Wenn der Baggertransport stockt

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2017, Baumaschinentransporte ohne Verzug
Es dauert immer länger, bis Transportgenehmigungen ausgestellt werden.

Bis die ersten Meter im Straßenverkehr mit Schwertransportern zurückgelegt werden dürfen, sind oftmals Wochen vergangen, weil die exakte Streckenführung im Detail geplant werden muss. Doch genau hier hakt es wegen zu komplizierten und zu langen Genehmigungsverfahren und wegen steigender Gebühren, die Speditionen sowie Baufirmen belasten, bis die rund 280 000 Großraum- und Schwertransporte im Jahr Fahrt aufnehmen können. Große Bauteile und schwere Baumaschinen auf Baustellen zu transportieren, muss schneller gehen, fordert darum die Baubranche. Sie drängt auf transparente, verlässliche und praktikable Rahmenbedingungen, um Genehmigungen einzuholen und durchführen zu können – vor allem vor dem Hintergrund der hohen Bautätigkeit im Land, ausgelöst durch den Wohnungsbau, die Energiewende sowie den Sanierungsstau von Straßen und Brücken, der nach Baukränen, Windkraftanlagen sowie schwerem Baustellengerät verlangt.

Zusätzlich zu dem enormen Anstieg der Gebühren ist das System zur Umsetzung von Großraum- und Schwertransporten wesentlich komplizierter und unzuverlässiger geworden – das wiederum verursacht auch intern höhere Kosten und Risiken. Von Vereinfachung oder Verschlankung des Genehmigungsverfahrens ist nichts zu spüren. Der eigentliche Transport und die dahinterstehende Technik sind in den Hintergrund gerückt und die Praxis muss sich in zunehmendem Maße mit bürokratischen Hindernissen befassen. Dies hat negative Auswirkungen auf nahezu die gesamte deutsche Wirtschaft. Hier muss die Politik für schlanke und verlässliche Strukturen sorgen: Denn wer Klimaschutz durch etwa mehr Windkraftanlagen möchte, muss uns Klimaschutz auch bauen lassen“, appellierte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Doch das sind nicht die einzigen Kritikpunkte. Eine der zentralen Forderungen, die in einem Positionspapier auf Verbandsseite festgehalten wurde, wird konkreter: Die Vorschrift zur Unterschreitung von Maßen und Gewichten praktikabel zu gestalten. Die Änderungen der Verwaltungsvorschrift (VwV) zur Straßenverkehrsordnung (StVO) sind letzten Herbst 2021 in Kraft getreten – konkret geht es um die §§ 29 Abs. 3 und 46 Abs. 1 Nr. 5. Bleibt es dabei, drohen erhebliche Mehrbelastungen für die Unternehmen und Verzögerungen im Bauablauf, befürchtet die Baupraxis. „Das Genehmigungsverfahren ist noch komplizierter geworden und lässt die für die Bauunternehmen notwendige Flexibilität vermissen. Sie enthält Regelungen für den Transport großer Baugeräte, die von den Firmen in der Praxis nicht umzusetzen sind. Sobald es etwa zu einer nur geringfügigen Unterschreitung der Abmessungen der Ladung oder des Gewichts des Fahrzeugs kommt, muss eine völlig neue Genehmigung eingeholt werden. Die Grenzen können schon überschritten sein, wenn der Tank eines zu transportierenden Baggers leer statt voll ist“, beklagt Dr. Burkhard Siebert, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Hessen-Thüringen.

Zu den weiteren Maßnahmen, welche die Branche für Transportgenehmigungen fordert, gehört auch, das Antragsverfahren nicht bürokratisch zu überladen. Sind neue Anpassungen nötig, müssen diese ohne großen Mehraufwand überarbeitet werden können – heißt es in dem Positionspapier. Benötigt werden einheitliche Regelungen für den Einsatz von Verwaltungshelfern und BF 4-Fahrzeugen. Korrigiert werden müssen die Auflagen für Beifahrer und für Nachtfahrten. Polizeivoranmeldungen sollten praktikabel gestaltet werden.

Weil in anderen Ländern Europas wie in Spanien und Schweden bereits ein höheres zulässiges Lkw-Gesamtgewicht gilt, machen sich die betroffenen Firmen auch hierzulande für die Anhebung des zulässigen Gesamtgewichtes von Lkw von derzeit 40 Tonnen auf 44 Tonnen im kombinierten Verkehr stark. Das zulässige Gesamtgewicht könnte entsprechend angepasst werden, wenn es sich auf mehr Achsen verteilen würde, sodass die durchschnittliche Achslast und damit die Straßenbelastung im Vergleich zu konventionellen Lastzügen reduziert wird. Das Argument: Eine Ausweitung könnte so den CO2-Ausstoß um rund ein bis zwei Millionen Tonnen jährlich reduzieren, weil damit weniger Transporte anfallen. Doch ob das in der Praxis umgesetzt wird, hängt auch vom Zustand der Infrastruktur ab, die schon lange weiträumige Umfahrungen erforderlich macht, weil etwa Brücken nicht belastet werden dürfen.

Rund 3 000 von 28 000 Autobahnbrücken sind inzwischen ein Sanierungsfall – besonders gravierend ist die Lage in NRW, insbesondere an der Sauerlandlinie. Es geht nicht nur um die Talbrücke Rahmede an der A45 bei Lüdenscheid, die seit Dezember für den Verkehr gesperrt wurde – sie soll noch dieses Jahr gesprengt werden – auch die weiteren 60 Brücken an der A45 müssen langfristig erneuert werden, die insbesondere für den Schwerlastverkehr von heute nicht mehr ausgelegt und den Belastungen nicht mehr gewachsen sind. Ob eine Autobahnbrücke befahren werden darf, fällt in die Zuständigkeit der Autobahn GmbH und ihrer zehn Niederlassungen, welche die Belastung der Bauwerke kontrollieren. Seit Januar 2021 müssen von dem Bundesunternehmen Fahrwegprüfungen für die von Großraum- und Schwertransporten genutzten Autobahnstrecken vorgenommen und an die Genehmigungs- und Anhörungsbehörden bestimmte Auflagen für den Transport übermittelt werden. Bei der Überprüfung des Fahrtweges gilt es, nicht nur die Höhentabelle für den Autobahnbereich, eine Bauwerksdatenbank, täglich aktuelle Baustellen, statische Berechnungsprogramme sowie verschiedene Geoinformationssysteme zu berücksichtigen, sondern auch zahlreiche Sondertabellen, zum Beispiel für Bauwerke mit Spannungsrisskorrosionsproblematik oder einteilige Bauwerke mit reduzierten Brückenklassen, müssen betrachtet werden, um die erforderlichen Fahrauflagen oder Fahrverbote zu bestimmen.

Welche Route die Transporteure wählen können, hängt nicht nur von Engstellen in Baustellenbereichen, Autobahnkreuzen oder Auf- und Abfahrten ab, sondern wird bestimmt von den Abmessungen des Fahrzeugs. Dafür muss ein Genehmigungsantrag über das Online-Portal Vemags eingereicht werden, der dann der zuständigen Genehmigungsbehörde zugewiesen wird, die diesen dann an alle Beteiligten zur Prüfung weiterleitet. Bis der Bescheid dem Antragsteller wiederum vorliegt, dauert der Bundesfachgruppe Schwertransport und Kranarbeiten in Deutschland viel zu lange – in den Niederlanden sei das Verfahren automatisiert und in zwei Tagen eine Genehmigung da. Ins gleiche Horn bläst auch der VDMA Power Systems – der Verband fordert mehr Tempo bei Schwertransport-Genehmigungsverfahren für die Windkraft. Deren Geschäftsführer Dr. Dennis Rendschmidt appelliert an die Politik: „Um die Transformation des Energiesystems in Deutschland maßgeblich zu beschleunigen, fordern wir eine deutschlandweite Durchlaufzeit bei Transportgenehmigungen von maximal drei Wochen. Entscheidend sind hierfür die bundesweite Vereinheitlichung und Standardisierung von Strukturen und Regelungen sowie die Digitalisierung wichtiger Prozesse.“

Ob angesichts der Probleme daher eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene und das Wasser eine Option ist, beschäftigte eine von Pro Mobilität in Auftrag gegebene Studie, die das Institut der Deutschen Wirtschaft erstellt hat. Dessen Mitarbeiter Thomas Puls kommt zum Schluss: „Eine qualitativ hochwertige und umfassende Abdeckung mit Güterverkehrsleistungen wird nur möglich sein, wenn die Stärken der einzelnen Verkehrsträger in einem Gesamtsystem kombiniert werden. Ein Gegeneinander von Straße, Schiene und Wasserstraße ist der sichere Weg zum Scheitern, denn keiner der Verkehrsträger ist auf absehbare Zeit in der Lage, die Transportaufgaben eines anderen zu übernehmen. Alle Verkehrsträger stehen derzeit vor großen Problemen. Lkw und Bahn haben einen spürbaren Mangel an Fahrpersonal. Hinzu kommt eine überlastete Infrastruktur. Insbesondere auf den Hauptkorridoren des Güterverkehrs in Deutschland sind die Kapazitäten voll ausgelastet und überfällige Sanierungen sorgen für deutliche Störungen im Warenfluss.“ Er glaubt, dass der Güterverkehr in Zukunft noch weiterwachsen wird. Denn „der Koalitionsvertrag sieht beispielsweise eine starke Ausweitung der Bautätigkeit in Deutschland vor. Wohnungsbau, Infrastruktursanierung, aber auch der Ausbau der Windenergie erfordern den Transport großer Materialmengen – und der wird primär über den Lkw abgewickelt werden.“

Trotzdem können Wasser- und Binnenschifffahrt in Zukunft eine stärkere Rolle bei Schwertransporten spielen. In Umsetzung des Masterplans Binnenschifffahrt hat eine Arbeitsgruppe analysiert, was dafür nötig ist und welche Hemmnisse es hierbei aktuell noch zu überwinden gilt. Sie empfiehlt, Arbeitsabläufe zu optimieren – etwa durch die Ergänzung der Wasserstraßen und Häfen in die Software Vemags. Hilfreich seien auch finanzielle Anreize: Ob für den Um- oder Neubau von Fahrzeugen, die Schaffung von Shuttleverkehren oder eines digitalen Marktplatzes für Binnenschiffer. Um Großraum- und Schwerlasttransporte noch leichter auf die Wasserstraße und Schiene zu verlagern, sollen Mikrokorridore als Standardrouten zu Häfen ausgewiesen werden. Zudem sollen weitere Umschlagsanlagen an den Wasserstraßen geschaffen und bestehende Infrastruktur des Kombinierten Verkehrs genutzt werden.

Darüber hinaus können auch digital einheitliche Verfahren die Genehmigung und Planung von Großraum- und Schwertransporten beschleunigen. Hierfür soll in einem Forschungsprojekt der Jade Hochschule in Wilhelmshaven eine Datenbank bis Ende 2022 geschaffen werden. Für die Genehmigung der großen und schweren Transporte sind jedes Mal umfangreiche und kostenintensive Streckenprüfungen erforderlich. Das Projekt beschäftigt sich darum mit der Frage, ob wiederkehrende Muster erkennbar sind und sich Wissen, Erfahrung und Historien der Beteiligten digital aufbereiten lassen. „Mit diesem Projekt wollen wir erreichen, dass bei einer 30 Kilometer langen Transportstrecke für XXL-Großraum- und Schwerlasttransporte nicht eine 800-Kilometer-Strecke geprüft werden muss“, so Professorin Kerstin Lange vom Fachbereich Seefahrt und Logistik. Mithilfe einer Open-Data-Base werden Daten und Informationen geliefert, Vergleiche angeboten und Kombinationen aus Transportgut, Fahrzeug und Route aufgezeigt, sobald beim Hersteller im Vertrieb die relevanten Daten entstehen, Verträge verhandelt und Preise festgelegt werden. Gleichzeitig werden die Voraussetzungen für eine bessere Genehmigungspraxis dahingehend ausgewertet, ob sie als Orientierungshilfe für Planer und Straßenverkehrsbehörden genutzt werden können.

März/April 2022