Faktor Unsicherheit

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Was die Baubranche 2017 erwartet: Wenn es nach den führenden Branchenverbänden geht, dann ein sattes Plus beim Umsatzwachstum – so wie es das vor 20 Jahren zuletzt gegeben hat. Sie rechnen damit, dass von dem Schub alle Bausparten erfasst werden, obgleich unterschiedlichen Ausmaßes. Unternehmen signalisieren, merklich zu investieren – erstmals seit Längerem in die Erweiterung ihrer Kapazitäten und nicht allein in den Ersatz von Maschinen. Anreize dafür liefern die hohe Geräteauslastung und die Nachfrage. Doch die Jubelarie stören Misstöne von Unsicherheit.

Spannend wird der Ausgang der Bundestagswahl, der nicht nur bei Angela Merkel für Nervosität sorgt. So hat die Wahl zum US-Präsidenten aufgeschreckt und was mithilfe von Social Media und Populismus alles möglich ist. Kein Wunder, dass „postfaktisch“ zum Unwort des Jahres 2016 gewählt wurde. Statt Fakten zählt die gefühlte Realität, befeuert durch manipulierte Nachrichten, in Umlauf gebracht über Twitter und Co. Das sogenannte Bauchgefühl bestimmt immer stärker Entscheidungen. Davon betroffen sind Bauunternehmen genauso wie politische Mandatsträger. Gefühlt mag ein Bagger laut sein, der Abbruch viel Lärm machen oder die Sprengungen in einem Steinbruch die gesetzlich zulässigen Dezibel an Geräuschemissionen überschreiten. Fakten, sprich Messwerte, könnten zwar eindeutig das Gegenteil beweisen. Doch aus falscher Wahrnehmung kann schnell Politik werden, wenn eine Diskussion aus dem Ruder läuft, verschiedene Standpunkte polarisieren und sich dann plötzlich Widerstand gegen ein Bauprojekt formiert oder die Verlängerung der Abbaugenehmigung infrage gestellt wird, weil sich Anwohner gestört fühlen. Das ist gefährlich.

Weil weniger Fakten, sondern mehr gefühlte Realität zählt, wurde postfaktisch zum Unwort des Jahfrs 2016. Foto: Esther Stosch / pixelio.de

Eine latente Bedrohung durch Terroranschläge, aber auch Krisen im Euroraum, insbesondere bedingt durch den Brexit, können jederzeit ein Störfeuer auslösen und dem Aufschwung einen Dämpfer verpassen, wenn ihn nicht gar wieder einbremsen. Für Unternehmen wird die Planung auf mittel- und langfristige Sicht nahezu unmöglich – sie müssen mit den Unsicherheiten leben, flexibel bleiben und schnell auf Veränderungen reagieren. Allen voran die fortschreitende Digitalisierung – mit ihren sprunghaften Technologieentwicklungen – verlangt entsprechende Anpassungsfähigkeit.

Veränderung fällt dem einen leichter, der andere klammert sich von der Wucht der Veränderungen durch Digitalisierung überfordert an jeden Strohhalm, weil er Angst hat, abgehängt zu werden. Das befeuert Heilsbringer, die das blaue Wunder versprechen. Unsere Welt wird mit ihren Zusammenhängen, die kaum noch greifbar sind, immer komplexer und unberechenbarer. Kaum ist ein Trend geboren, wird der Hype darum auch schon wieder abgeschrieben. Unternehmen müssen sich auf solche Situationen einstellen, die inzwischen im Management mit dem US-Militär-Jargon VUCA (volatility, uncertainty, complexity and ambiguity, sprich Flüchtigkeit, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit) umschrieben werden. Typisch für die neue Vuca-Ära: bislang geltende Gesetzmäßigkeiten haben ausgedient, weil sich Rahmenbedingungen sehr schnell verändern. Das bedeutet, Unternehmen müssen sich von starren Strukturen und etablierten Denkmustern lösen, die gestern noch funktioniert haben. Die Konsequenz: permanent in Bewegung bleiben, nicht abwarten und Probleme aussitzen, sondern umgehend Lösungen aus verschiedenen Perspektiven angehen. Das werden die Herausforderungen, mit denen die Branche in diesem Jahr konfrontiert wird.