Jeder Unfall ist einer zu viel

Ein Kommentar von Sonja Reimann

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Am Unfallrisiko, dem Baustellenpersonal ausgesetzt ist, hat sich nichts geändert: Es ist nach wie vor deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Foto: Thorben Wengert /www.pixelio.de

„Von Baumaschine überfahren“, „Kran stürzt um“ oder „Bauarbeiter fällt von Gerüst“:

Wenn es in der Vergangenheit um den Arbeitsschutz auf deutschen Baustellen ging, sorgten solche Arbeitsunfälle für Negativschlagzeilen, auf die jeder Betrieb nur allzu gerne verzichtet hätte. Schließlich ist jeder Unfall einer zu viel. Und zwangsläufig stellt sich immer die Frage, ob es zu dem Unglück hätte kommen müssen und wie die menschliche Tragödie hätte verhindert werden können.

Die Risiken, denen Bauarbeiter heute ausgesetzt sind, sind ganz andere als vor hundert Jahren: Stress bedingt durch Arbeitsüberlastung sowie massiver Zeit- und Kostendruck sorgen für eine Flut an psychischen Erkrankungen, Neudeutsch Burn-out. Es leiden heute Muskeln, Gelenke und vor allem das Kreuz. Kein Wunder, dass für viele Beschäftigte die Rente mit 63 nicht in Frage kommt, weil sie schon viel eher ihren Arbeitsplatz räumen. Was erfreulich ist: Deutschland steht mit seiner Unfallbilanz 2015 vergleichsweise gut da. Arbeitsunfälle sind auf ein Rekordtief gesunken, meldete erst die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft. Die Prävention in den Unternehmen zeigt Wirkung, aber auch drohende Sanktionen schrecken ab, den Arbeitsschutz auf die leichte Schulter zu nehmen. Viele Betriebe begnügen sich längst nicht mit den gesetzlichen Mindestanforderungen, sondern sie investieren viel Geld in zusätzliche Maßnahmen oder in Ausrüstung für die Sicherheit der Mitarbeiter. Angesichts des demografischen Wandels kommen sie nicht darum herum, das Personal vor den Folgen der Arbeit besser zu schützen. Längst haben Unternehmen erkannt, dass Arbeitsmittel dazu beitragen, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigen zu erhalten und sie von gesunden und motivierten Mitarbeitern profitieren.

Am Unfallrisiko, dem Baustellenpersonal ausgesetzt ist, hat sich nichts geändert: Es ist nach wie vor deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Stürze von Leitern, Gerüsten oder Dächern und der Kontrollverlustüber Maschinen, Fahrzeuge und Werkzeuge sind noch immer an der Tagesordnung. Deswegen müssen Unternehmen und ihre Belegschaft auch weiterhin sensibilisiert werden, den Arbeitsschutz nicht zu vernachlässigen, um hier am Ball zu bleiben und Gefahrenpotenziale zu entschärfen.

Am Unfallrisiko, dem Baustellenpersonal ausgesetzt ist, hat sich nichts geändert: Es ist nach wie vor deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Foto: Thorben Wengert /www.pixelio.de
Am Unfallrisiko, dem Baustellenpersonal ausgesetzt ist, hat sich nichts geändert: Es ist nach wie vor deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Foto: Thorben Wengert/www.pixelio.de

Hier setzt die seit Juni 2015 in Kraft getretene neue Betriebssicherheitsverordnung an, die sich insbesondere auf die Gefährdungsbeurteilung auswirkt, die nun zusätzliche Faktoren wie Gebrauchstauglichkeit, Einflüsse der Arbeitsumgebung, Arbeitsverfahren und -organisation, Ablauf, Aufgabe und Arbeitszeit berücksichtigen muss. Das bedeutet für viele Unternehmen erheblichen Mehraufwand als bisher, wenn sie ihren Mitarbeitern Arbeitsmittel, sprich Maschinen, für ihre Tätigkeit bereitstellen. Vor allem muss alles ganz genau dokumentiert werden. Das Bürokratiemonster hat mal wieder neues Futter bekommen. So schön es wäre, damit die Unfallrate auf Null zu senken, so utopisch es ist. Fehlerursache Nummer eins ist und bleibt der Verhaltensfehler, der auf menschliches Versagen zurückführt. Dies muss beim Arbeitsschutz immer mit eingeschlossen werden.

Juli/August 2016