeck. Auch sollen die landwirtschaftlichen Flächen nicht zu stark beansprucht werden. Außerdem wurden zum Schutz einer landwirtschaftlich genutzten Straßenüberführung über die Autobahn A29 zwei Waagen samt Ampelanlage für die Lkw installiert; diese darf nicht mit mehr als 42 Tonnen Gewicht überfahren werden.
Doch nicht weniger anspruchsvoll sind die Bodenverhältnisse. Neben der technischen Planung und dem Umbau der Gleise muss sich die Arge um die Tragfähigkeit des Untergrunds für die schweren Güterzüge kümmern. Der Untergrund besteht stellenweise aus massiven Torflinsen samt Klei- und Lehmschichten, die laut Bahn bis in 20 Meter Tiefe reichen und umfassende Bodenverbesserungen erfordern, um den Bahnkörper zu stabilisieren. Für die Bodenertüchtigung werden verschiedene Bauverfahren angewandt. Zum Einsatz kommt in mehreren Teilabschnitten ein Fräs-Misch-Injektionsverfahren (FMI) auf einer Gesamtlänge von rund 6,2 Kilometern je Gleis und bis maximal neun Meter Tiefe. Auf einer Baustelleneinrichtungsfläche wird eine Suspension aus Zement und Wasser hergestellt und über eine Länge von rund 1,2 Kilometern zu einer Fräsmaschine gepumpt. Diese fräst die Suspension in mehreren nebeneinanderliegenden Streifen mit Breiten zwischen 0,5 und einem Meter und einer Tiefe von drei bis neun Metern in den Untergrund ein. Je Gleis entstehen so fünf Meter breite, homogene, monolithische FMI-Erdbetonkörper. Dazu werden in einzelnen Bereichen teilvermörtelte Rüttelstopfsäulen unter dem FMI-Körper angelegt. Doch selbst dieses Verfahren kommt an Grenzen.
In Ellenserdammersiel nördlich des Bahnübergangs Sielstraße haben die nichttragfähigen Weichschichten eine solche Mächtigkeit, dass das FMI-Verfahren nicht ausreicht. Hier setzt die Bahn auf eine Fahrwegtiefgründung (FTG). Für diese werden ein Umfahrungsgleis mit einer Länge von rund 300 Metern und ein Behelfsübergang inklusive einer 400 Meter langen Zufahrstraße angelegt. Auf einer Länge von 180 Metern werden 28 Meter lange Pfähle in die tief liegenden Sandschichten gebohrt. Auf die über hundert Bohrpfähle wird eine 70 Zentimeter dicke und 10,6 Meter breite Platte betoniert und quasi ein unterirdisches Brückenbauwerk erstellt. Von ihm wird im Endzustand später nichts mehr zu sehen sein, wenn der Gleisoberbau samt Gleisschotter und Gleisanlage aufgebracht und eingebaut werden. In anderen Abschnitten erfolgt die Untergrundertüchtigung durch Bodenaustausch und -verbesserung durch das Einlegen von Geotextilien.
Darüber hinaus sind auf 17 Kilometern Länge Entwässerungssysteme wie Bahngräben und Tiefentwässerungen anzulegen. Außerdem werden durch die Firma Eiffage Infra-Lärmschutz (vormals MDM) Lärmschutzwände aus Aluminium beidseitig der Bahnstrecke auf rund 870 Meter Länge, und zwar auf zwei Metern über Schienenoberkante im Bereich der Ortslage Ellenserdammersiel, hergestellt. Im Abschnitt zwischen Varel und der Überleitstelle Schwarzer Rabe wird noch bis Ende August das linke Gleis gebaut. Erstmals sollen Züge darauf am 25. August fahren. Dann machen sich die Mitarbeiter von Wittfeld und den Arge-Partnern an die Arbeiten rund um das Nachbargleis, das bis 2020 fertig sein soll.
„Wir liegen gut im Zeitplan“, so das Zwischenfazit von Asbeck. Trotzdem kamen die Mitarbeiter in den letzten Wochen schon ganz schön ins Schwitzen, was alleine an der sommerlichen Hitze lag. „Da haben wir Arbeitszeiten dementsprechend angepasst“, ergänzt der Bauleiter. Dem Team wurde auf den Baustelleneinrichtungsflächen zusätzlich zu der normalen Getränkeversorgung gekühltes Wasser bereitgestellt. Aber auch der eingesetzte Wasserwagen fuhr unentwegt auf den Baustraßen, um diese für die Materialtransporte zu bewässern und Staubbildung einzudämmen. Diese befinden sich zwischen Bahngleis und Autobahn A29. „Das Sicherheitsrisiko wäre sonst zu groß“, räumt Asbeck ein.
Der Personaleinsatz aller Nachunternehmer und Spezialgewerke zusammengerechnet, erforderte in der Spitze um die 120 Mitarbeiter vor Ort. Einer von ihnen ist Hartmut Kassner, seit 24 Jahren bei Wittfeld. Er war für seinen Arbeitgeber schon häufig in Frankreich, ob in der Normandie oder der Bretagne und kam als Zweiwegebaggerfahrer für Arbeitseinsätze bis nach Toulouse oder an die Südküste wie Perpignan, nicht weit von Andorra. Dort hat er bereits mit Zweiwegebaggern von Unac gearbeitet. Das Unternehmen aus Vergèze bei Marseille konzentriert sich seit 2000 auf den Gleisbau. Unter dem Branding 22TRR wurden Zweiwegebagger in den französischen Markt eingeführt. Sie bildeten die Ausgangsbasis für den Cat M323F und wurden auch schon von Hartmut Kassner bewegt.
„Der Gleisbagger von Cat ist dagegen etwas komplett Neues – alleine wegen der EBA-Zulassung. Er ist für den Einsatz in Deutschland konzipiert worden“, räumt Ulrich Lissakowski, Zeppelin Verkaufsleiter des Konzernkundenbereichs, ein. Das wird durch Features wie die Hub- und Schwenkbegrenzung deutlich. Im Fall der Bahnbaustelle ist die Schwenkbegrenzung nötig, denn der eingleisige Bahnbetrieb bleibt in der Regel aufrechterhalten, wenn Hartmut Kassner mit seiner Maschine arbeitet – weil die Elektrifizierung erst später erfolgt, ist er derzeit nicht auf die vorhandene Hubbegrenzung angewiesen. Dafür war bei den Temperaturen von weit über 30 Grad diesen Sommer die Klimaanlage unverzichtbar, die auf Dauerbetrieb eingeschaltet war. „Die nächsten Wochen werden wir das Gerät richtig hart rannehmen. Bislang hat die Maschine eher leichte Arbeiten verrichtet. Dabei lief der Bagger aber schön ruhig auf dem Gleis und hat durchaus gezeigt, dass Kraft in ihm steckt“, so Kassner. Einen Anschlussauftrag hat Wittfeld mit den Partnern Matthäi Trimodalbau und Eiffage Rail bereits in der Tasche: der umfangreiche Umbau des Bahnhofs Sande. Der Spatenstich hierfür ist am 27. August geplant.
Juli/August 2019